Exklusivstudie

Zero-Party-Data: Der Deutsche Datengeiz

26.04.2023 - Die Bundesdeutschen sind immer weniger bereit, Marketern in Unternehmen ihre persönlichen Daten zu überlassen. Neue Strategien werden immer wichtiger.

von Joachim Graf

Jeder siebte Deutsche will Unternehmen überhaupt keine Daten über sich preisgeben. Im Jahr 2018 war es lediglich jeder Elfte.

"Welche Daten würden Sie einem Unternehmen überlassen, zum Beispiel für den Rabatt auf eine Ware?" Das haben das Marktforschungsinstitut Splendid Research   und der Zukunftsforschungs-Thinktank iBusiness in einer repräsentativen Erhebung gefragt - zum vierten Mal seit 2018. Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass sich der Trend fortsetzt: Menschen sind immer zurückhaltender, was die Datenweitergabe angeht.

"Daten gegen Vorteile": Dieser Handel funktioniert immer weniger


Die EMail-Adresse geben laut dieser bevölkerungsrepräsentativen Studie die Deutschen noch am wenigsten widerwillig her. Mehr als zwei von fünf Befragten würden ihre EMail-Adresse zum Beispiel für einen Rabatt auf eine Ware einem Unternehmen überlassen. Etwas geringer ist der Anteil derjenigen, die den eigenen Namen den Marketingtreibenden verraten würden. Aber immerhin noch mehr als die für Postmailings und Programmatic-Printing-Kampagnen nötige Adresse: Die würde nur ein knappes Fünftel weitergeben. Für Marketingverantwortliche interessant ist die weitere Reihung dessen, welche Daten die BundesbürgerInnen als schützenswerte Privatsphäre ansehen (und nicht an Dritte weitergeben) und was nicht. So verraten inzwischen mehr Befragte ihren Familienstand als Hobbys und persönliche Interessen - dumm für alle, die beispielsweise personalisierte Angebote per Website oder Werbe-EMails machen wollen.

Noch zurückhaltender sind die Deutschen bei expliziten Fragen nach Familienstand und Zahl der Kinder. Auch die Zurückhaltung, was die Herausgabe der Telefonnummer angeht, schadet Marketingplänen - insbesonders, wenn bei den Marketingplänen Conversational Commerce und Messengerdienste eine Rolle spielen sollen. Um einen Rabatt zu erhalten, würden mehr als einer von zehn die sexuelle Orientierung angeben. Das sind deutlich mehr als in den vergangenen zwei Befragungen und etwa genau so viele wie in unserer Befragung im Jahr 2018. Offenbar hat die Genderdiskussion der vergangenen Monate die Auskunftsfreudigkeit bei diesem Thema wieder angeregt.

Über die eigene sexuelle Orientierung geben doppelt so viele Menschen bereitwillig Auskunft als über abgeschlossene Versicherungen und das eigene Gehalt. Der Name ihres jeweiligen Arbeitgebers und die Namen der eigenen Angehörigen wie auch in den Vorjahren für die allermeisten Deutschen nach eigenen Aussagen nach wie vor das am meisten schützenswerte Datengut.

Interessant ist der Vergleich mit den korrespondierenden identischen Befragungen der Vorjahre. Die Zahlen haben sich im Vergleich dazu deutlich verändert. Der Rückgang des Anteils der auskunftsfreudigen BundesbürgerInnen ist gegenüber der Befragung vor fünf Jahren durchgängig: Bei keinem der abgefragten Datentypus gab es im Vergleich zu 2018 eine Steigerung bei der Bereitschaft, Daten zur Verfügung zu stellen.


Der einzige Wert, bei dem die Studie einen Zuwachs bei den Antwortenden messen konnte, war bei der Antwortoption "nichts davon": Waren es in den Befragungen der Jahre 2018 bis 2022 immer zwischen acht und neun Prozent, die gesagt haben, sie würden überhaupt keine Daten an Unternehmen zum Beispiel im Tausch für einen Rabatt weitergeben, so sind es aktuell über 14 Prozent - mehr als ein Drittel mehr.

Vor allem bei den Brot-und-Butter-Datensätzen - Name, Adresse, E-Mail, Telefonnummer - ist der Rückgang beim Einverständnis schmerzhaft für alle Marketingverantwortliche, die auf Daten gestützte Kampagnen bauen. Gaben im Jahr 2018 zwischen knapp drei Viertel (E-Mail) und zwei Fünftel (Adresse) der Befragten an, sie würden diese Daten weitergeben, so sind es inzwischen deutlich weniger.

Lediglich die EMail-Adresse wird ist für mehr als die Hälfte ein weitergebbares Datengut: Kein Wunder, schließlich sind Wegwerf-Adressen beispielsweise bei Gmail, GMX und Web.de für die Menschen kostenlos und schnell einzurichten - will man nicht gleich eine EMail-Adresse mit Verfallsdatum verwenden, die sich bei Anbietern wie Tempr.email oder Müllmail.com kostenlos (und sogar ohne Registrierung) einrichten lassen. Familienstand, persönliche Interessen und Hobbies: Hier ist der Anteil der Nicht-Verweigerer auf niedrigem Niveau relativ gleichgeblieben, ansonsten messen wir zum Teil deutliche Rückgänge. Interessant zu beobachten ist auch die Tendenz, dass von Studie zu Studie die durchschnittliche Zahl der akzeptierten Datenpunkte sinkt. Im Schnitt 4,0 Angaben sind für jeden einzelnen Befragten akzeptabel - vor fünf Jahren waren es 6,1.

Kaum demografische Abweichungen


Es gibt einzelne demographische Ausreißer. Männer geben eher die eigene Adresse preis als Frauen. Menschen mit niedrigem Monatseinkommen sind deutlich zurückhaltender, was die Datenweitergabe angeht. Menschen, die auf dem Dorf wohnen, geben eher ihren Namen preis, aber weniger gern ihre Telefonnummer. Aber ansonsten sehen wir kaum signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen, den Einkommensschichten, dem Familienstand oder dem Wohnort. Die Zero-Daten-Zurückhaltung ist quer durch alle Bevölkerungsgruppen zu beobachten und hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft.

Das bedeutet: Nur wer seinen Kundinnen und Kunden wirklich sehr genau und glaubhaft erklärt, warum er bestimmte Daten benötigt, kann diese nach wie vor bekommen - wenn auch immer schwerer. Das große Daten-Schleppnetz hat ausgedient.

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  • Bild: Michael Poganiatz
    Joachim Graf
    (ibusiness.de)

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