20.04.2023 - Mehr Effizienz und Zeit, weniger Kosten - Marketingautomation verspricht nicht weniger als die Lösung für die Nöte der MarketerInnen. Wenn dann auch noch Künstliche Intelligenz ins Spiel kommt, wird es richtig interessant.
von Christina Rose
Der Wettbewerbs- und Differenzierungsdruck hat sich - nicht nur pandemie- und krisenbedingt - für Unternehmen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Marketingprozesse müssen effizient sein: Willkommen beim Thema Marketingautomation - verspricht es doch nicht weniger als die allerorts dringend benötigte Zeit- und Kostenersparnis.
Die einfache Rechnung: Sparen Sie durch Marketingautomation Zeit und Geld, um Ihrem Team wichtigere Aufgaben übertragen zu können. In der Praxis geht die Rechnung aber nicht auf. Zwar sehen alle Unternehmen Handlungsbedarf, um einerseits mit dem kompletten Wegfall von Third-Party-Cookies umzugehen und andererseits mehr Statistik für die Auswertung und Optimierung von Marketingmaßnahmen zu nutzen, da die Vielfalt an Daten überwältigend ist. Die meisten stehen aber noch am Anfang, so auch die Erfahrung von Nicolas Wandschneider, Geschäftsführer des auf B2B-Marketing und Vertrieb spezialisierten Beratungsunternehmens Cloudbridge Consulting
: "Die Unternehmen, die noch kein Data-Driven-Marketing einsetzen, beklagen häufig fehlende Daten, fehlende KPIs, aber auch die immer komplexer werdenden Regelungen zum Datenschutz oder mangelndes Vertrauen." Das lasse viele Unternehmen Automatisierungsprojekte zurückstellen.
Die größte Herausforderung besteht auch nach Einschätzung von Marc Bohnes, Product Delivery Manager bei Optimizely
, nach wie vor im Datenmanagement. "Dabei stellt vor allem das Konsolidieren von Daten unterschiedlicher Touchpoints und wie sich daraus möglichst objektive Kundenprofile gewinnen lassen, eine ganz besonders anspruchsvolle Aufgabe dar. Denn: Die Anzahl an Touchpoints wächst und somit auch die Möglichkeiten als Unternehmen mit KundInnen zu interagieren. Dadurch steigt gleichzeitig auch die Komplexität der Datenhaltung."
Das macht es für die meisten Unternehmen quasi unmöglich, die zahlreichen Informationen aus unterschiedlichen Systemen und Kanälen zentral zu nutzen, schildert Thomas Sperl, Director Digitisation bei Paragon Customer Communications
: "Durchschnittlich sind es sieben bis zehn Systeme, in denen relevante Daten und Informationen gespeichert sind, die jedoch nicht oder nur unzureichend konsolidiert werden."
Zielgruppenspezifisch kommunizieren
Viele Unternehmen seien heute zwar in der Lage, relativ generische Marketingautomation-Kampagnen umzusetzen. "Das ist natürlich gut. Wir sehen hier ganz klar einen Trend in diese Richtung", so Bohnes. Problematisch sieht er in diesem Zusammenhang jedoch das Attribut "generisch". Denn es falle Unternehmen gleichzeitig sehr schwer, relevante Touchpoints automatisiert zusammenzuführen. Das verhindere eine ganzheitliche 360-Grad-Kundenkommunikation.
Der Fokus liegt zunehmend sowohl auf einer besseren Datennutzung als auch auf Automatisierung, um die relevanten Inhalte zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen, so auch Sperls Erfahrung. "Darüber hinaus stellt sich immer wieder die Frage, ob digital oder physisch - welche Variante oder Kombination zu welchem Anlass oder Zeitpunkt die richtige ist."
