Database-Marketing: Wo sind die Grenzen?

29.07.1999 - Als "Wegelagerer der digitalen Gesellschaft" bezeichnet Der Spiegel vom 5. Juli in seiner Titelgeschichte "Der nackte Untertan" die Adreßhändler Deutschlands.

"Diese Karten sollte man gar nicht benutzen", wird dort Helmut Bäumler, Datenschutzbeauftragter der Landesregierung in Schleswig-Holstein, in Bezug auf Kundenkarten zitiert. Es handele sich um "reine Marketinginstrumente", mit deren Hilfe "die Firmen detaillierte Konsumprofile jedes einzelnen Karteninhabers entwerfen" könnten.

In demselben Artikel wird über Datenmißbrauch seitens des Staates und Militärs berichtet, das Gespenst des gänzlich ausgeforschten Konsumenten und Bürgers gezeichnet, die Sorge der Menschen um ihre Privatsphäre geschürt.

Die Verquickung von Marketinginstrumenten und Orwellschen Überwachungssystemen rückt die Dialogmarketing-Branche in ein - gelinde gesagt - ungutes Licht. Andererseits stellt sich aber tatsächlich die Frage, wo die Grenzen des DatabaseMarketing zu setzen sind.

Anläßlich des Schwerpunktthemas Adressen/Database hat ONEtoONE Meinungsbildner nach ihrer persönlichen Einschätzung zu dem Thema befragt. Die Fragestellung lautete: Inwieweit und in welchem Umfang sind Datenbanken für Marketingzwecke sinnvoll und nutzbar? Wo sollten die Grenzen gesetzt werden?



Warum gibt es immer wieder "-beauftragte" oder "-schützer", die ihr Sendungsbewußtsein darin ausleben wollen, andere Menschen vor der ach so gierigen und trickreichen Wirtschaft schützen zu müssen? Glückwunsch, Herr Bäumler, daß Sie erkannt haben, daß die Kundenkarten des Handels reine Marketinginstrumente sind. Ja, was denn auch sonst? Viele hunderttausend Kartennutzer haben diese Erkenntnis schon vor Ihnen gehabt und noch mehr: die, die Karten nicht genommen haben, auch. Und potztausend, die haben sich alle ganz selbständig entschieden. Für oder gegen.

Immer, wenn der Sommer die Themen rar macht, sind Adlige, gläserne Konsumenten und die Gentechnologie die willkommenen Ausputzer der Magazinpresse. Vielleicht sollte der DDV als nächsten Präsidenten einen untreuen adligen Nebenerwerbsbauern mit einer Heimdatenbank wählen. Der hätte dann den Sommer für sich allein ...

Nun zum Thema: Datenbanken sind nicht nur sinnvoll und nutzbar, sondern ganz unverzichtbar fur aktuelles One-to-one-Marketing. Sie sorgen dafür, daß ich, der Konsument, für mich relevante Botschaften bekomme, mit denen ich tatsächlich etwas anfangen kann. Und sie sparen der Volkswirtschaft Geld, weil sie verhindern, daß unwillkommene Angebote verschickt werden.

Natürlich ist die Welt nicht ideal. Auch ich finde die Junk-Mails eines bekannten Lotterieverkäufers aus der Oberpfalz lästig, die er mir völlig erfolglos, aber dafür hartnäckig seit Jahren schickt. Seine Kalkulation scheint es herzugeben.

Intelligentes Database-Marketing läßt die Konsumenten nicht im Unklaren, woher die vorhandenen Individualinformationen kommen und sagt deutlich, für was weiter erfragte Informationen genutzt werden sollen. Und natürlich hat der Konsument immer die Möglichkeit, nein zum Dialog zu sagen, was eine seriöse Firma strikt beachten wird. So vorbereitet und exekutiert, wird der Dialog symphatisch und willkommen sein und damit das bestmögliche Feld für spezielle Angebote bereiten.

Natürlich gibt es auch Grenzen: Informationen, die mit meinem Produkt oder Service nichts zu tun haben, brauche ich auch nicht zu erheben bzw. zu speichern. Nicht jede Datenkorrelation ist auch eine Erleuchtung. Auch nicht jeder Magazinartikel.

