Ihre Marktmacht ist gewaltig: 99,4 Prozent aller Smartphones laufen über die Betriebssysteme von Apple
(iOS) und Google
(Android). Für Nutzer führt deshalb kein Weg an den jeweiligen App Stores vorbei - und dies lassen sich die Tech-Giganten fürstlich entlohnen. Um die 30 Prozent schöpfen sie für jede kostenpflichtige App ab. Doch der Widerstand dagegen bei App-Entwicklern wächst. In diesem Jahr eskalierte der Konflikt zwischen Apple und dem Fortnite-Entwicklerstudio Epic Games
. Mit einem eigenen Bezahlsystem für In-App-Käufe wollte der erfolgreiche Spielehersteller die Provision für Apple umgehen. Die Folge: Apple warf Fortnite aus dem App Store. Der Rechtsstreit läuft noch.
Immerhin hat Apple mittlerweile angekündigt, die Gebühren für kleinere Softwareanbieter ab dem 1. Januar 2021
teilweise um die Hälfte zu reduzieren. Konkret zahlen Entwickler, die im App-Store weniger als eine Million US-Dollar jährlich einnehmen, dann nur noch 15 statt der bisherigen 30 Prozent Provision auf den Verkaufspreis oder In-App-Käufe ihrer Anwendung. Auch junge Entwickler, die gerade erst gestartet sind, können an dem "App Store Small Business Program" teilnehmen. Branchenbeobachter werten die Aktion als Versuch, den App-Store aus dem gerichtlichen Schussfeld zu nehmen.
Spotify und Netflix nutzen Progressive Web Apps
Druck droht auch von einer ganz anderen Seite. Laut Peter Romianowski
, Mitbegründer und Geschäftsführer von Cloud-Dienstleister
Cling
, ist seit einigen Jahren ein technologischer Trend erkennbar,
"der dafür sorgen könnte, dass App Stores schon bald ihre enorme Bedeutung als Umschlagplatz für Apps verlieren": Die Verbreitung von Progressive Web Apps (PWA). Streaminganbieter wie Spotify und Netflix verschafften sich damit mittlerweile mehr Unabhängigkeit von den App Stores der beiden Mobile-Monopolisten. Romianowski erklärt, was PWAs sind und welche Chancen sie gegenüber nativen Apps bieten:
Das Potenzial von PWAs
Der Begriff Progressive Web App ist seit etwa 2015 in Umlauf und stehe für ein neues App-Konzept, das für Anbieter und Nutzer eine Reihe von Vorteilen gegenüber sogenannten native Apps habe, die explizit für mobile Betriebssysteme wie iOS oder Android entwickelt werden.
"PWAs vereinen gewissermaßen die Vorteile von Web Apps und nativen Apps in sich", so Romianowski. Web Apps zeichneten sich dabei durch einen einfachen Zugriff, hohe Reichweite und
"relativ geringen Entwicklungsaufwand aus, während native Apps sehr viele Möglichkeiten im Hinblick auf die integrierbaren Features bieten".
Bei einer PWA handele es sich im Grunde um eine Website mit responsivem Design, die dem Nutzer zusätzliche Features bietet, die bis vor einigen Jahren nur in nativen Apps zu finden waren. So könnten PWAs beispielsweise auf Smartphone-Kameras zugreifen oder Push Notifications ausgeben.
"Der wichtigste Vorteil einer PWA besteht darin, dass ihr Code plattformübergreifend funktioniert, was sowohl ihre Entwicklung als auch ihre Wartung signifikant vereinfacht. Damit sind PWAs nicht nur für internationale Großkonzerne interessant, sondern besonders auch für Unternehmen, denen die Ressourcen fehlen, um plattformspezifische Apps zu entwickeln", so Romianowski. PWAs sind per URL über jeden Web-Browser abrufbar und lassen sich mit wenigen Klicks installieren - was für ihre Nutzung jedoch nicht zwingend erforderlich sei.
"Entwickler wie auch User sparen sich so den Weg über die App Stores - und damit die 30 Prozent Provision für deren Betreiber. Dennoch besteht die Möglichkeit, PWAs auch über App Stores zur Verfügung zu stellen."
Weitere Vorteile: PWAs brauchen auf dem Endgerät weniger Speicher als native Apps, zeichnen sich gegenüber herkömmlichen Web Apps durch schnellere Ladezeiten aus und sind mithilfe einer Technologie namens Service Worker auch offline nutzbar. Da User sich nicht um Updates kümmern müssen, sei zudem immer in die aktuellste Version verfügbar.
Der große Durchbruch steht noch bevor
"PWAs haben das Potenzial, nativen Apps zukünftig sowohl im Hinblick auf ihre relativ ressourcenschonende Entwicklung als auch auf die User Experience den Rang abzulaufen. PWAs sind ein Trend, der sich erst seit einigen Jahren im Zuge neuer technologischer Möglichkeiten immer mehr durchsetzt", erklärt Romianowski. Noch gebe es dabei Einschränkungen. So unterstützten momentan nicht alle Browser die Funktionen einer PWA. Auch seien PWAs mitunter schwieriger zu vermarkten, da sie nicht in App Stores gelistet sein müssen.
"Das relativiert sich jedoch gewissermaßen dadurch, dass PWAs prinzipiell eine sehr viel höhere Reichweite haben als native Apps und plattformunabhängig über Suchmaschinen auffindbar sind."
Bei Google habe sich bereits die Erkenntnis durchgesetzt,
"dass an PWAs schon bald kein Weg mehr vorbeiführen wird". Das Unternehmen sei bereits seit einiger Zeit dabei, seine nativen Apps durch PWAs zu ersetzen. Anders Apple: Der Konzern stemmt sich dagegen, führt Datenschutzbedenken ins Feld und und verweist auf die Bedrohung für den App Store als lukrative Vertriebsplattform.