E-Commerce: Chance für Unternehmen - rechtliches Fiasko für den Nutzer?

07.02.2000 - Rechtzeitig zum Jahrtausendwechsel legte die EU-Kommission den rechtlichen Rahmen für den Internethandel fest

Für Anbieter soll künftig das Recht des Herkunftslandes gelten. Das heißt eigentlich nur, der Verbraucher - und nicht der Anbieter - muss sich im Dschungel der Gesetze zurechtfinden, um im Streitfall seine Rechte und Pflichten wahrnehmen zu können. Diese Entscheidung wurde von Politikern, Verbraucherschutz und Fachleuten unterschiedlich aufgenommen. Begrüßten die einen die Entscheidung, mahnten die anderen gleichzeitig die Unübersichtlichkeit des Rechts an, zumal einzelne Staaten zusätzlich zu dieser Richtlinie nationale Einzelregelungen treffen dürfen.

Interessant ist nun, wie die Wirtschaft auf das Inkrafttreten der neuen Regelung reagiert: Stellt sich jetzt der erwartete Boom ein oder bleibt es bei der bisherigen Zurückhaltung? Fest steht, dass nach einer Umfrage der Eschborner Beratungsgesellschaft CMG Deutschland aus 1999 die deutschen Manager im Vergleich zu ihren europäischen Kollegen ein starkes Misstrauen gegenüber dem E-Commerce hegen. Dem zum Trotz sind aber bereits 50 Prozent aller Unternehmen Westeuropas online auf der Suche nach neuen Absatzmöglichkeiten. Und wo viele Anbieter sind, lassen die Kunden nicht lange auf sich warten - oder umgekehrt.

Anhand eines authentischen Fallbeispiels hat ONEtoONE den Hamburger Rechtsanwalt Oliver J. Süme, die Agentur SinnerSchrader sowie die Verbraucherzentrale Hamburg gefragt, wie sie die rechtliche Lage unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes sehen: Bei einem englischen Anbieter werden im Internet Vitaminpräparate bestellt und per Kreditkarte bezahlt. Der Anbieter schickt die Präparate nach Deutschland. Hier werden sie vom Zoll kontrolliert und beschlagnahmt, weil sie Substanzen enthalten, die dem deutschen Arzneimittelgesetz unterliegen und nicht zugelassen sind. Der Zoll schickt die Präparate an den Absender zurück. Der Anbieter meldet sich daraufhin nicht beim Kunden, auch erstattet er die geleistete Zahlung nicht, sondern beruft sich auf die EU-Regelung, nach der im Internethandel die Gesetze des Herkunftslandes gelten. Das Kreditkartenunternehmen erstattet die Zahlung ebenfalls nicht, es beruft sich darauf, das Geld bereits an das Unternehmen weitergeleitet zu haben.

Oliver J. Süme sieht den Fall wie folgt: "Es ist nicht richtig, dass im Internet immer die Gesetze des Herkunftslandes gelten. Auch nach den Grundsätzen des hier anzuwendenden internationalen Privatrechts hat der Kunde Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises, wenn ihm die Ware nicht geliefert wurde. Allerdings ist es für den Kunden aufwendiger, diese Ansprüche auch durchzusetzen, da er möglicherweise vor einem ausländischen Gericht klagen muss." Weiter fügte Süme noch an: "Für den europäischen Raum wird an einem umfangreichen, einheitlichen Rechtsrahmen für E-Commerce gearbeitet. Richtlinien zum Verbraucherschutz im Internet, zur Digitalen Signatur und zu allgemeinen Fragen des E-Commerce wie Vertragsschluss und Werbung im Netz sind bereits erlassen, müssen von den Mitgliedsstaaten allerdings noch umgesetzt werden. Die rechtlichen Unterschiede zwischen einzelnen Ländern, eines der großen Probleme im E-Commerce, werden daher in Zukunft in Europa nicht mehr bestehen. Das stärkt nicht nur die Rechtssicherheit für alle Marktbeteiligten, sondern macht Europa insbesondere wettbewerbsfähiger gegenüber den USA."

Dem steht die Auffassung der Hamburger Multimedia-Agentur SinnerSchrader gegenüber: "Der Fall ist kein internetspezifischer Konflikt. Derartige Präparate werden genauso über internationale Zeitschriften oder Fernsehsender vertrieben. Als E-Commerce-Dienstleister haben wir keinen juristisch abgesicherten Überblick über die verschiedenen Handelsgesetze der europäischen Länder. Es ist aber sicher nicht verkehrt zu wissen, in welchen Ländern die eigenen Arzneimittel oder medizinischen Präparate gesetzlich erlaubt sind - auch als Internetanbieter."

Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg wollte zu diesem Fall keine Einschätzung geben, weil es sich hierbei nicht direkt um das Recht für Käufe im Internet handele, sondern internationales Privatrecht berührt werde. Eine allgemeine Aussage wäre fatal, es komme immer auf den Einzelfall an. Ergo kann man sagen, dass sich bislang eigentlich rechtlich nichts geändert hat. Egal, ob man per Internet oder auf einem anderen Wege bestellt: Die rechtliche Abwicklung beruht nach wie vor auf bestehendem Recht, egal ob national oder international - es sind nur noch einige Bestimmungen durch die EU hinzugekommen.

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