Rolf-Dieter Hölzel ist Geschäftsführer von OgilvyOne



Database-Marketing ist Chefsache! Es ist nach wie vor eines der wichtigsten Instrumente im One-to-one-Marketing-Mix. Sowohl die Märkte an sich als auch die Bedürfnisse und Konsumgewohnheiten der Marktteilnehmer sind mittlerweile so komplex, das Angebot an Informationen fast unübersichtlich geworden, daß nur eine differenzierte Zielgruppenansprache und eine exakte Zuschneidung von Angeboten optimale Ergebnisse für Marketing und Vertrieb bringt.

Beginnend bei der eigenen Kundendatenbank über standardisierte Database-Module bis hin zu komplexen Marktinformationssystemen und umfassenden Data-Warehouse-Konzepten leisten Datenbanken hierbei wertvolle Unterstützung beziehungsweise bilden das Grundgerüst für effiziente Konsumentenansprache und -betreuung.

Zukünftig wird man sogar noch einen Schritt weitergehen und Datenbank-Technologien mit umfassenden Datensubstanzen und Tools für Adressen- und Schnittstellen-Management kombinieren.

Bereits heute werden Marktdatenbanken eingesetzt, die den Gesamtmarkt abbilden und damit eine bestmögliche Ausschöpfung des vorhandenen Marktpotentials ermöglichen.

Schnelle Datenzugriffe und Informationsgenerierung und insbesondere ein offenes, individualisierbares Konzept ermöglichen den Aufbau einer Akquisitionsdatenbank, die Database Marketing, Kunden- und Marktanalyse sowie die Neukundenakquisition zu einer strategischen Einheit verbindet und damit zum Beispiel zielgruppengenaue Planungen von Marketing-Aktionen ermöglicht oder Marketing-Historien aufbaut - damit zum Beispiel mehrfache Nichtreagierer auf Mailingaktionen nicht immer wieder erneut angeschrieben werden.

Die Grenzen des Database-Marketing sind dort erreicht, wo ein planloses Sammeln von Daten erfolgt, wo Konsumenten-Informationen abgefragt werden, die mit der eigentlichen Aufgabenstellung des Unternehmens nichts zu tun haben - und dort, wo die Zielgruppen im unklaren über die Verwendung der Informationen gelassen werden. Aber auch dort, wo die Qualität der Adressengenerierung und -pflege leidet, und zwar an Disziplinlosigkeit. Deswegen: Chefsache!

Dr. Heinz Dallmer ist Geschäftsführer der AZ Bertelsmann Direct in Gütersloh



Es ist sicher nicht meine Aufgabe, Marketingfirmen zu sagen, mit welchen personenbezogenen Daten sie arbeiten sollen. Meine Aufgabe ist es, sich für den Schutz der Persönlichkeitsrechte aller Bürger einzusetzen. Das bedeutet vor allem, daß die Betroffenen in die Geschehnisse eingebunden werden, daß ihnen transparent ist, was mit ihren Daten geschehen soll.

Datenbanken in öffentlicher Hand sind in der Regel für private Unternehmen unzugänglich. Ausnahmen: Das diese Datenbank regelnde Gesetz sieht eine Weitergabe vor, zum Beispiel das Grundbuch, oder der Betroffene hat zugestimmt beziehungsweise nicht widersprochen, z.B. bei der Weitergabe der Meldeadressen an Parteien oder Adreßbuchverlage.

Gegenüber privaten Unternehmen hatten die Bürger zwar bisher schon ein Widerspruchsrecht, wenn sie nicht wollten, daß ihre Daten für Zwecke der Werbung und der Marktforschung genutzt werden; aber sie mußten über dieses Recht nicht belehrt werden. Das wird mit der anstehenden Novellierung des Datenschutzrechts geändert.

Zukünftig muß ein Unternehmen ausdrücklich darauf hinweisen, wenn es die Daten eines Kunden für Werbung und Marktforschung nutzen will. Im Bereich der Telekommunikations- und Postdienste habe ich sogar eine Einwilligungslösung erreicht.

Trotz allem bleibt bei vielen Bürgern ein Unbehagen, weil sie nicht nachvollziehen können, warum eine Firma zum Beispiel weiß, daß sie sich für Rosen interessieren, denn sie hatten noch nie Kontakt zu dieser Firma, oder etwa, warum sie keinen Kredit bekommen. Hier wünsche ich mir mehr Offenheit gegenüber dem Kunden. Wenn möglich auf freiwilliger Basis, also ohne daß der Gesetzgeber tätig werden muß.