Das Kundenmanagement ist laut Bohnes von entscheidender Bedeutung. Im B2B-Umfeld haben Anbieter relativ klare Vorstellungen von ihrer Zielgruppe, weil sich diese Unternehmen mit ihrne Lösungen oftmals an hochspezialisierte Nischenmärkte richten. "Bewege ich mich allerdings im B2C-Umfeld, dann muss ich mir Gedanken darüber machen, wie ich unterschiedliche KundInnen in unterschiedlichen Alterssegmenten oder Kohorten gezielt anspreche. Das ist nicht einfach, aber vom Endverbraucher tatsächlich so gewollt", erklärt er. Hier klaffen mitunter noch große Lücken bei der zielgruppenspezifischen Content-Auswahl. VerbraucherInnen, die zu den Digital Natives zählen, müssen und wollen anders angesprochen und wahrgenommen werden als KonsumentInnen aus der Zielgruppe der Babyboomer - auch dann, wenn sie zum Beispiel beide Kunden derselben Fashion Brand sein sollten. Gerade in komplexen Märkten mache sich eine individuelle Kundenansprache bezahlt.
Man darf nie vergessen, dass Marketingprozesse über Jahrzehnte hinweg ähnlich definiert waren, wirft Wandschneider ein. "Die Digitalisierung und Automatisierung bringen also einen enormen Kulturwandel mit sich, der moderiert werden muss. Dazu gehört zum Beispiel, dass bisher weitgehend getrennte Abteilungen wie Marketing und Vertrieb künftig viel enger zusammenarbeiten und Datensilos aufbrechen müssen." KundInnen wollen aus einer Hand begleitet werden, dafür müssen die Touchpoints synchronisiert und Daten allen zur Verfügung gestellt werden. Das geht nicht von heute auf morgen. Auch fehle den Mitarbeitern häufig die nötigen Skills. Dieser Aspekt werde häufig vernachlässigt.
Mitarbeiter-Skills - der vernachlässigte Faktor
2023 steht das Bestandskundenmarketing weiter im Fokus. Noch weiter vorangetrieben durch die Rezession dreht sich die strategische Ausrichtung immer mehr um die Steigerung der Kundenprofitabilität und des Customer Lifetime Value, erklärt Tabea Menn, B2B-Marketingmanagerin beim Marketingdienstleister Optilyz
. "Es gilt die einfache Faustregel: die richtige Message zur richtigen Zeit über den richtigen Kanal mithilfe von Marketingautomation und Kundendaten zu perfektionieren."
Leichter gesagt als getan. Abgesehen von dem Dauerbrennerthema der dezentral gespeicherten Daten wird es mit dem Aus für Drittanbieter-Cookies grundsätzlich schwerer, Kundendaten zu erheben. Mit dem Wegfall der Third-Party-Cookies werden das Generieren von First-Party-Daten und vor allem Value-for-Data die Marketingautomation bestimmen, so Menn: "Wie können Unternehmen ihren KundInnen Anreize liefern und genügend Vertrauen schaffen, damit diese bereit sind, ihre Daten zu teilen?"
Ein weiterer Wendepunkt steht für dieses Jahr an: Die Frage, wie KI im Bereich Marketing und dessen Automatisierung eingesetzt werden kann. Der Hype um den dialogbasierten Chatbot ChatGPT hat diese Diskussion noch angeheizt. Spannend wird laut Tabea Menn zu sehen, wie stark sich Chat GPT in der Marketingautomation durchsetzt: "Insbesondere nachdem Hyper-Personalisierung von Content in den vergangenen Jahren immer wichtiger wurde, scheint eine KI-basierte Content-Generierung auf den ersten Blick diesem Trend zu widersprechen."
Viele Technologieunternehmen beschäftigen sich mittlerweile intensiv mit dem Thema KI, um bestehende Daten zu nutzen. Der Trend wird nach Einschätzung von Thomas Sperl dahingehen, dass wir mithilfe von KI konsolidierte Daten immer besser verstehen und dadurch ideal auf die Bedürfnisse der Zielgruppen eingehen können. "Auf Praxisebene heißt das etwa, KI in der Überwachung und Planung von Marketingkampagnen einzusetzen. Auf Basis von Daten aus früherer Kundeninteraktionen können wir immer genauer den optimalen Kanal und Zeitpunkt der Kommunikation definieren. So erreichen Botschaften KundInnen effizienter und entfalten ihre Wirkung", so seine Hoffnung.
