CX von der Pike auf

Mit kleinen Schritten ans große Ziel: Was eine gute Customer Experience ausmacht

14.05.2024 - Für CX-Profi Felix Schirl hat eine gute User Experience vor allem eine Eigenschaft: Sie macht einem das Leben im Online-Shop so leicht wie es nur eben geht. Und dafür braucht es keine große Vision, ein Schritt nach dem anderen reicht. Den Weg erklärt der Agenturchef im Detail exklusiv für ONEtoONE.

von Christian Gehl

CX-Profi Felix Schirl leitet den Technologieanbieter trbo     in München, der Websites und Online-Shops um eine personalisierte Kundenansprache bereichert. Um seinen CX-Ansatz zu erklären, führt Schirl seinen KundInnen gern ein Beispiel aus dem stationären Handel vor Augen: Wie schön wäre es doch, wenn alle Produkte im Supermarkt wie von Zauberhand so eingeräumt wären, dass sie für alle BesucherInnen, so verschieden ihre Einkäufe auch sein mögen, stets sichtbar und in Augenhöhe liegen würden. Ein Ding der Unmöglichkeit in der physischen Welt, sehr wohl möglich in der virtuellen. Für ONEtoONE zeigt Schirl im Detail auf, was dafür zu tun ist.

Redet miteinander!

So nicht!
Üblicherweise läuft es ja so ab: Das Onlinemarketing bringt Leute über Google- und Meta-Werbung in den Shop. Dort werden sie von einer Landing Page empfangen und damit ist die Sache für den klassischen Onlinemarketer meist schon gelaufen. Er schaut nach seinen KPIs, Conversion Rate, Areas of Interest und Ähnliches. Auf der anderen Seite gibt es die E-Commerce-Abteilung, die danach trachtet, den Online-Shop technisch zu verbessern. Und die Affiliate-Abteilung checkt ihre Attributionsmodelle. Alle arbeiten für sich. Oft bekriegen sich die Abteilungen auch noch: Wer ist für diesen Umsatz verantwortlich, wer für jenen?

Viele Online-Shops sagen, ich hab den Nutzer jetzt, der soll einen Kauf abschließen und was danach passiert, ist mir völlig egal. Eine bessere UX ist: Beim ersten Besuch, während dessen der Kunde sich nur informieren will, sollte der Shop einen guten Eindruck machen, ihm ein gutes Gefühl geben. Und beim zweiten oder dritten Mal, wenn er dann kaufen will, soll er danach so zufrieden sein, dass er sagt, wenn ich wieder kaufen will, gehe ich gerne dahin zurück.

Erste Schritte in die richtige Richtung
Der erste Schritt sollte aber sein, dass sich die Abteilungen zusammensetzen und ein Zielbild definieren: Was wollen wir für unsere KundInnen erreichen? Wie können wir sie, holistisch betrachtet, glücklicher machen? Ein Beispiel dafür wäre: Bringt der Marketer einen Kunden auf eine Produktdetailseite sollte die E-Commerce-Abteilung

ONEtoONE 1/2024 - Customer Experience

ihm auf Basis seiner Historie personalisierte Angebote machen, die über sein aktuell gesuchtes Produkt hinausgehen. Das Marketing muss dem E-Commerce-Department Indikatoren mitgeben, wo es die KundInnen eingekauft hat - etwa über Remarketing oder einen Newsletter - damit die Online-Shop-Experten darauf reagieren können. Denn jemanden, der über eine E-Mail reinkommt, muss ich anders behandeln als jemanden, der über Google Shopping auf die Webseite kommt, und erst recht anders als jemanden, der über eine Remarketing-Kampagne zum 20. Mal in den Shop kommt.

Weitere Schritte
Inhalte, die man auf der Webseite präsentiert, zum Beispiel eine spezielle Aktion oder den Jahresanfangssale, müssen vom Marketing übernommen werden und für die Newsletter-Ansprache oder Werbemaßnahmen genutzt werden. Miteinander reden sollten dabei aber nicht nur die Menschen, sondern auch die Datentöpfe. Silos müssen unbedingt vermieden werden. Denn technisch kann man den CRM-Pool problemlos mit dem Webseiten-Pool und dem Marketing-Pool zusammenführen. Das funktioniert mit allen Daten und sollte im Sinne einer guten Kundenerfahrung immer gemacht werden.

