Kai-Marcus Thäsler ist Herausgeber des Buches 'Out-of-Home-Kommunikation: Von der Technik über Gestaltung bis zur Werbewirkung und ROI-Messung - mit vielen Beispielen' (siehe unten). Er hat mit Susanne Patschicke, Media Managerin Ferrero Germany
und Uwe Storch, Head of Media bei Ferrero Germany sowie Vorstandvorsitzender der Organisation der Werbungtreibenden im Markenverband (OWM)
gesprochen und beleuchtet die Sicht des Werbekunden auf die Mediagattung:
Kai-Marcus Thäsler:
"Ferrero ist seit Jahren einer der Top-OOH-Werbungtreibenden in Deutschland. Out of Home ist für einen großen, crossmedial ausgerichteten Werbungtreibenden aber nur ein Kanal unter mehreren. OoH gilt bei vielen als das letzte Massenmedium, das vor allem Reichweite aufbaut. Andere sehen die Zukunft im datengetriebenen Targeting. Was ist für Sie die Funktion der Gattung?"
Susanne Patschicke:
"Das können wir bestätigen. Wir beobachten ebenfalls, dass die Medienlandschaft zunehmend fragmentierter ist und dass es Zielgruppen gibt, die sehr
schwer zu erreichen sind. Gerade junge Menschen gehören dazu, die durch andere Massenmedien wie beispielsweise TV nicht mehr in dem Ausmaß zu erreichen sind, wie es früher der Fall war. Von daher ist Out of Home für uns auch ein sehr wichtiges Massenmedium im Medienmix, um zum Beispiel genau diese jungen Menschen zu erreichen. Diese Zielgruppen sind mobil und auch durch die zunehmende Urbanität, weiterhin im öffentlichen Raum unterwegs - also genau dort wo wir werben."
"OoH ist vor allem ein Reichweitenmedium"
Kai-Marcus Thäsler:
"Ist Out of Home für Sie ein Reichweiten- oder Targeting-Medium- oder beides?"
Susanne Patschicke:
"Es ist auf jeden Fall ein Reichweitenmedium, das wir bei unseren Planungen zur Ansprache von großen und breiten Zielgruppen einsetzen, dies hängt natürlich vor allem mit unserer Produktpalette zusammen. Abhängig vom Kampagneninhalt haben wir auch schon Kampagnen durchgeführt, bei denen spitzere Zielgruppen angesprochen wurden. In erster Linie bleibt es aber ein Reichweitenmedium für unsere Planungen."
Uwe Storch:
"Was ich gerne noch ergänzen würde ist, dass wir viel Fernsehwerbung machen, womit wir unsere Low-Interest-Produkte bei unseren Zielgruppen schon stark
verankert haben. Dadurch brauchen wir relativ wenig zusätzlichen Input, um ein gewisses Erinnerungsdepot beim Konsumenten abzurufen. Wir glauben, dass wir durch diesen Mix von visuellem Plakat, über den Spot, den der Konsument gesehen hat, eine sehr starke Depotwirkung abrufen können. Und da wir ein großer Fernsehwerbungtreibender sind, nutzen wir Out of Home, um TV-Kampagnen zu verlängern. Bei einer Saisonkampagne von Ferrero Rocher zum Beispiel geht beim Konsumenten sofort das Kopfkino des TV-Spots als Erinnerungsdepot an, wenn er das entsprechende Plakat sieht."
Kai-Marcus Thäsler:
"Setzen Sie die unterschiedlichen Medien, wie Großfäche, City Light Poster (CLP), digitale Außenwerbung, etc. zu unterschiedlichen Zwecken ein oder sind es aus Ihrer Sicht integrierte Kampagnen?"
Susanne Patschicke:
"Wir setzen die Medien auch zu unterschiedlichen Zwecken ein: Auf der einen Seite mit dem Ziel des Reichweitenaufbaus, um inkrementelle Reichweite
zu TV aufzubauen. Auf der anderen Seite verfolgen wir beispielsweise bei Plakatkampagnen am Point of Sale vorwiegend ein Abverkaufsziel."
Uwe Storch:
"Manchmal mischen wir OOH-Medien innerhalb Kampagnen. Wir nutzen hierbei bewusst bestimmte frequente Ströme, beispielsweise von Pendlern, die dann
eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Produkte mit den spezifischen Produktnutzen, den wir versprechen können, haben."
