Um den Kundendialog und die Customer Experience nicht nur in herausfordernden Zeiten drehte sich alles auf der Kongressmesse Mailingtage
, die am 17. September in Frankfurt stattgefunden hat. Praxiseinblicke in Programmatic Printing
lieferten unter anderem Paragon Customer Communications
, Burda Druck
und BCN
, Klingel
, Canon
, AZ Direct
und Campaign
, Mohn Media
und Wirtz Druck
. Markus Gräßler (gkk DialogGroup), Vizepräsident Create des Deutschen Dialogmarketing Verbandes (DDV)
stellte die Studie 'Dialog Excellence' vor, die aufzeigt, welchen Beitrag Dialogmarketing zum Unternehmenserfolg leistet
.
Die Mailingtage wurden moderiert von Jochen Kalka
, Mitglied der Geschäftsleitung der PR-Agentur Schoesslers
und Olaf Hartmann
, Geschäftsführer des Multisense Instituts für multisensorisches Marketing
. Beide appellieren in ihren Eröffungsreden, trotz Corona weiter in Werbung zu investieren und die Krise auch als Chance zu begreifen. Die Forschung habe nachgewiesen, dass Unternehmen, die weiter werben oder ihre Investitionen sogar hochfahren, besser durch eine Krise kommen. "So günstig bekommen sie nie wieder Marktanteile. So günstig bekommen sie nie wieder die Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppe. So einfach und schnell können sie nie wieder Dinge verändern, auch in ihrem Unternehmen", sagt Hartmann und mahnt: "Das Verhalten in der Krise entscheidet über den Erfolg der kommenden zehn Jahre."
Crossmediales Dialogmarketing leiste dazu einen wichtigen Beitrag. Denn auch dies habe Corona gezeigt: Je digitaler und virtueller die Welt werde, umso mehr steige das Bedürfnis nach konkretem, haptischem Erleben und realer Begegnung. Das Analoge und das Digitale schließen sich nicht aus, im Gegenteil. "Wir brauchen die emotionale Kraft von analogen Medien, kombiniert mit der Konversionskraft von digitalen Prozessen, gespeist im optimalen Fall aus hochwertigen Daten. Diesem Mix gehört die Zukunft", sagt Hartmann.
Erwin Müller: Automatisierung für vier Katalogmarken
Wie gut dieser Mix für die
Erwin Müller Group
funktioniert, erläutert Nicole Greinwald, Leitung Marketing Creation. Der bayerische Versandhändler für die Hotellerie- und Gastronomiebranche stellte in den vergangenen Monaten, unterstützt von der
Herbstkind Werbeagentur
, seine Katalogproduktion auf datenbasierte, automatisierte Prozesse um. Zuvor waren alle Informationen (Preise, Beschreibungstexte, Features, Icons, Logos, Bestellschemen) für rund 40.000 Produkte und zehn Länderversionen manuell eingepflegt worden - verbunden mit einem hohen Zeitaufwand, langen Produktionszeiten und geringer Flexibilität.
Die Herausforderung: Trotz Automatisierung sollte das jeweilige Corporate Design der vier Marken Vega (Hardware), Jobeline (Berufsbekleidung), Erwin M (Textilien) sowie Pulsiva (Discounter) erhalten bleiben. Nötig waren also CD-konforme Produkt- und Seitentemplates, die jedoch über alle Marken hinweg funktionieren mussten, um die Prozesse zu vereinfachen. Die Lösung: Im ersten Schritt wurde der Content in der Datenbank angepasst und manuelle Platzhalterverknüpfungen mit Anbindung des PIM (Product Information Management) und MAM (Media Asset Management) erstellt. Für die Datenbasis laut Herbstkind-Geschäftsführer Alexander Gößelein
"eine Frischzellenkur", von der auch der Online-Auftritt stark profitiert habe. Im zweiten Schritt wurden Templates im Hoch- und Querformat erstellt, die eine hohe Flexibilität in der Gestaltung der Kataloge erlauben, aber den Programmieraufwand dennoch gering halten. Für Greinwald und ihr Team hat sich der Aufwand - die Umstellung erfolgte neben der laufenden Katalogproduktion - gelohnt: Heute versendet die Erwin Müller Group ihre Kataloge mit einem Automatisierungsgrad von rund 85 Prozent und hat kaum Abweichungen zum bisher individuell gestalteten Layout.