Nehmt euch nicht zu viel vor!

Zielbild aufteilen
Viele Unternehmen haben Angst davor, dass die Zusammenführung von Daten ein Riesenprojekt sein könnte. Da ist falsch: die User Experience mittels einer holistischen Ansprache zu verbessern, ist keine Raketenwissenschaft. Das kann man iterativ machen. Natürlich sollte man ein Zielbild haben. Das umzusetzen wäre natürlich sehr aufwändig, wenn ich NutzerInnen perfekt ansprechen will, onsite, offsite, vielleicht auch noch mit physischer Werbung, da kann man sehr weit gehen. Viele fürchten, dass das alles zu lange dauert und lassen es dann ganz sein. Man kann aber auch mit einfachen Dingen schon sehr viel erreichen.

Anzeige von Alternativen
Ein Beispiel: Wenn jemand über Google Shopping auf die Webseite kommt und einen 42-Zoll LED-Fernseher sucht, klickt er auf eine Google-Shopping-Anzeige und kommt in den Shop. Sieht den Fernseher, den Preis, den Action-Button, dann kann er kaufen oder auch nicht. Was weiß das Unternehmen über diesen Nutzer? Er kam über ein Kaufinteresse auf die Webseite, befindet sich also schon in der Phase der Kaufentscheidung, er will einen Fernseher in einer bestimmten Größe. Diese Informationen kann man für die weitere Ansprache nutzen: Auf der Entry-Seite sollten ihm deshalb auch andere Fernseher in der gewünschten Größe angezeigt werden, und nicht nur den aus der Google-Shopping-Anzeige. Also weitere Produkte, die genau die Kriterien seiner Suche erfüllen. Damit gibt man dem Kunden eine Alternative. Er wird nicht allein gelassen mit dem einen Fernseher von Google Shopping: Kauf ihn oder lass es. Dieses Gefühl sollten KundInnen nie haben. Sondern lieber: Oh, hier sind ja noch fünf Alternativen.

Freudige Wiederkehr
Nach dem ersten Besuch im Online-Shop sollte die Reise der Kund-
Innen gespeichert werden, damit sie beim nächsten Besuch vor allem die ihnen schon bekannten Produkte angezeigt bekommen.

Immer die Kundenhistorie im Blick haben!

Falsche Hero Teaser vermeiden
Wer in einem Online-Shop nach Sneakern von Adidas in der Größe 44 sucht, wird sich erst einmal nicht für Frauen-Laufschuhe interessieren. Trotzdem bekommt unser exemplarischer Kunde nach der Rückkehr auf die Startseite häufig einen fetten Teaser angezeigt, der Frauen-Laufschuhe bewirbt. Besser ist es daher, diesen Hero Teaser gegen einen mit den Filtern "Adidas Größe 44 Sneaker Herren" auszutauschen. Damit wird das Leben für den User total einfach: Ein Klick auf den Teaser und er kommt wieder zu den Produkten, die ihn wirklich interessieren. Er muss nicht schon wieder in die passende Kategorie und dann die Filter wieder anhaken. Jeder Klick weniger zählt. Und das Beste: Das alles lässt sich auch ohne Log-in machen.

Filterauswahl bei Wiederkehr berücksichtigen
Anderer Fall, gleicher Use Case: Sneaker, Adidas, Herren, Größe 44. Der User geht auf eine Produktdetailseite, klickt dann die Kategorie auf dem Button an. Schon ist die Größe nicht mehr eingestellt, also muss er wieder diesen einen Klick mehr machen und die Größe 44 anwählen. Noch schlimmer sind Empfehlungen, die von der Produktdetailseite mit der Größe 44 aus Schuhe anzeigen, die dann in der Größe 44 gar nicht erhältlich sind.

Kleine Schritte!