"Wir arbeiten mit Full-Marketing-Mixmodellen"
Kai-Marcus Thäsler:
"Hat Ferrero harte Key Performance Indicators auf den einzelnen Kampagnen und in den einzelnen Kampagnenteilen?"
Susanne Patschicke:
"Auf nationaler Ebene schauen wir pro Kampagne auf die klassischen KPIs, wie z. B. Tausend-Kontakt-Preis, Opportunity to See, etc. und brechen diese
auch auf die Kampagnen-Gebiete herunter."
Uwe Storch:
"Wir arbeiten mit (FMM) Full-Marketing-Mixmodellen, anhand derer wir den Leistungsbeitrag von OoH feststellen. Die Schwierigkeit liegt hierbei in der Kleinteiligkeit der Messbarkeit von Effekten, weil wir über Absatzmittler verkaufen und daher über keine detaillierten, lokal basierten Sales-Daten verfügen. Natürlich könnten wir Effekte von OoH sehen, nur ist die Trennschärfe dabei schwierig, weil die meisten Rezipienten, die man befragt, das auf TV-Kontakte zurückführen. Wir haben sehr abverkaufsstarke Kampagnen gemacht, bei denen wir Plakate im Umfeld von Supermärkten Werbung geschaltet haben und wir machen Tests, um die Wirkung konkret zu belegen."
Susanne Patschicke:
"Wir testen auch die Wirkung unterschiedlicher Motive: Sind beispielsweise emotionale Motive oder Motive mit Produktfokus aktivierender? Durch
deutliche Sales-Uplift-Effekte sehen wir uns bestätigt, dass wir mit unserem POS-Planungsansatz die gewünschten Ziele erreichen."
Kai-Marcus Thäsler:"Out of Home wirkt, das haben Sie gerade gesagt, sehr stark in Kombination mit anderen Medien. Out of Home ist auch ein Push-Medium, dessen Rückkanal Mobile Media ist. Würden Sie sagen, dass Ferrero in der Kampagnen-Konzeption diese crossmediale Sichtweise auf die einzelnen Kanäle integriert betrachtet?"
Uwe Storch:
"Wir haben Low Interest Produkte. Also wenn der/die Konsument/in beispielsweise ein Plakat von Mon Chéri sieht, springt nicht sofort der Kommunikationsfunnel mit dem Abverkauf an oder der/die Konsument/in prüft bei Mobile, um was es sich bei Mon Chéri handelt. Selbst bei Verlosungsaktionen zum Beispiel, muss jetzt kein Rezipient bei Online/Mobile nachschauen, was Mon Chéri ist, da unsere Produkte nicht erklärungsbedürftig sind".
Susanne Patschicke:
"Unsere Produkte haben eine hohe ungestützte Bekanntheit. Trotzdem müssen wir immer wieder Kaufmpulse setzen, um bei den Konsumenten nicht
in Vergessenheit zu geraten. Klassischen Markenaufbau betreiben wir vor allem bei neuen Produkten, wobei wir auch hier schon von einer sehr guten Basis proftieren."
Kai-Marcus Thäsler:
"Wie relevant ist aus Ihrer Sicht der Return on Investment, was die einzelnen Mediakanäle angeht und bei Out of Home? Wenn OoH ein Kanal von mehreren im Media Mix ist, ist wahrscheinlich der ROI nur auf Out of Home-Kampagnen nicht so relevant, oder?"
Susanne Patschicke:
"Genau, die isolierte Sicht auf ein Einzelmedium ist weniger relevant. Für mich spielen die unterschiedliche Kontaktqualität und die Stärken des jeweiligen Kommunikationsmediums auch eine entscheidende Rolle: Bei TV können wir Bewegtbild mit Ton einsetzen, was uns ermöglicht, emotionaler zu werben. Bei OOH-Medien werden Werbemittel immer ohne Ton ausgespielt, sind dazu meist statisch und werden eher füchtig wahrgenommen. Diese Kommunikation ist daher besser für einen kurzen Impuls geeignet, weshalb das Werbemittel inhaltlich sehr klar sein sollte."
