09.03.2023 - Der Rückzug von Lush aus Social Media war nachvollziehbar, aber nicht unbedingt die beste Strategie, urteilt Silvia Lange. Die Mitgründerin und CEO des Influencer-Tech-Anbieters hi!share.that erklärt im Gespräch mit ONEtoONE, wie Unternehmen das Markenerlebnis für VerbraucherInnen und Haltung in Einklang bringen.
von Christina Rose
Was halten Sie von Lushs Abkehr von Social Media?
Lushs Abkehr von Social Media ist ein großer Schritt
für ein Unternehmen in der heutigen Zeit, in der Social Media aus dem Marketing-Mix nicht wegzudenken ist. Das hat schon eine große Symbolkraft, wenn ein Unternehmen Werte nicht nur definiert, sondern alle Handlungen kontinuierlich reflektiert und daran ausrichtet. Aus meiner Sicht wäre es aber dafür nicht unbedingt notwendig gewesen, sich vollständig aus Facebook, Instagram, Snapchat und TikTok zurückzuziehen. Brands und Unternehmen steht eine große Bandbreite an Optionen zur Verfügung, wie sie Social Media für sich nutzen können. Dementsprechend hätte Lush sich mit der Frage beschäftigen können, wie mit der Nutzung der Kanäle weiterhin ein Mehrwert geliefert wird, aber gleichzeitig den möglichen negativen Effekten von Social Media entgegengewirkt werden kann.
Die Zielgruppe von Lush (größtenteils Mädchen im Teenageralter) ist sehr social-media-affin: Wie schafft man den Spagat zwischen Dialog und Schutz mit dieser Zielgruppe?
Der Spagat zwischen Dialog und Schutz ist nicht einfach, denn natürlich ist es nicht möglich, die Algorithmen vollständig zu kontrollieren. Trotzdem ist die Kommunikation mit der Zielgruppe oft ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Unternehmen sollten daher vor allem auf ihren Social-Media-Kanälen darauf achten, Produktvorstellungen nur auf ausreichenden und vor allem faktisch richtigen Informationen zu basieren. Ebenso können sie an die Selbsteinschätzung der NutzerInnen appellieren, wann und ob diese eine Kaufentscheidung treffen. Damit ändert sich der Zweck und die Art der Nutzung von Social Media: Die Verwendung als Informationskanal steht im Fokus. In der Folge müssen Strategie, Art und Intensität der Kommunikation angepasst werden. So werden vielleicht ganz andere Bilder oder Wordings benötigt. Zusätzlich sollten die Brands Fokus auf das Community-Management legen. Sie müssen hier als Moderatoren ihrer eigenen Inhalte auftreten, für die Community ansprechbar sein und die eigenen Richtlinien auch wirklich durchsetzen. Nur so kann ein Schutz der Zielgruppe bei gleichzeitigem Austausch gewährleistet werden.
Was hätten Sie Lush geraten?
Wir hätten Lush geraten, die eigene Reichweite zu nutzen, um sich für eine Veränderung starkzumachen. Dazu gehört, dass man über die kritischen Seiten von Social Media informiert und sich mit den eigenen Inhalten, auch denen aus der Vergangenheit, auseinandersetzt. So werden die VerbraucherInnen darin bestärkt, eventuelle negative Aspekte wahrzunehmen und einen individuellen und gesunden Umgang damit zu finden. Das passt an dieser Stelle sogar sehr gut zur Positionierung von Lush, wenn man es unter dem Appell "abschalten, entspannen und Wohlbefinden fördern" kommuniziert, und hätte damit nahtlos in das
Messaging gepasst - so wie Lush es auf Twitter, Youtube, LinkedIn oder im eigenen Podcast heute schon macht. Denn die Strategie scheint dort zu funktionieren. Wieso also diese Strategie nicht für die anderen
Kanäle übernehmen? Für ein deutliches Zeichen hätte Lush weiterhin eigene Paid-Kampagnen auslassen und andere Brands dazu animieren können, sich anzuschließen. Schon damit werden viele potenziell negative
Mechanismen umgangen, und man könnte durch die Zusammenarbeit viel mehr erreichen als ein einzelnes Unternehmen.
Wie haben sich die Bedingungen für den Dialog von Unternehmen mit VerbraucherInnen auf Social Media verändert? Welche Entwicklungen/Trends sehen Sie hier?
In den letzten Jahren wurde es für Unternehmen immer einfacher, mit den VerbraucherInnen in Kontakt zu treten. Das sollte man aber nicht nur negativ sehen, denn viele VerbraucherInnen wünschen sich eben einen aktiven Austausch mit Unternehmen. Sie möchten Brands "erleben", daher liegt im Marketing und ECommerce momentan ein großer Fokus auf der Customer Experience. Für den direkten Kontakt mit KundInnen sind Customer Support und Community-Management gleich wichtig, teilweise überschneiden sie sich sogar. FollowerInnen können über soziale Netzwerke sogar mit Gleichgesinnten in Kontakt treten, sich
austauschen und ihre Erfahrungswerte teilen. Diese Community bindet die VerbraucherInnen nicht nur an Brands, sondern auch aneinander. Auch das verlieren KundInnen, wenn sich Marken aus Social Media zurückziehen. Zudem wurden in den letzten Jahren immer mehr Möglichkeiten für Social Commerce in die sozialen Netzwerke integriert. Das wird nun teilweise wieder zurückgebaut, zum Beispiel hat Instagram seit Februar den Shopping-Tab entfernt. Nun soll Social Commerce vor allem weiter durch Anzeigen, Reels und Stories gepusht werden, das wird von KundInnen auch wesentlich besser akzeptiert.
Mit der Strategie, Instagram, Facebook und TikTok den Rücken zu kehren, hat sich Lush viel Zustimmung und auch Kritik eingehandelt. Tanja Hofmann, Strategy Lead Lush Deutschland, erzählt im Gespräch mit ONEtoONE, wie Lush seitdem seine Kundenkommunikation weiterentwickelt und unternehmerische Ziele umsetzt, ohne die eigenen ethischen Überzeugungen dabei in Frage zu stellen. Hier lesen Sie das Interview
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