Die allgemeine Volatilität der Wirtschaftslage spiegelt sich in den Nachfrageschwankungen nach Fach- und Führungskräften wider. Die Unternehmen reagieren auf die angespannte Situation auch mit reduzierten Stellenausschreibungen, gerade bei hochbezahlten Positionen. Nach einem deutlichen Zuwachs im ersten Jahresviertel 2023 wirken sich die negativen wirtschaftlichen Vorzeichen nun unmittelbar auf die Zahl der Stellenausschreibungen aus. Der Hays Fachkräfte-Index
verzeichnet für das zweite Quartal 2023 einen Rückgang um 24 Prozentpunkte und befindet sich mit +128 Prozent nun wieder auf dem Niveau von Q4/2022. Diese Nachfrageschwankungen sind maßgeblich auf eine sehr kurzfristig ausgerichtete Personalbedarfsplanung zurückzuführen. Dennoch liegt die Gesamtnachfrage nach Fachkräften für alle untersuchten Berufsgruppen weiterhin auf einem sehr hohen Niveau.
Rückläufige Nachfrage nach IT-Experten
Einen klaren Abwärtstrend in der Nachfrage verzeichnet der Index bei den IT-Stellen. Mit einem Minus von 29 Prozentpunkten (auf 148 PP) sinkt die Nachfrage auf den zweitniedrigsten Wert seit Ende 2021. Die Spitzenreiter des Vorquartals, IT-Architekten und IT-Security-Spezialisten, erfahren mit -78 Prozentpunkten und -32 Prozentpunkten deutliche Rückgänge. Auch die Nachfrage nach der zahlenmäßig am stärksten vertretenen Berufsgruppe der IT-Entwickler sinkt um -32 Prozentpunkte. Ein leichtes Nachfrageplus (+7 PP) verzeichnen lediglich die IT-Administratoren.
"Die Nachfrage nach IT-Admins ist ungebrochen. Auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten ist ein stabiler IT-Betrieb unabdingbar. Dazu kommt: Viele Unternehmen migrieren ihre IT in die Cloud. IT-Admins, die ebenfalls über Erfahrungen im SaaS-Umfeld verfügen, sind daher besonders gefragt", erläutert Andreas Sauer
, Bereichsleiter Technology bei Hays. Weiterhin führt die Berufsgruppe der IT-Experten mit einer Gesamtzahl von über 100.000 Stellenausschreibungen den Fachkräfte-Index deutlich an.
Auch im Bereich Life Science ist Zurückhaltung bei der Rekrutierung zu spüren. Konkret nimmt die Nachfrage um gut ein Viertel (-22 P) im Vergleich zum Vorquartal ab. Der Bedarf nach Data Scientists ist sogar auf den niedrigsten Wert seit zwei Jahren gesunken. Die Nachfrage nach Life-Science-Fachkräften bewegt sich insgesamt auf niedrigerem Niveau, so dass Schwankungen hier deutlicher ausfallen.
Leichte Entspannung bei der Suche nach Finanz-Fachkräften und Ingenieuren
Nach dem Aufwärtstrend der vergangenen Quartale hat sich die Suche nach Spezialistinnen und Spezialisten im Bereich Finance im aktuellen Betrachtungszeitraum erstmals etwas abgekühlt (-22 PP). Vergleicht man allerdings das aktuelle Suchvolumen (+136 Prozent, Q1/2023: +158 P) mit den Werten aus dem letzten Jahr, liegt die Suche nach Finanz-Fachkräften mit 31.000 ausgeschriebenen Stellen immer noch beim zweithöchsten Indexwert seit der Ersterhebung im Jahr 2015. Die im Vorquartal besonders nachgefragten Wirtschaftsprüfer und die Compliance Manager haben im aktuellen Zeitraum mit -60 Prozentpunkten auf 132 Prozent beziehungsweise - 67 Prozentpunkte auf 206 Prozent die stärksten Rückgänge erfahren.
Vergleichsweise stabil geblieben ist hingegen die Zahl der Stellenausschreibungen für Buchhalter (-8 PP auf 129 P), Tax Manager (-11 PP auf 153 P) und Controller (-17 PP auf 153 P).