Uwe Storch:
"Das funktioniert wie bei einem Orchester: Nur im Gesamtpaket Media. Wir arbeiten stark daran ein ganzheitliches Orchester zu steuern."
Susanne Patschicke:
"Aufgrund der Unterschiede allein zwischen den einzelnen OoH- Mediakanälen müsste man wesentlich mehr in die Tiefe gehen - Pauschalaussagen sind daher schwierig."
"Noch sind wir nicht da, wo wir hinwollen"
Kai-Marcus Thäsler:
"Könnten Sie die Wirkung der Kreation von Außenwerbung mitsteuern? Betrachten Sie den "Frame der echten Welt" in der Mediakonzeption?"
Susanne Patschicke:
"Wir haben mediaseitig Gestaltungsrichtlinien - unsere "10 Golden Rules" - defniert. Diese werden dem Marketing und den betreuenden Kreativagenturen standardmäßig zur Verfügung gestellt. Ziel ist es die Kreation zu unterstützen und eine bestmögliche Wirkung zu erreichen. Außerdem führen wir in Zusammenarbeit mit unserer Marktforschungsabteilung und dem Marketing Motiv-Pretests durch, um optimal und standardisiert jedes Motiv im Vorfeld zu testen."
Uwe Storch:
"Wir lernen über die letzten Jahre hinweg stetig, wie Out of Home wirkt, und wir sehen hierbei eine kontinuierliche Verbesserung. Es gibt ein paar Regeln, an denen wir uns orientieren: Die Mentalität von Kreativen, alles auf ein Plakat zu bringen, zum Beispiel bei Überraschungseiern, alle Figuren, alle Messages, alle Lines, zu zeigen, funktioniert nicht. Noch sind wir nicht da, wo wir hinwollen, dennoch ist die Entwicklung, auch bei den Kreativen, positiv."
Kai-Marcus Thäsler:
"Außenwerbung wirkt vor allen Dingen implizit. Das heißt, Konsumenten erinnern sich am POS an das, was sie zuvor oft unbewusst wahrgenommen
haben. Ist das Implizite etwas, was Sie bei der Kreation berücksichtigen?"
Susanne Patschicke:
"Ja: Die Message auf einem Plakat muss kurz und prägnant sein, damit sie wirken kann. Die Herausforderung ist es sich bei allen relevanten Marken- und
Kampagnenbotschaften auf das Wesentliche zu fokussieren. Wenn ich beispielsweise an City-Light-Poster an stark frequentierten Straßen denke, an denen ich als Konsument mit meinem Auto vorbeifahre, habe ich nicht die Möglichkeit anzuhalten und das Plakat genau zu betrachten."
Uwe Storch:
"Das große Problem bei der impliziten Wirkung ist, dass ich bei meiner Zielgruppensegmentierung so viele unterschiedliche Kauf-Motivationen habe. Beim
Überraschungsei sind es über hundert. In den digitalen Medien fangen wir gerade damit an, genau ein Werbemittel für jede dieser Motivatoren bzw. Zielgruppen zu entwickeln. Beim Plakat ist das anders, weil man es nicht tausendmal verändern kann. Die implizite Botschaft müssen wir über Social Media und über digitale Medien abholen und so die einzelnen Zielgruppen ansprechen. Bei der impliziten Wirkung muss ich dann eine übergreifende Theorie haben und das ist bei komplexen Produkten schwierig. Bei diesen können wir nur einen Erinnerungsfaktor liefern."
"Für die Positionierung als Ankermarke ist Branding immens wichtig"
Kai-Marcus Thäsler:
"Sehen Sie Out of Home als Abverkaufs- und Branding-Medium?"
Susanne Patschicke:
"OoH ist sowohl als Abverkaufs- als auch als Branding-Medium geeignet. Für unsere Mediaplanung ist die entsprechende Kampagnenzielsetzungen entscheidend. Bei einem Abverkaufs-Ziel werden eher klassische Plakate in der Nähe von Verbrauchermärkten eingesetzt, bei klaren Branding-Kampagnen bieten sich andere Out of Home-Medien wie CLPs oder Info-Screens an."