Geberit: Chatbot senkt psychologische Hürde bei Tabuthema
Geberit
, Hersteller von Sanitärkeramik, steuert ebenfalls Erfahrungen bei, wie Automatisierung und Künstliche Intelligenz den Kundendialog verbessern. Und das insbesondere für ein sehr erklärungsbedürftiges, aber auch Tabu-behaftetes Produkt. Wie ein Chatbot und KI dem Unternehmen dabei auch psychologisch weiterhelfen, erklärt Thomas Brückle, Diplom-Physiker und Bereichsleiter Marketing bei Geberit.
Geberit möchte seinem Dusch-WC auch hierzulande zum Durchbruch verhelfen. Während diese Form der Intimhygiene in Asien mit rund 70 Prozent Marktanteil längst zum Standard gehört, tun sich die Deutschen noch schwer mit dem Gedanken, auf Toilettenpapier zu verzichten und stattdessen dem Wasserdruck eines Hightech-Klos zu vertrauen. Die Marktpenetration beträgt hierzulande nur 3 Prozent. Um den Absatz zu erhöhen, muss Geberit sich einer Vielzahl an Herausforderungen stellen: Das Dusch-WC ist erklärungsbedürftig, da eine bisher unbekannte Produktkategorie. Geberit hat außerdem ein
"B2B2C-Vermarktungsproblem", da das Unternehmen keinen direkten Kontakt zum Endkunden hat, sondern seine Produkte über den Sanitärgroßhandel und Handwerker verkauft. Dazu kommt noch das Tabuthema Intimhygiene. Wer redet schon gerne mit seinem Handwerker und im Sanitärfachmarkt über die Feinheiten des Toilettengangs? Und FAQs im Internet, die weiterhelfen könnten, werden laut Auswertung nur wenig gelesen.
Umso wichtiger ist das Endkundentelefon für Geberit, das vier Mitarbeiterinnen betreuen und das laut Brückle eine große Rolle spielt für den Vorverkauf. Rund 40.000 Anrufe und rund 20.000 E-Mails laufen da im Jahr auf, doch die Erreichbarkeit liegt bei weniger als 50 Prozent. Um diese zu erhöhen und das Call-Center zu entlasten, setzt Geberit auf einen Chatbot, entwickelt vom Hamburger Startup
Knowhere
. Das Tool beantwortet KI-basiert immer mehr der gängigsten Fragen und hat mittlerweile auch gelernt, die wahrscheinlichen Folgefragen vorwegzunehmen, sowie auf hilfreiche Informationen zu verlinken. Ist mehr Beratung nötig, bietet der Chatbot mit entsprechenden Buttons im Chat den direkten Kontakt zu den Kundenberatern an. Dieser "Human Takeover ohne Cut" ist laut Brückle ein wichtiger Erfolgsfaktor. Mit jedem 15. Nutzer gibt es mittlerweile einen persönlichen Folgekontakt.
Brückle rät, sich bei der Gestaltung des Chatbots in die Bot-Nutzer hineinzuversetzen und knappe sowie möglichst präzise Antworten zu liefern. Er empfiehlt außerdem in der Anlernphase auf nicht zu viele Fragestellungen zu setzen - Geberit beschränkte sich im ersten Schritt auf 25, mittlerweile sind es rund 100 "Frageabsichten". Wichtig für die Akzeptanz sei es zudem, auch interne Stakeholder abzuholen, denn der Einsatz von KI sorgt auch im Unternehmen für Fragen und zuweilen auch Ängste.
Nach eineinhalb Jahren nutzen rund 1500 Besucher im Monat den Chatbot, der ein Viertel aller Fragestellungen übernimmt. Ein weiterer Vorteil für Geberit: Der Chatbot hilft die psychologische Hürde bei dem Tabuthema zu senken, denn Kunden fällt es leichter, zunächst einer Maschine peinliche Fragen zu stellen. Aus den Dialogen und nicht-verstandenen Fragen sammeln Marketing und Produktmanagenemt zudem wertvolle Erkenntnisse für die Produktoptimierung. Mittlerweile nutzen nicht nur potenzielle Neukunden den Chatbot, sondern auch immer mehr Bestandskunden sowie Handwerker für technischen Support. Überzeugt vom Automatisierungsgrad und der KI-Genauigkeit des Endkunden-Chatbots, die laut Brückle weit über dem Soll liegen, hat Geberit deshalb im nächsten Schritt einen eigenen Technik-Chatbot für Installateure im Visier.
