17.02.2001 - Stimmt der Bundestag zu, werden Rabattgesetz und Zugabeverordnung zum Ende des ersten Quartals 2001 abgeschafft. Kaum war die Meldung amtlich, ließen Kritik und Befürchtungen nicht lange auf sich warten: "Feilschen wird an der Tagesordnung sein, der deutsche Markt wird online wie offline die Handelsformen eines orientalischen Bazars annehmen."
Von Hartmut Jöhnk
Was lange währte, fällt endlich weg: Stimmt der Bundestag zu, werden Rabattgesetz und Zugabeverordnung zum Ende des ersten Quartals 2001 abgeschafft. Kaum war die Meldung amtlich, ließen Kritik und Befürchtungen nicht lange auf sich warten: "Feilschen wird an der Tagesordnung sein, der deutsche Markt wird online wie offline die Handelsformen eines orientalischen Bazars annehmen."
Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Szenario Realität wird, ist gering und bleibt sicherlich unter der bereits im Rabattgesetz zulässigen Drei-Prozent-Marke. An keiner Supermarktkasse in Ländern, die schon immer ohne Rabattgesetz auskamen, wird um den Preis einer Flasche Milch wirklich gefeilscht. Nicht Verordnungen bestimmen die Preise, sondern das unumstößliche Gesetz von Angebot und Nachfrage. Viele Märkte haben ihre Preisspielräume längst ausgereizt. Im Lebensmittelhandel zum Beispiel muss jeder Rabatt angesichts der ohnehin geringen Margen als Selbstaufgabe gelten.
Anders sieht es im E-Commerce-Geschäft aus: Hier betreten etablierte Unternehmen Neuland und neue Firmen wagen die ersten Gehversuche im Kampf um Kunden und Geschäfte. Viele Start-ups haben auf der Jagd nach Marktanteilen viel Geld - zu viel Geld - in Marketingmaßnahmen investiert. Das droht sich nun bei den Rabatten zu wiederholen: Mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse.
Fragt sich nur, ob Mäuse wirklich immer den eingesetzten Speck refinanzieren: Einen Kunden an Preisnachlässe zu gewöhnen, kann äußerst riskant sein. Der Kunde gewöhnt sich an Rabatte und verlangt ständig mehr. Bald ist ein Rabatt kein Kaufanreiz mehr, sondern eine Conditio sine qua non. Der einzige Ausweg aus dem Dilemma: Abwechslung und Variation. Preisnachlässe lassen sich sehr gut durch Angebote von Zusatzleistungen ersetzen: Garantien, Services und so weiter.
Durch den Fall der Zugabeverordnung sind der Phantasie keine Grenzen mehr gesetzt. Nicht nur der Pizzabäcker um die Ecke darf seinen Grappa nach dem Essen jetzt völlig legal anbieten. Auch die Reisetasche zum Abo hat jetzt ihren legitimen Platz wie die Hotelübernachtung beim Autokauf. Weil bei Internethändlern wie Amazon die variablen Kosten mit dem Umsatz steigen, gehen die Unternehmen dazu über, auf ihren Portalen auch Produkte von Drittanbietern zu offerieren.
Die Kundenkarte und der längst schon zum alten Marketingeisen gezählte Kundenclub feiern fröhliche Urständ: Insbesondere bei den Kaufhäusern sind Kundenkarten fester Bestandteil des Marketing.
Bei der KarstadtQuelle AG nutzen vier Millionen Verbraucher die Rabatt- und Kreditfunktion der Kundenkarte. 1,2 Mil- lionen Kunden haben die Douglas- Card der gleichnamigen Parfümeriekette in ihrer Brieftasche. 4,6 Millionen Fluggäste profitieren derzeit vom Miles & More-Programm der Lufthansa, das gute Kunden unter anderem mit Freiflügen belohnt. Als Kooperationsangebot verschiedener Anbieter hat sich "Payback" mit fast sechs Millionen Karten etabliert. 12 Millionen sollen es bis 2004 werden.
Aber auch das Kino um die Ecke kann mit seiner Sammelkarte wesentlich mehr Besucher binden, wenn es statt dem üblichen Freibesuch auch Extra-Schmankerl in Kneipen und Szeneläden anbietet. Um so unverständlicher klingt die Kritik einiger Verbände, die befürchten, dass der aggressive Preiskampf im Handel durch einen Wettbewerb der Kundenbindungssysteme ersetzt wird. Hier überwiegen die neuen Chancen die Risiken eindeutig.
Während der reine Preiswettbewerb früher Großanbieter eindeutig bevorteilte, können jetzt auch kleine Anbieter mit pfiffigen Ideen ihre Kundenbindungsprogramme ausgestalten und der Konkurrenz ein Schnippchen schlagen. Jetzt können die Unternehmen Angebote ausschließlich an solche Zielgruppen richten, die für sie interessant sind. Vorausgesetzt, man hat seine Hausaufgaben gemacht und kennt seine Kunden auch ganz genau. Sobald man weiß, wo Kunden der Schuh drückt, besitzt man mehr Argumente als Preis und Prozente.
Aber wer jetzt noch mit der Auswahl und Investition der CRM-Software beschäftigt ist und noch keine Zeit gefunden hat, um parallel zur Datenjagd auch die entsprechenden Kundenprogramme und Angebote zu entwickeln, gerät schnell ins Hintertreffen. Kein Grund zur Panik. Der Fall der Zugabeverordnung bietet ja für jede CRM-Strategie neue Möglichkeiten - nicht nur bei der Umsetzung für die Endkunden, sondern auch bei der Entwicklung: Buy a Software and get a Marketing-Strategy-Workshop for free!
Hartmut Jöhnk, Consultant & Team-Manager der Akademie Marketing & Vertrieb in Witten und Co-Autor des Buches
"Nicht um jeden Preis - Verhandeln mit Profit"
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