Uwe Storch:
"Für uns zählt immer Branding. Für ein reines Abverkaufsziel ist ein Plakat zu teuer, deshalb ist uns die Brandingwirkung - dass der potenzielle Konsument das Produkt bzw. die Produktmarke versteht - immens wichtig. Der Kunde muss beim Gang durch die Süßwarenabteilung innerhalb kürzester Zeit unsere Produkte erkennen, indem er auf Erinnerungsdepots zugreift. Dafür ist die Positionierung einer Ankermarke sehr wichtig und dafür brauchen wir Branding. An einer Ankermarke orientieren sich die Konsumenten, deshalb ist es essenziell für uns, mit all unseren Aktivitäten zu branden. Kontinuierliches Branding ist das entscheidende für Produkte, die so lange am Markt sind, wie die von Ferrero."
Susanne Patschicke:"Neben der Flächenauswahl optimiert nach Branding- und Sales-Zielen sollte auch die Kreation auf das Kampagnenziel angepasst werden: Bei einem
Sales-Ziel sollte unbedingt ein klarer Call-to-Action auf dem Plakat erkennbar sein. Beim Ziel Branding, können wir beispielsweise von Bewegtbildeinsatz bei Infoscreens proftieren."
Uwe Storch:"Bei zeitlich begrenzten Aktionen sollte man einen klaren Call to Action defnieren. Dann ist Plakat abverkaufsfördernd und auf die Marke bezogen. Zudem wird unsere Variantenvielfalt immer größer, was im TV nicht beworben werden kann. Das kann ich jedoch Out of Home wunderbar machen, indem ich das Kernmarkenbranding darstelle und kommunikativ mit den Varianten verbinde. Also ist hier die Macht der Marke der Schlüssel."
"Digitalisierung ist Riesenchance"
Kai-Marcus Thäsler:
"OoH steckt mittendrin in der digitalen Transformation. Das betrifft eine immer größer werdende Zahl digitaler Werbeträger ebenso, wie datengetriebene Zielgruppenplanung. Wie relevant ist dies für Ferrero? Ist DOoH ein eigenständiger Kanal?"
Susanne Patschicke:
"Für uns ist DOoH sehr relevant: Wir setzen auch Kampagnen um, die ausschließlich über digitale Out of Home Kanäle ausgestrahlt werden, dennoch
würde ich DOoH eher als inkrementellen Baustein sehen. Wir sehen sehr viele Vorteile: Beispielsweise erzielen wir hohe nationale Reichweiten und eine hohe visuelle Qualität, da Probleme durch Falschklebungen oder negative Umwelteinfüsse vermieden werden können. Produktionskosten können gesenkt werden und wir können lange Vorlaufzeiten vermeiden, die bei der klassischen Plakatierung durch den Druck und die Klebung der Plakate entstehen. Daraus ergeben sich für uns spannende Planungsfexibilitäten und neue Möglichkeiten."
Uwe Storch:
"Wichtig ist auch, dass zwar die Investition für die Vermarkter bei digitalen Werbeträgern am Anfang höher ist, aber eigentlich müsste diese digitalen Flächen mit der Zeit billiger werden als beim analogen Plakat, weil sehr viel mehr Kunden gleichzeitig buchen können. Dann ist die Frage, ob die Digitalisierung mehr den kleinen oder den großen Kunden hilft. Sicherlich müssen die Anbieter ihr digitales Portfolio breiter aufstellen und beispielsweise auch an die demographischen Pendlerbewegungen anpassen. Alles in allem stellt die Digitalisierung eine Riesenchance dar."
Kai-Marcus Thäsler:
"Ist das Tracking von Bewegungsmustern, Mindsets von Zielgruppen im öffentlichen Raum für Sie relevant?"
Susanne Patschicke:
"Ich fnde es für die Mediaplanung generell spannend, genau zu verstehen, wie die Konsumenten denken, wie sie sich verhalten, wo sie sich aufhalten etc..
Aber ich empfinde einige Angebote als overpromising. Kampagnen können auf Bewegungsmuster optimiert werden, aber man sollte nicht vergessen was das Medium tatsächlich bieten kann, im Endeffekt bleibt es doch ein One-to-Many-Medium. Ich sehe digitale Out of Home Medien daher weiterhin eher als breite Reichweitenmedien, als zur Aussteuerung für spitze Zielgruppen-Targetings geeignet."