"Trotz eines leichten Nachfragerückgangs im letzten Quartal gibt es einen permanent hohen Bedarf an Controllern und Buchhaltern. Und das nicht zuletzt, weil Unternehmen sich dauerhaft in dynamischen Märkten befinden, deren Regularien und Gesetze sich schnell ändern und weiterentwickeln", sagt Erich Schwinghammer
, Bereichsleiter Finance und HR.
Auch die Stellensuche nach Ingenieuren ist im zweiten Quartal etwas geschrumpft. Der Index weist für diese Berufsgruppe ein Minus von acht Prozentpunkten aus. Das ist berufsgruppenübergreifend der geringste Nachfragerückgang. Bezogen auf die absoluten Zahlen an ausgeschriebenen Stellen ist der Bedarf an Bauingenieuren, trotz eines Rückgangs von -13 Prozentpunkten, nach wie vor sehr hoch. Unter den Top 5 der im zweiten Quartal am meisten gesuchten Positionen erfahren lediglich die Verfahrens-/Prozessingenieure eine Wachstumsrate von 10 Prozentpunkten. Die größte positive beziehungsweise negative Veränderung weist die Auswertung bei den Chemieingenieuren (+48 PP) sowie den Automatisierungsingenieuren (-47 PP) aus.
HR-Fachkräfte: Rückgang der Nachfrage auf hohem Niveau
Im Bereich Human Resources zeigen sich die Unternehmen ebenfalls insgesamt zurückhaltend bei der Ausschreibung neuer Stellen. Die abnehmende Nachfrage von 31 Prozentpunkten auf +248 Prozent markiert den niedrigsten Wert seit Ende 2021. Mit Blick auf die Positionen fällt auf, dass trotz Rückgängen (-19 PP bzw. -64 PP) die Stellenausschreibungen für die zahlenmäßig stark vertretenen HR Business Partner und Recruiter mit +610 Prozent und +346 Prozent immer noch weit über dem HR-Gesamtwert liegen und nach wie vor ein hohes Nachfrageniveau aufweisen. Zuwächse erfahren die Employer Branding Manager (+26 PP auf 383 P) und die HR Manager (+12 PP auf 211 P).
Das deutlichste Minus innerhalb der untersuchten Berufsgruppen verzeichnet der aktuelle Index im Bereich Legal. Die Nachfrage nach Juristen hat sich um 37 Prozentpunkte auf +184 Prozent abgeschwächt. Auch die Fachkräfte im Bereich Sales & Marketing, die mit einer Gesamtanzahl von etwas über 60.000 ausgeschriebenen Stellen die zweitgrößte Berufsgruppe des Fachkräfte-Index ausmachen, sind mit -25 Prozentpunkten weniger stark gefragt als im Vorquartal.
Deutlich weniger Stellen in IT-Unternehmen ausgeschrieben
Betrachtet man die Entwicklung der verschiedenen Branchen sind ebenfalls sinkende Nachfragewerte festzustellen. Lediglich für die Öffentliche Verwaltung (+1 PP) und von Personaldienstleistern (+5 PP) wurden etwas mehr Stellen als zuvor ausgeschrieben. Deutlich abgenommen haben die Nachfragewerte für Unternehmen aus dem IT-Bereich mit einem Minus von 61 Prozentpunkten. Verglichen mit dem Gesamtindex liegt das Nachfrageniveau für die Öffentliche Verwaltung mit +308 Prozent und die Baubranche mit +207 Prozent deutlich über diesem Wert.
"Die Fachkräfte-Nachfrage bewegt sich weiter auf sehr hohem Niveau und ist eine veritable Wachstumsbremse für die gesamte Wirtschaft. Die Schwankungen der Nachfrage zeigen auch, wie unsicher die Unternehmen die wirtschaftliche Lage einschätzen und kurzfristig darauf reagieren, statt eine dauerhafte Personalstrategie zu verfolgen. Vor dem Hintergrund des permanenten Fachkräftemangels, der sich in den kommenden Jahren weiter verstärken wird, sollten die Unternehmen generell strategischere Rekrutierungsmaßnahmen planen", so Christoph Niewerth
, Hays COO DACH und Nordeuropa.