Nicht das besser machen, was sowieso schon ganz gut funktioniert, sondern analysieren: Wo hat mein Shop ein paar Schwachstellen, die ich mit einfachen Mitteln verbessern könnte? Sagen wir, ich verkaufe günstige T-Shirts, habe aber nur 1,4 Käufe pro KundIn. Dann muss ich mich natürlich fragen, wieso kommen die Leute nicht wieder? Ist der Shop zu kompliziert, haben wir uns nur über den Preis hervorgetan? Schaut euch den Shop immer wieder so an, als ob ihr KundIn wärt. Führt den Kaufprozess durch: Was fällt euch auf, sind die Buttons falsch positioniert, ist eine Kommunikation falsch gemacht, sind die Filter zu versteckt? Also erst einmal ganz einfache Änderungen durchführen. Und dann nach einiger Zeit checken, was sie gebracht haben. Dabei immer eine Änderung und eine Kontrollschleife nach der anderen. Auf keinen Fall alles auf einmal. Sonst macht man vielleicht fünf Änderungen, davon funktionieren drei, zwei nicht und am Ende bleiben die Overall-KPIs gleich. Deswegen ist es ganz wichtig: Step by Step. Erst sollte man das Laufen lernen, bevor man fliegen kann.

Zielgruppen nicht zu fein rastern!

Viele Online-Shops bauen sich vor lauter Begeisterung, dass sie so viele Daten haben, künstlich Segmente auf, die letztlich nur fünf Menschen beinhalten. Überspitzt gesagt, haben sie dann vielleicht tausend verschiedene Segmente mit jeweils ganz wenigen KundInnen. Das wäre dann wirklich Raketenwissenschaft, diese auch individuell anzusprechen. Da gibt's keine KI, die das könnte. Also ist es sinnvoll, Zielgruppen erst einmal nur grob zu unterscheiden: Männer und Frauen, dann diese wieder segmentieren in Kaufkräftige und Schnäppchenjäger.

B2B: Letzten Kauf anzeigen

B2B-KundInnen kaufen immer wieder und oft dasselbe. Weil die meisten B2B-Shops hinter einer Log-in-Wall liegen, kann der letzte Kauf ganz einfach als Anregung bei einem neuerlichen Besuch angezeigt werden. Idealerweise wird den KundInnen auf der Startseite auch noch ein Probepäckchen von den neuen, ein wenig teureren Produkten aus der von ihnen bevorzugten Kategorie angeboten. So fühlen sie sich willkommen und angeregt gleichzeitig.

Und so sieht es in Wirklichkeit aus: Online-CX in der Unternehmenspraxis


Blutsgeschwister   : Angezeigte Größeninformationen erhöhen Bestellwert
Blutsgeschwister hat mit der Anzeige von verfügbaren Größen auf der Kategorieseite die User Experience auf der mobile Variante der Website maßgeblich verbessert: Hierdurch fällt es den KundInnen leichter, ein Produkt auszuwählen und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie dieses Produkt auch tatsächlich kaufen. Im Rahmen des Tests wurden drei verschiedene Varianten gegen die originale Darstellung der Kategorieseite ohne Größeninformationen getestet. Die Hypothese, dass die Anzeige von Größeninformationen auf der Kategorieseite positiv mit der Conversion Rate und dem Average Order Value korreliert, wurde bestätigt. Der Test verschiedener Varianten ergab zudem interessanterweise, dass nicht die sichtbarste Variante, sondern jene die erfolgreichste war, bei der UserInnen erst nach dem Klick auf das Label "Größen" unterhalb des Preises die Informationen angezeigt bekamen.