Uwe Storch:
"Und wir müssen aufpassen, dass man so ein tolles Massenmedium wie OOH, nicht kleiner macht als es ist. Warum soll man als Werbungtreibender eine große
Kanone bezahlen, wenn sie nur noch den kleinen Zwerg trifft? Dann wird das für Kunden nicht nachvollziehbar."
Susanne Patschicke:
"Ja, die Streuverluste sind einfach sonst zu erheblich."
Uwe Storch:
"Bei Pendlerströmen verstehe ich, dass z. B. Infoscreens an einem Gleis, bei dem du weißt, wann der ICE mit den Berufspendlern vorbekommt und du im Zweifel auch weißt, ob es eher Banker oder Schichtarbeiter sind, speziell interessant sind. Dazu muss man dann die Bewegungsmuster nachvollziehen können. Dies ist aber z. B. auf Autobahnen und bei Zufahrtsstraßen in die Stadt schon schwieriger, da es keine natürliche Konzentration von Zielgruppen gibt. Ich fnde es schade, ein Massenmedium so herunter zu brechen und sich nicht stattdessen auf die tollen Möglichkeiten zu fokussieren."
"Es gibt für unsere Marken kaum inhaltliche passende Anwendungsbeispiele, bei denen sich Targeting wirklich rentiert"
Susanne Patschicke:
"Ja, was man nicht vergessen darf: Werbekunden bezahlen ja auch ein Targeting-Aufschlag bei den Anbietern, also im Endeffekt mehr als bei klassischen Reichweiten-Buchungen. Es gibt dabei für unsere Marken kaum inhaltliche passende Anwendungsbeispiele, bei denen sich Targeting wirklich rentiert. Beispiel Uhrzeit-Targeting: Durch geschickte Planung und Selektion einzelner Zeitschienen kann ich meine Kampagnen in ganz bestimmten Zeiten ausspielen. Relevant wird dieser Planungsansatz, wenn ich beispielsweise gezielt Pendler als Zielgruppe ansprechen möchte oder auch für unser Produkt Nutella, das klar die Morgenpositionierung besetzt. Andere Targetingformen, wie z. B. Wetter-Targeting, bieten sicherlich weitere spannende Ansätze auch in Richtung Dynamic Creation, diese spielen aber für unsere Marken und Kampagnen bisher nur eine untergeordnete Rolle."
Uwe Storch:
"Die
Lufthansa
macht das toll, zum Beispiel mit der Kampagne "Noch 500 km bis Dublin". Aber da muss ich mich natürlich fragen, wie viele Kunden dann auch tatsächlich genau diesen Flug gebucht haben."
Susanne Patschicke:
"Mein Eindruck ist auch, dass es von den Konsumenten gar nicht so wahrgenommen beziehungsweise wertgeschätzt wird. Das Verhältnis von Kosten, Aufwand und Nutzen ist daher fraglich."
"Wir alle sind gefordert die CO2-Ziele einzuhalten"
Kai-Marcus Thäsler:
"Wie wichtig ist für Sie, dass die Kampagnen derzeit oder in Zukunft CO2 neutral sind?"
Susanne Patschicke:
"Ich finde es generell sehr wichtig, und das mediengattungsübergreifend. Als Werbetreibender sollte man das Thema und die Entwicklungen ernst nehmen
und auch vorleben."
Uwe Storch:
"Wir haben einen Workshop gemacht bei der Organisation der Werbungtreibenden im Markenverband und haben mit
Diffferent
und u. a.
ClimatePartner
den ganzen Markt gescreent. Das entscheidende bei der Bewertung von CO2-Kosten der OOH-Werbung sind
- die Kreation/Erstellung der Werbemittel,
- deren Distribution und Anbringung, sowie
- ihre Rezeption.
