Einen Cocktail in der Hand und Gurkenscheiben im Gesicht - so sitzen die MitarbeiterInnen der Volksbank Mittelhessen
chillig in der Sonne, als der Chef anruft und sich erkundigt, wann sie mal wieder ins Büro kommen. Das TikTok-Video zum Thema Gleitzeit wurde millionenfach aufgerufen. Besonders cool finden die FollowerInnen der Bank aus Gießen, dass der Vorstandssprecher in mehreren Episoden auf dem TikTok-Account @vbmittelhessen
auch selbst mitmacht. Einmal schlägt er seinen jungen KollegInnen sogar vor, gemeinsam einen trinken zu gehen. Da will doch jeder gern arbeiten, oder?
Diesen Impuls will die Bank wecken. "Über unseren TikTok-Kanal gelingt es uns, junge Leute auf eine unterhaltsame Weise anzusprechen und mit dem angestaubten Image von geldzählenden Bankern in Nadelstreifenanzügen aufzuräumen", sagt Nina Bernhammer, Teamleiterin Vorstandsstab bei der Volksbank Mittelhessen. Als Feedback erhält die Bank Kommentare wie "ihr seid echt sympathisch" oder "kann ich bei euch anfangen?" und Anfragen, ob und wie man sich bewerben kann.
80 Prozent der BewerberInnen kennen die VB von Social Media
Tatsächlich lassen sich viele BewerberInnen von Social Media inspirieren. So geben internen Zahlen zufolge 80 Prozent der jungen BewerberInnen bei ihren Vorstellungsgesprächen an, dass sie die Bank über Social Media, insbesondere auf TikTok, registriert haben. Auf dem Kanal konnte die Bank aus Gießen schnell die nötige Reichweite aufbauen, wie sie in einer Mitteilung kommuniziert:
"Was auf etablierten Kanälen wie Facebook und Instagram Jahre dauerte, gelang auf TikTok innerhalb von vier Wochen." Mit einfachsten Mitteln sei es gelungen, die Anzahl der FollowerInnen auf heute 43.000 zu steigern und dabei täglich neue hinzuzugewinnen.
"Auf TikTok erreichen wir insbesondere junge Menschen bis Mitte zwanzig, die Facebook und Instagram oft gar nicht mehr oder nur selten nutzen", sagt Bernhammer.
Azubis haben die besten Ideen für TikToks
Bevor sich die Volksbank als eines der ersten Unternehmen im Finanzsektor im Juni 2020 bei TikTok präsentierte, stellte sich intern die Frage:
"Wer versteht die Zielgruppe am besten und wie erzeugen wir Content, der begeistert?", erzählt Bernhammer. Die Wahl fiel auf die Azubis, die den Kanal selbst aktiv nutzen, die Trends kennen und Teil der Zielgruppe sind.
"Azubis, die Lust hatten, bei der Erstellung von TikToks mitzuwirken, konnten sich intern bewerben. Sie wurden mit der erforderlichen Technik ausgestattet und bekamen eine sehr hohe Gestaltungsfreiheit", beschreibt die Teamleiterin.
Und spätestens als der Vorstandssprecher dann auch noch selbst in einem Video auftrat, war die ganze Bank im TikTok-Fieber: Aus mehreren Abteilungen meldeten sich Mitarbeitende, um Ideen einzubringen oder selbst mitzuwirken. Die Social-Media-Abteilung hilft dabei, den Content zu sichten und zu überprüfen. Dabei kümmert sie sich auch um die weiteren Kanäle wie Facebook, Instagram und Linkedin.
"Je Kanal achten wir auf eine zielgruppengerechte Darstellung und ein entsprechendes Wording", sagt Bernhammer.
Während der Ton auf LinkedIn sachlich gehalten ist, setzt das Social-Media-Team bei Instagram auf Stories, und bei TikTok auf kurze und unterhaltsame Videos, die schnell eine hohe Aufmerksamkeit und Sympathie wecken sollen, um NutzerInnen zu halten, so Bernhammer:
"In vielen Beiträgen ist der Inhalt überspitzt und zum Lachen gedacht." Wichtig ist auch, dass in den TikTok-Videos vor allem die jungen MitarbeiterInnen agieren - selbst wenn die Follower den Vorstandssprecher cool finden.
Jugend-Codes sind nur für Jugendliche
Würde überwiegend die Generation jenseits der GenZ auftreten, gäbe es für die Zielgruppe kein Identifikationspotenzial. So sieht es Jeannette Okwu, Managing Director DACH bei der Agentur
ScaleDigital
, für die die Volksbank Mittelhessen ein Vorzeigebeispiel ist, wie sich ein TikTok-Auftritt umsetzen lässt. Allerdings warnt sie davor, dass Ältere den Tonfall ihre jüngeren KollegInnen übernehmen.
"Wenn CEOs Raps aufsagen, ist das ein No-go." Schließlich ginge dann die so wichtige Authenzität verloren.
Junge Leute interessieren sich eben vor allem für andere junge Leute. Und daher verzeichnet es Bernhammer auch als Gewinn, dass die TikTok-Stars im Unternehmen nicht nur den Nachwuchs locken - sondern auch junge KundInnen. Denn wenn diese eine Filiale der Volksbank Mittelhessen betreten, sehen sie dort vielleicht auch die ProtagonistInnen aus den TikTok-Videos wieder.
TikTok: So gelingt der perfekt unperfekte Auftritt
- Um sich auf dem jungen Social-Media-Kanal erfolgreich zu positionieren, schlüpfen Marken am besten in die CreatorInnen-Rolle.
- Auch können sie mit CreatorInnen zusammenarbeiten, die wissen, was für die TikTok-Community relevant ist. Denn die Community merkt, wenn Inhalte extra für TikTok kreiert wurden und belohnt dies mit einer erhöhten Werbeerinnerung. InfluencerInnen heben laut TikToks internen Analysen das Erinnerungspotenzial nativer Inhalte noch mal um 27 Prozent an.
- Entscheidend ist, bei Interaktion und Austausch mit der Community auf Augenhöhe zu kommunizieren und nicht Top-Down. So gelingt es, eine wertschätzende und dauerhafte Beziehung zur Community aufzubauen, die auf der Plattform Neues entdecken möchte - von Inhalten über Trends bis hin zu Produkten.
- Die Faustregeln für die Videoproduktion lauten:
- Alle Videos sollten ausschließlich vertikal gefilmt werden.
- Es gilt, sich kurz zu fassen und Wichtiges lieber an den Anfang zu stellen, denn bereits die ersten Sekunden zählen.
- Ein starker Aufhänger und Titelkarten können helfen, die Aufmerksamkeit der ZuschauerInnen zu gewinnen. Zudem können Fragen, Infografiken, Jump Cuts, Sounds, die Greenscreen-Funktion oder andere Effekte genutzt werden.
- Wer ein globales Publikum erreichen möchte, sollte dazu englische Untertitel verwenden. Da jedes Video für sich steht, wenn es im TikTok "Für dich"-Feed erscheint, ist es außerdem wichtig, klar zu zeigen, worum es geht.
- Das Ende einer Geschichte als Anfang, mehrere parallele Handlungsstränge, fiktive Berühmtheiten, innovative Narrative.
Quelle: TikTok/ONEtoONE