Derzeit werden Marketingbotschaften in sehr vielen digitalen Kanälen gesendet. EmpfängerInnen müssen diese Flut bewältigen, schließlich nutzen sie so viele Kanäle und Accounts wie nie zuvor - von diversen Messengern, über E-Mails bis hin zu Bankaccounts. Sperl: "Gerade in der digitalen Kommunikation wünschen sich Rezipienten (Gen Z) aber zunehmend eine zentralere Bereitstellung von Informationen, um sich besser in dem 'Wirrwarr' der vielen digitalen Kommunikationskanäle zu orientieren. Die Kombination aus Datennutzung, Automatisierung und KI wird hier eine Schlüsselrolle für das Marketing spielen."
Marcus Stade, Geschäftsführer und Head of Analytics bei der auf Marketingtechnologie spezialisierten Beratung Mohr & Stade
, empfiehlt angesichts dieser Aufgaben, eine eigene Datenstruktur aufzubauen und eine Pipeline zu den Marketinganbietern, wie Google Ads, Meta etc. herzustellen, um entsprechende Identifier zu teilen, um Remarketing und andere Marketingformen weiterhin ermöglichen.
Um damit umzugehen gibt es aktuell zwei Strategien, erklärt er: "Entweder Unternehmen bauen ihre bereits bestehende Architektur aus. Viele haben ja schon ein (Marketing) Data Warehouse im Einsatz oder Unternehmen lizenzieren und integrieren eine CDP Lösung (Customer Data Platform)." Große Anbieter wie Adobe, SAP, Saleforece seien hier immer noch sehr auf dem Vormarsch, da sie eine einfachere Integration zu bereits verwendeten Lösungen aus dem gleichen Hause im Unternehmen versprechen. Stade: "Die meisten KundInnen finden das überzeugender als die Integration von Software die rein auf die CDP-Funktionalität spezialisiert sind."
Eine zentrale CDP aggregiert die Datenbestände von Unter- immer stärker ihre Marketingmaßnahmen konkreter zu analysieren nehmen aus unterschiedlichen Quellen (E-Commerce, CRM, POS, Online, Offline) und schafft die Grundlage für ein skalierbares, nicht cookiebasiertes Tracking. CDPs sind Cloud-basiert und erlauben es Unternehmen, relevante Informationen zu Marktinteraktionen von KundInnen zu sammeln ? deren Zustimmung dazu vorausgesetzt. Die Herausforderung besteht nicht nur im Sammeln relevanter Daten, sondern auch darin, diese in Echtzeit zu analysieren. In der Praxis ist die Verarbeitung von Daten ein komplexer Prozess. Die meisten Unternehmen verfügen noch nicht über die notwendigen Mittel, um eine anspruchsvolle und sinnvolle Datenauswertung durchzuführen.
1. Überschneidende Kampagnen: Je mehr Marketing-Automation- Kampagnen parallel laufen, desto größer ist die Gefahr von Überschneidungen. Diese können inhaltlicher Art sein, aber noch schneller passiert es, dass KundInnen einfach zu viele E-Mails auf einmal bekommen. Dieser Fehler kann u.a. durch eine Kampagnenpriorisierung oder ein Frequency Capping vermieden werden.
2. Fehlende Fallbacks: Personenbezogene Daten können z.B. als Trigger, Filter oder zur Individualisierung von Marketing-Automation- Kampagnen genutzt werden. Wenn die notwendigen Daten jedoch für KundInnen nicht verfügbar sind, kann es passieren, dass sie ?steckenbleiben?, in einen falschen Kampagnenzweig läuft oder falsche, fehlerhafte, vielleicht sogar gar keine Inhalte ausgespielt bekommen. Es sollte daher für jede datengetriebene Aktion immer einen generischen Fallback geben.
