Ökologie

Green Marketing statt Greenwashing: Wie Nachhaltigkeit in der Werbung funktioniert

12.08.2019 - Kann Werbung nachhaltig sein? Dass sich das Denken in der Marketingbranche verändert, zeigt sich unter anderem daran, dass auch große Agenturen dank Flight Shaming zu Kundenterminen nur noch mit Bus und Bahn anreisen. Aber wie lässt sich Nachhaltigkeit in der Kommunikation tatsächlich umsetzen?

von Joachim Graf

Nachhaltigkeit in der Werbung scheint es auf den ersten Blick wie ein Ding der Unmöglichkeit: Wie soll denn bitte eine Branche, die dazu da ist, das Konsumverhalten der Menschen anzukurbeln, plötzlich für Nachhaltigkeit stehen können? Es gibt durchaus Bereiche, in denen man etwas im Sinne der Umwelt ändern kann und in denen wir auch unseren Kunden raten, umzudenken. Nicht nur, weil das eine oder andere Werbemittel nicht mehr en vogue ist oder weniger wahrgenommen wird. Sondern weil es auch den Werten unseres Kunden und unseren eigenen nicht mehr entspricht.

Green Marketing statt Green Washing

"Green Marketing" ist die Aufgabe, "Green Washing" zu oft das Ergebnis. Jeder kennt das Motto "Tu Gutes und rede darüber". Die Fortsetzung dieses Satzes lautet aber keinesfalls "und handle hinterrücks entgegengesetzt". Viel zu lange hatte die Kommunikation von nachhaltigem Verhalten einen faden Beigeschmack. Seit 2017 ist es für viele Unternehmen sogar Pflicht über ihre Aktivitäten hinsichtlich der Nachhaltigkeit zu berichten. Trotz des nicht zu unterschätzenden Aufwands, den diese Nachhaltigkeitsberichte mit sich bringen, sind sie - ebenso wie Geschäftsberichte - die ideale Plattform, um zu kommunizieren, was ein Unternehmen wirklich aktiv für die Nachhaltigkeit tut. Dabei sollte sich diese Art der Kommunikation nicht nur an Kunden, sondern auch an die Öffentlichkeit, Partner, Lieferanten, Bewerber und Mitbewerber richten. Gleichzeitig dokumentieren sie diese Aktivitäten nicht nur, sie dienen auch der Strukturierung und dem Ansporn des Unternehmens den Nachhaltigkeitsgedanken weiter zu verfolgen.

Uta Schwaner , Geschäftsführerin von Golin Deutschland   rät: Aufrichtigkeit ist der beste Weg. Man sollte nicht kommunizieren, dass man das ultimative Allheilmittel für den Klimawandel gefunden habe, sondern Vor- und Nachteile bestimmter Produkte, Materialien und Prozesse aufzeigen. Im Idealfall begründet man seine Entscheidung.

Es ist keine Schande, sich und auch den Kunden gegenüber einzugestehen, dass man als Unternehmen noch in der Findungsphase seiner Nachhaltigkeitsstrategie ist. Nicht alle Lösungen passen - nicht alle Produkte werden gut angenommen. Es darf ausprobiert und über die Fortschritte kommuniziert werden.

We want you to panic

Warum möchte Greta, dass wir Angst und Panik in Angesicht der Klimakatastrophe verspüren? Ganz einfach: Es zieht. Und dass das so ist, ist auch nicht neu, schon Edward Bernays bemerkte in seinem Buch Propaganda, dass Angst ein wesentlicher Motivator ist, um Menschen von einer Sache zu überzeugen. Sollten wir jetzt alle auf Bilder mit sterbenden Eisbären, verdorrten Regenwäldern setzen und so durch Panikmache Aufmerksamkeit erlangen? Eher nicht. Zum einen nehmen wir das Thema ernst und wollen eine Abstumpfung tunlichst vermeiden. Zum anderen wäre es einfach nicht ethisch. Nicht in der Werbung. Nicht, um sich so zu positionieren und als glühendes Beispiel voranzugehen.