Hagebau   : Verbessertes Kaufverhalten durch Farb- und Strukturelemente
Im Heimwerkerland Deutschland gehen mittlerweile viele KundInnen dazu über, benötigte Materialien nicht mehr im stationären Handel, sondern bequem online zu kaufen. Oftmals kann die große Auswahl im Onlineshop jedoch überwältigend wirken und die User verunsichern. Während NutzerInnen bei low-involvement-Kaufentscheidungen ihre Auswahl mit einfachen Text- oder Farbfiltern eingrenzen, fehlt bei Produkten, die seltener gekauft werden, meist die Erfahrung für eine solche Vorauswahl. Damit die Menschen aber auch bei komplexeren Produkten ein möglichst optimales Einkaufserlebnis haben und das Gesuchte schnell finden, hat Hagebau getestet, ob sich das Kaufverhalten durch das Einspielen eines Farb- und Strukturelements positiv beeinflussen lässt. Die Hypothese war, dass UserInnen, die bei der Vorauswahl unterstützt werden, ohne verschiedene Filter setzen zu müssen, eher fündig werden und den Kauf abschließen. Im Rahmen des Tests wurde ein optisches Filterelement mit Musterbildern des Laminats in unterschiedlichen Farbvarianten und Designs gegen das ursprüngliche Filter-Element getestet.

Der Test zeigte, dass die Einblendung des Farb- und Strukturelements ausschlaggebend für den tatsächlichen Kaufabschluss war und der Conversion Value und die Conversion Rate signifikant stiegen.

Dank der optischen Auswahlhilfe hat es Hagebau geschafft, die Beratung am Regal in den OnlineHandel zu übersetzen. Die UserInnen können dank der verbesserten Filteroptionen eine qualifizierte Vorauswahl treffen und so passende Produkte finden.

V&S / online-batterien.de   : Höhere Konversion durch sichtbare Teile der Detailseite
Viele Onlineshops nutzen Paid-Traffic-Kanäle, um Menschen direkt auf ihre Produktdetailseiten zu leiten. Finden die Nutzenden dort jedoch nicht das gesuchte Produkt oder entspricht es nicht ihren Erwartungen, springen sie oftmals direkt wieder ab. V&S /online-batterien.de hat getestet, ob sich die Conversion Rate mit der Anzeige von weiteren relevanten Produkten im sichtbaren Bereich der Produktdetailseite verbessern lässt. Hierbei wurde die unveränderte Produktdetailseite gegen eine Variante getestet, auf der oberhalb des gesuchten Produkts alternative Produktvorschläge angezeigt wurden, die der gleichen Kategorie oder der gleichen Preisspanne entsprachen. Die Nutzenden bekommen so direkt Unterstützung bei der Auswahl eines passendes Produkts, sollte der angezeigte Artikel nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Sie müssen somit nicht mühsam selbst nach Alternativen suchen.

Mit dem Test konnte eindeutig bestätigt werden, dass die Anzeige von Produktalternativen für Nutzende, die über Paid-Traffic-Kanäle auf Produktdetailseiten kommen, positiv mit der Conversion Rate korreliert. Die Conversion Rate und auch der durchschnittliche Kundenwert konnten signifikant gesteigert werden.

Fortschrittsbalken im Check-out motiviert
Ein elementarer Schritt innerhalb der Customer Journey ist der Check-out-Prozess. Viele Unternehmen haben im Check-out- Prozess unterschiedliche Maßnahmen erfolgreich getestet, um die User Experience zu verbessern. Bei aufwändigeren Check-out Prozessen wie beispielsweise einer Reisebuchung kann mit einem Fortschrittsbalken klar kommuniziert werden, wie viele Schritte bis zum erfolgreichen Abschluss noch bevorstehen. Aber auch weniger komplexe Check-out Prozesse lassen sich mit einfachen Maßnahmen angenehm und leicht verständlich gestalten. Motivierende Nachrichten wie "gleich geschafft" oder "nur noch 3 Schritte" optimieren die User Experience, setzen einen Impuls, den Kauf abzuschließen und können die Conversion Rate im Warenkorb signifikant steigern.

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  • Bild: Sybit
    Dirk Harzer
    (Sybit)

    So kreieren Sie eine "Seamless User Experience" für Ihre Kunden - Best Practices aus unseren Projekten

    In der heutigen digitalen Welt ist es von entscheidender Bedeutung, dass Kunden eine nahtlose und einheitliche Erfahrung machen, unabhängig davon, welche Systeme und Technologien im Hintergrund arbeiten. Erfahren Sie an konkreten Beispielen, wie diese Komplexität im Hintergrund orchestriert werden kann, um dem Kunden ein reibungsloses digitales Erlebnis zu bieten.

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