VfB Stuttgart: Personalisiertes Fanvideo bereichert Willkommenspaket
Wie digitale Medien dabei helfen können, ein analoges Medium zu emotionalisieren und neue Mitglieder zu gewinnen, berichtet Katja Schumpp, verantwortlich für Arena und Marketing beim
VfB Stuttgart
zusammen mit Andreas Kohne, Leitung Digital Media Sales & Business Development bei
Materna TMT
. Um die Vereinsmarke emotional aufzuladen und die Fanbindung zu erhöhen, begrüßt der Bundesligist neue Mitglieder mit einem besonderen Willkommenspaket, das per Post zugeschickt wird. Darin enthalten sind neben einem personalisierten Schreiben: Ein Link zu einem personalisierten Fan-Video und ein Mini-Trikot mit dem jeweiligen Fan-Namen. Das Paket und das Video suggerieren, das der Verein nicht nur einen Fan gewonnen hat, sondern ein neues Teammitglied verpflichten konnte, das entsprechend von der Vereinsprominenz empfangen wird. Auch das Mini-Trikot spielt darin eine Rolle. Die entsprechenden personalisierten Inhalte können in die vorproduzierten Videos in Realtime eingebaut werden - neben Namen lassen sich grundsätzlich auch Produkte im Warenkorb aufgreifen oder aktuelle Wetterdaten nutzen. Der VfB Stuttgart hat bereits das dritte Fanvideo am Start, laut Katja Schumpp ist es eine
"sehr erfolgreiche Kampagne" mit begeisterten Fans, die geholfen habe, das Thema Mitgliedschaft stärker zu emotionalisieren.
Eine Messe im Corona-Modus
Das Wetter hatte es gut gemeint mit den Veranstaltern und Besuchern der Mailingtage. Im luftigen Gesellschaftshaus Palmengarten mit seinen großzügigen Terrassen konnte so mancher Smalltalk deswegen sicherheitshalber nach draußen verlegt werden, die Veranstaltungsräume ließen sich den ganzen Tag über gut lüften. Corona überschattete auch dieses Event, ein umfassendes Hygienekonzept machte es überhaupt möglich - mit Fieberkontrollen am Eingang, Abstandsregelungen, Desinfektionen und Catering mit abgepackten Tüten. In den Vortragsräumen war nur jeder zweite Stuhl besetzt. Auf zwei Trendbühnen gaben Redner mit Einzelvorträgen, Themenspecials und Masterclasses Einblicke in die Praxis und liefern Tipps sowie Trends und Analysen für den Bereich Dialogmarketing und data-driven Marketing. Im Versand- und Porto-Special informieren Post- und Logistikspezialisten über die Marktlage, über Erwartungshaltungen des Empfängers, über Optimierungs- und Einsparpotenziale beim Versand und bei der Zustellung von sensorischen Touchpoints wie Mailings, Katalogen und trackbaren Warensendungen. So stellt unter anderem der
Deutsche Verband für Post, IT und Telekommunikation (DVPT)
neue Erkenntnisse seiner Laufzeitmessung für Geschäftspost in Deutschland vor.
Wer vor Ort war, lobte die Umsetzung und die Möglichkeit, endlich wieder persönliche Gespräche zu führen. Aussteller zählten jedoch auch deutlich weniger potenzielle Kunden als in den Jahren zuvor. Weil diese Reisezurückhaltung zu erwarten war, wurde die Kongressmesse von Anfang an von Veranstalterin Ariane Rieger
als Hybridveranstaltung konzipiert. Seit Montag sind alle Vorträge als Video-on-Demand im Bereich
Digital Connect
zu finden, inklusive der Präsentationen. Die Vorträge lassen sich so nachträglich am Rechner verfolgen.