Diese Faktoren gehören zusammen. Wenn wir als Werbebranche nur den mittleren Teil, die Distribution, optimieren, ist das unter Glaubwürdigkeitsaspekten riskant. Man muss sich immer an dem messen lassen, was man verspricht. Wir alle sind gefordert die CO2-Ziele einzuhalten. Das kann aber nur im Dreiklang der genannten Faktoren passieren. Meine Befürchtung ist, dass unter unzureichenden CO2-Berechnungen die klassischen haptischen Medien, wie Zeitungen oder Plakate, einen gewissen Nachteil gegenüber digitalen Medien haben. Auch bei digitalen Medien sollte man den Preis von beispielsweise großen Serveranlagen mitberechnen und dem von klassischen Medien gegenüberstellen. Wir müssen uns dem Thema annähern. Wir müssen überlegen, was jeder auf seiner Seite machen kann. Zum Beispiel in dem Ökostrom verwendet wird, in der Druckerei oder ähnliches. Alle in der Wertschöpfungskette müssen ihren
Beitrag leisten, dies geht nicht durch einen mittelalterlichen Ablasshandel, einzig durch einen simplen Zertifkaten Handel. Wenn die Diskussion über den
Green GRP
dazu bei trägt, dass jeder auf seiner Stufe der Wertschöpfungskette besser wird in allen Themen, hätten wir viel erreicht. Aber dass wir heute sagen, wir buchen Plakat nicht mehr, weil CO2-Kosten entstehen, damit würde man ungerecht dem Medium gegenüber agieren. Wir bewerten es positiv, wenn sich z. B. Ströer und Wall im Prozess der Reduktion von CO2 engagieren. Das ist ein wichtiger Schritt und das Thema wird in Zukunft sicherlich noch Fahrt aufnehmen."
Kai-Marcus Thäsler:
"Gibt es bei Ihnen eine Erwartung an die Gattung Außenwerbung bzgl. der (Mit-) Gestaltung des öffentlichen Raums, beispielsweise im Rahmen der Transformation zu Smart Cities). Und gestalten Sie als Werbungtreibende das Stadtbild durch Ihre Kampagnen mit?"
Susanne Patschicke:
"Ich finde es schwierig zu sagen, man verändere als Werbungtreibender das Stadtbild. Für uns ist die Umrüstung von analogen in digitale Stellen ein
wichtiges Thema, das wir sehr begrüßen. Ich glaube jedoch, das Stadtbild gibt den Rahmen vor, welchen wir bestmöglich für unsere Werbekampagnen nutzen."
Uwe Storch:
"
JCDecaux
hat vor Jahren in Lyon die ersten Bushaltestellen gebaut, weil die Stadt dies nicht leisten konnte. Werbung im Bereich Out of Home kann eine wunderbare Symbiose zwischen dem Need der Bevölkerung und der Stadt darstellen. In Dubai besitzt jede Bushaltestelle eine Klimaanalage, Paris hat diese schönen auf antik gemachten Toilettenhäuschen - das sind gelungene Beispiele dafür, wie OoH sinnvoll in ein Stadtbild integriert werden kann. Darüber hinaus geht es auch um die Frage der Pfege und Wartung des Stadtmobiliars. Eine sinnvolle Integration von Werbung in den öffentlichen Raum, die der Bevölkerung die Leistungsfähigkeit des Mediums zeigt, ist auch dafür sehr wichtig, um Aversionen gegenüber Werbung abzubauen. Wartehäuschen, die mit WLAN ausgestattet sind oder je nach Jahreszeit beheizt oder gekühlt sind, sind weitere Beispiele für einen großartigen Zusatznutzen, den Außenwerbung neben ihrem reinen Werbezweck erfüllen kann und es teilweise auch schon tun. Das muss noch viel stärker Hand in Hand gehen, weil Werbung immer mehr unter Beobachtung steht und Leute behaupten sie brauchen sie nicht. Aber gerade Out of Home zeigt ja, wie wichtig die Werbeträger für das Gestaltungsbild einer Stadt sind. Ich bin Freund von der Außenwerbung, sie nimmt und sie gibt gleichzeitig, das ist doch eine ganz großartige Symbiose."
Prof. Dr. Kai-Marcus Thäßler
Bild: SpringerGabler
Kai-Marcus Thäsler ist Geschäftsführer des Fachverbands Aussenwerbung e. V.
in Frankfurt und Professor für Digitales Marketing an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management in Hannover
.
Susanne Patschicke
Bild: SpringerGabler
Susanne Patschicke ist Media Managerin Ferrero Germany.
Uwe Storch
Bild: SpringerGabler
Uwe Storch ist Head of Media bei Ferrero Germany sowie Vorstandsvorsitzender der Organisation der Werbungtreibenden im Markenverband (OWM).