3. Undifferenzierte Abmeldungen: Fühlen sich KundInnen von einer bestimmten Marketing-Automation-Kampagne genervt (z.B. von einer aggressiven Lead Nurturing Strecke im B2B) und möchten sich abmelden, werden sie oftmals von der gesamten Kommunikation abgemeldet. Sie erhalten also auch keine E-Mails mehr, die sie erhalten möchten. Abmeldungen von Marketing- Automation-Kampagnen sollten daher immer differenziert möglich sein, z.B. über ein Self-Service-Center, über das KundInnen sich nur von einzelnen Kampagnen abmelden können.
4. Gering frequentierte Abzweigungen: Marketing-Automation lädt zum Tüfteln ein: Hier noch ein Filter, da noch eine Wenn- Dann-Abzweigung. Ergebnis von zu viel Experimentierfreudigkeit kann eine unnötig komplexe Kampagne sein, mit Abzweigungen, die kaum frequentiert werden, da zu wenige KundInnen die notwendigen Kriterien erfüllen. Marketer sollten daher immer mit der einfachsten möglichen Variante einer Kampagne starten und die Komplexität sukzessive steigern, bis keine signifikanten Ergebnisverbesserungen mehr auftreten.
5. Vergessene Automations: Einmal richtig aufgesetzt, laufen Marketing-Automation-Kampagnen ohne weitere Eingriffe kontinuierlich weiter. Was perfekt klingt, kann auch zum Problem werden, wenn eine Kampagne vergessen wird. Denn vielleicht läuft die Kampagne irgendwann nicht mehr richtig und keiner bekommt es mit, bis sich KundInnen beschweren. Das Problem wird noch verschärft, wenn die Kampagnen nicht richtig dokumentiert sind. Alle Marketing-Automation-Kampagnen sollten daher einem regelmäßigen Review unterzogen werden.
6. Dezentrale Steuerung: Marketing -Technologie-Stacks können sehr komplex sein und verschiedene Systeme beinhalten, die Marketing-Automation-Aufgaben übernehmen. Die dezentrale Steuerung dieser Systeme ist oft ineffizient und fehleranfällig. Daher sollten Daten, Trigger, Content, Kampagnenprozesse, usw. alle in einer zentralen Marketing-Automation-Kampagnensicht zusammengeführt werden.
7. Zu langsame Reaktionen: Bei manchen Marketing-Automation- Kampagnen kommt es auf schnelle Reaktionen an. Der Kunde oder die Kundin lösen einen Trigger aus und sofort muss der Versand der richtigen Message erfolgen. Oftmals werden KundInnen jedoch erstmal in Warteschleifen geparkt, bevor sie zu fixen Zeitpunkten ?weitergeschoben? werden. Dies tritt besonders häufig auf, wenn verschiedene Systeme beteiligt sind und der Austausch zwischen diesen nicht in Echtzeit erfolgt. Um dies zu verhindern, sind echtzeitfähige Prozesse und Technologien Pflicht.
8. Fehlender Fokus: Eine Marketing-Automation-Kampagne kann beliebig komplex sein. Theoretisch kann der gesamte Kundendialog in einer einzigen Kampagne abgebildet werden. Komplexität kann jedoch schnell zum Killer werden. Daher sollte mit jeder Marketing-Automation-Kampagne nur ein Ziel fokussiert bzw. ein Use Case abgebildet werden.
9. Zu viel Inhalt: Unternehmen haben ihren KundInnen viel zu erzählen und die Versuchung ist groß, jeden Dialoganlass dazu zu nutzen. Marketing-Automation-Messages sind jedoch keine Newsletter. Sie leben vom Kontext und die kommunizierten Inhalte müssen zu diesem Kontext passen. Jede versendete Message sollte sich daher nur auf einen Inhalt konzentrieren, z.B. ein Willkommensgeschenk nach Anmeldung oder ein passender Cross-Sell nach einem Kauf.
10. Kein Testing: Die Optimierung durch Tests ist ein Klassiker im EMail-Marketing. Viele Marketer testen jedoch nur ihre Newsletter und ihre Standalone Kampagnen, vergessen jedoch ihre automatisiert versendeten Messages. So wird viel Potenzial verschwendet. Marketer sollten daher automatisierte Messages genauso ausführlich testen wie ihre sonstigen Kampagnen.
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