Dr. Joachim Jacob ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz in Bonn



Database-Marketing kontra Datenschutz? Wohin geht die Reise?
Modernes Direktmarketing ist Database-Marketing - gearbeitet wird mit in Datenbanken gespeicherten Informationen über bestehende oder potentielle Kunden. Auch künftig wird der Einsatz von Datenbanken für Marketingzwecke unerläßlich sein, wobei der Datenschutz als ständige Reibungsfläche vorprogrammiert bleiben wird.

Seit Herbst letzten Jahres ist der Gesetzgeber in Verzug mit der Umsetzung der Brüsseler Datenschutzrichtlinie von 1995. Spätestens seit dem Regierungswechsel bläst der Direktmarketingbranche ein schärferer Wind entgegen. Ungeachtet des hohen deutschen Datenschutzstandards drängen Daten- und Verbraucherschützer auf Verschärfung gesetzlicher Bestimmungen, das heißt, mehr zu tun, als die Richtlinie erfordert. Parallel dazu zeichnen die Medien mit großer Beharrlichkeit das Bild des gänzlich ausgeforschten gläsernen Verbrauchers.

"Schiefe" Umfrageergebnisse belegen nicht erst jüngst, daß die größte Angst der Deutschen dem Mißbrauch seiner Daten durch "Adreßhändler" gilt - Unternehmen, die als unseriös, wenn nicht gar als kriminell dargestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist vom Gesetzgeber mehr denn je Augenmaß zu verlangen, will man nicht Gefahr laufen, daß Databasemarketing künftig nur noch im beziehungsweise vom Ausland aus möglich ist. Sicherlich sind im DatabaseMarketing datenschutzrechtliche Grenzen zu beachten, insbesondere darf der Verbraucher nicht über die Verwendung der über ihn erhobenen Daten irregeführt werden.

Was allerdings nicht erforderlich ist, sind Verschärfungen bestehender Gesetze: Die letzte BDSG-Novellierung von 1991 hat die Verbraucherrechte erheblich verstärkt. Neben dem Widerspruchsrecht des Verbrauchers gegen den Einsatz seiner Daten zu Marketingzwecken erhielt er Auskunftsansprüche bezüglich Herkunft, Art, Umfang und Empfänger seiner personenbezogenen Daten. Damit sind bereits heute die Interessen des Verbrauchers und der Wirtschaft in einem für beide Teile angemessenen Verhältnis austariert.

Verbesserungen sind jedoch nötig und möglich, wo es darum geht, den Verbraucher über seine Rechte aufzuklären und ihm bei der Durchsetzung dieser Rechte zu helfen.

DDV-Initiativen wie Robinsonliste, Briefkasten-Aufkleber und selbstregulierende Instrumentarien wie zum Beispiel "Regeln für faires Direktmarketing" sowie die Verbraucherbroschüre "Auf direktem Weg" belegen dies klar.

Wenn der Verbraucher ein ihn nicht interessierendes Mailing erhält, mag ihn dies stören - es sollte ihn aber gleichermaßen beruhigen. Ist es doch Beleg für einen funktionierenden Datenschutz, da ganz offensichtlich die Zusendung in diesem Fall aufgrund der falschen Vermutung eines bestehenden Interesses erfolgte. Wohlgemerkt Vermutung und nicht Kenntnis - die Taschen des Verbrauchers sind also keineswegs so gläsern, wie die Medien glauben machen.

Hans Jürgen Schäfer ist Leiter Recht beim Deutschen Direktmarketing Verband, DDV, in Wiesbaden

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Vorträge zum Thema:

  • Bild: Martin Brahm
    Martin Brahm
    (Schober Information Group Deutschland)

    Data Value Management als Basis für die digitale Transformation in Vertrieb und Marketing

    Um die Themen rund um KI bearbeiten zu können, müssen Unternehmen eine gute Vorarbeit leisten: Mit der richtigen Datenstrategie die KI füttern, um richtige Entscheidungen zu treffen, das Thema hybrider Vertrieb zu bearbeiten aber auch Lösungen wie generative KI einsetzen zu können. Wie man solch eine Strategie umsetzt zeigt der Vortrag anhand von Kundencases aus Travel, Automotive und Retail B2B.

    Vortrag im Rahmen der Zukunftskonferenz 25. Trends in ECommerce, Marketing und digitalem Business am 03.12.24, 11:00 Uhr

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