Vielleicht sollten wir daher hin und wieder auf die Hoffnung setzen und Mut machen. Dass noch etwas erreicht werden kann, wenn wir alle am selben Strang ziehen. Obgleich das wesentlich schwerer ist, da positive Eindrücke dem Hirn mindestens 12 Sekunden lang präsentiert werden müssen, ehe sie hängen bleiben. Negativen Eindrücken reicht da schon ein kurzer Moment.

Nachhaltig Print-Kommunikation

Wir wollen aber nicht nur über Nachhaltigkeit reden, wir wollen auch weiter Produkte zeigen und sie bewerben. Sollten wir dann einfach weniger drucken? Ausschließlich digital kommunizieren? Es könnte so einfach sein. Aber wir bewegen uns im Marketing und wissen: Print ist nicht tot. Und wir wollen es auch nicht einfach sterben lassen. Hier gilt es, auf die Produzenten zu achten. Kann klimaneutral gedruckt werden? Wie hoch muss die Auflage wirklich sein? Um was für ein Papier handelt es sich? Ist es FSC-zertifiziert? Fragen, bei deren Antworten große Onlinedruckereien im Zweifelsfall nicht mithalten können. Es lohnt sich also, mit Produkten vor Ort zu sprechen.

Ja, das hat seinen Preis. Aber es lohnt sich auch. Schließlich können diese Produzenten auch eine hohe Qualität garantieren und vielfältige Produkte liefern, die stark vom standardisierten Flyer abweichen und somit auch nachhaltig für Aufmerksamkeit sorgen.



Nachhaltig online kommuniziert

Bedenkt man bei der Programmierung und Gestaltung einige Kniffe - denkt zum Beispiel Mobile-First - kann tatsächlich auch eine Website nachhaltig sein. Das liegt unter anderem daran, dass das Mobile-First-Prinzip darauf baut, dass die wichtigsten Elemente identifiziert und priorisiert werden. Die Nutzer laden weniger Seiten, da sie schneller ans Ziel gelangen. So wird weniger Energie verbraucht. Gleichzeitig verbrauchen mobile Ansichten weniger Daten, da es das Ziel ist, sie möglichst schnell laden zu können.

Was man noch tun kann, verraten die Entwickler der Chicagoer Agentur Mightybytes   auf ihrer gesonderten Website Sustainablewebdesign.org   und richten sich dort speziell an Entwickler und Screendesigner. Man sollte sich aber auch über das Hosting Gedanken machen. Nutzt der Hoster Öko-Strom, kann das schon viel ausmachen. Ob eine bestehende Website gut abschneidet, kann man auf Seiten wie Websitecarbon.com   oder Ecograder.com   prüfen.

Wem das noch nicht reicht, der kann seine Website auch als klimaneutral registrieren. Climatepartner.com   berechnet nach Klicks pro Monat einen Betrag, der dann wiederum einem Klimaschutzprojekt in der DR Kongo   zugutekommt. Ganz anders löst es die Website des Low-Tech Magazine   . Sie wird von Solarenergie versorgt. Die entsprechende Anlage steht auf dem Balkon des Magazin-Gründers. Ist es länger als zwei Tage bewölkt, geht die Seite auch schon mal offline. Wie viel Saft die Seite noch hat, zeigt ein Batterie-Icon an jedem Artikel. Um den Stromverbrauch zusätzlich gering zu halten, besticht die Website vor allem durch ihr sehr reduziertes Design. Die Bilder sind auf ein Minimum komprimiert.

Was wir tun können, ist einen Anfang machen (einen Leitfaden für freiwillige C=2-Kompensation liefert beispielsweise das Umweltbundesamt   ). Und mit unseren Kunden darüber sprechen. Impulse geben. Und wenn alle einen kleinen Schritt machen, ist es in der Summe ein großer.


Autorin Jana Witt ist Social-Media-Managerin und Expertin für Public Relations und Newsletter-Marketing bei der Agentur New Communication   aus Kiel.

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