25.10.2005 - Die Versandhandelsbranche trifft sich zum zehnten Mal auf ihrem Wiesbadener Fachkongress
Es ist ruhig geworden um den deutschen Versandhandel. Nachdem die täglichen Hiobsbotschaften aus dem Hause KarstadtQuelle versiegt sind, tüfteln die Distanzhändler wieder an Strategien zur Belebung der eigenen Konjunktur, suchen nach neuen Wegen zum Kunden und experimentieren mit neuen Produkten oder Services. Unter dem Motto "Redefining your Business" feilen die Teilnehmer des zehnten Deutschen Versandhandelskongresses vom 25. bis zum 27. Oktober an ihrer Agenda.
Strategien für den Versandhandel von morgen werden dringend gesucht. Und so profitiert das Wiesbadener Entscheider-Meeting durchaus von der um sich greifenden Ratlosigkeit. Bereits im letzten Jahr verbuchte der Kongress Rekordteilnehmerzahlen zwischen 840 und 900. In diesem Jahr erwartet der Veranstalter B+P Management Forum ein weiteres Plus, nämlich mehr als 1.000 Kongressteilnehmer und rund 3.000 Besucher der Fachmesse Mail Order World.
Zögerliche Nachfrage
Das Versandgeschäft selbst leidet dagegen unter anhaltender Umsatzflaute. Im vergangenen Jahr schrumpfte der Marktanteil - rund sechs Prozent am gesamten Handel - um 3,4 Prozent. Dabei fuhren die Universalversender ein schmerzliches Umsatzminus von 8,8 Prozent ein. "Die Krise ist offensichtlich, aber es gibt auch Chancen", meint der Versandhandelsexperte Patrick Palombo. So nähern sich Quelle und Neckermann allmählich der Erfüllung ihres Sanierungsplans, und ungeachtet der ernüchternden Performance der Universalisten steigerten sich die Spezialisten unter den Versendern um respektable 1,8 Prozent.
Ein Erfolg, von dem auch die Großen lernen können, meint Palombo: "Spezialisten sind ja nichts anderes als fragmentierte Universalisten", so Palombo. Und die stellen sich seiner Meinung nach immer geschickter an, auch als solche wahrgenommen zu werden. Große Hoffnung setzen Distanzhändler neben dem Katalog auf die Vielfalt der Vertriebskanäle wie E-Commerce, Teleshopping, Telefon, Mailing und E-Mailing. Das Credo: neue Zielgruppen über einen ausgetüftelten Kanalmix erobern.
Der Versandkunde ist kompliziert geworden: untreu, volatil und multimedial veranlagt, einerseits Smart-, andererseits Convenience-Shopper und definitiv mit allem ausgestattet, was das gemeine Verbraucherherz begehrt."Diesen Kunden können Sie nur mit seinen latenten Spezialbedürfnissen ansprechen, die unter Umständen erst geweckt werden müssen", so Palombo.
Neue Sortimente werden da keine Wunder bewirken, vielmehr geht es darum, den Einzelnen mit Hilfe der eigenen Datenbank so zu behandeln, dass er wiederkommt. "Handel endet nicht mit dem Verkaufen, sondern fängt damit erst an", so Patrick Palombo. "Profile und Lebenszyklen ändern sich ständig: Sobald Sie wissen, dass ein Kind im Haushalt lebt, können Sie zum Beispiel präzise ausrechnen, was da demnächst alles gebraucht wird." Obwohl die großen Versandhäuser theoretisch in ihren Kundendaten schwimmen könnten, wird echtes Database-Marketing nach Ansicht des Branchenkenners allenfalls in Ansätzen praktiziert.
Der Katalog verliert an Bedeutung
"Redefining" heißt deshalb vor allem: präzisere Zielgruppenansprache, Prozessoptimierung und kundennahe Services. Und all das muss dann über die richtigen Kanäle bei der Zielgruppe ankommen. "Zugpferd im Versand ist gar nicht mehr unbedingt der Katalog", meint Palombo. "Das Internet zieht unter Umständen schon viel stärker."
Ein Trend, auf den sich auch die Dienstleister einstellen. "Als Call-Center bedienen wir auch aktuelle Trends wie Teleshopping und Online-Handel", berichtet Ute Behrmann vom Call-Center-Betreiber Taptel, die als Ausstellerin der begleitenden Fachmesse Mail Order World nach Wiesbaden fährt. Die optimale Ausschöpfung von Kundenkontakten durch Up- und Cross-Selling-Maßnahmen sei am Telefon ebenso sinnvoll wie im klassischen Katalogversand, meint die Vertriebschefin.
Goldgrube und Hoffnungsträger der Branche ist nach wie vor das Internet. Der Umsatz im deutschen E-Commerce ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen: Lag er 2002 noch bei 6,3 Milliarden Euro, legte er 2003 auf 8,8 Milliarden Euro zu und kratzte nach einer Studie der GfK-Gruppe im Jahr 2004 an der Zwölf-Milliarden-Euro-Marke.
Auch die ehemaligen Schmuddelkinder der Branche, die Teleshopping-Sender, machen den klassischen Versendern Marktanteile streitig und gehören damit zu den Top-Themen des Wiesbadener Elitetreffens. "Die Steigerungsraten beim Teleshopping gehen linear nach oben, ein Ende ist nicht in Sicht", sagt Dorothee Hoffmann, Sprecherin des Bundesverbands Deutscher Versandhandel. Branchenprimus QVC setzte im Jahr 2004 immerhin 516 Millionen Euro um und erwirtschaftete einen Gewinn von knapp 75 Millionen Euro. Umsatzplus im ersten Halbjahr 2005: 18 Prozent, der Gewinn stieg sogar um 25 Prozent.
TV-Shops setzen auf Digitalisierung
Rund 5,4 Millionen Deutsche haben das Shopping-Erlebnis auf der Fernseh-Couch schon mal ausprobiert. Im Jahr 2009, glauben die Marktforscher von Goldmedia, werden die TV-Kaufhäuser zusammen rund 1,5 Milliarden Euro umsetzen. Einen weiteren Schub erhofft sich die Branche vom digitalen Fernsehen. So sind in letzter Zeit einige kleinere Anbieter wie 1-2-3.TV oder Arena mit interaktiven Formaten an den Start gegangen. Vor allem der Hamburger Otto-Konzern steht in Kooperation mit Microsoft in den Startlöchern, um seinen Kunden das "Shopping-Erlebnis der Zukunft" zu vermitteln.
Fernbleiben wird dem Wiesbadener Branchentreff übrigens der künftige Versandhandelschef von KarstadtQuelle. Marc Oliver Sommer hat derzeit andere Termine, lässt der Bertelsmann-Konzern mitteilen. Doch auch aus der Ferne geht von der Personalie ein positives Signal aus, meint Patrick Palombo: "Er ist der Richtige am richtigen Platz, wenn man ihn tun lässt, was er kann." Das strahlt irgendwann auch auf die Kunden ab. Und letztlich auf die ganze Branche. asc
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