Kennen Sie diese Geschichten über Unternehmen, die mit ausgefallenen Aktionen ihre Kunden an sich binden? Eine Fluggesellschaft beispielsweise reagierte auf den Tweet eines Fluggastes, der sich über den Mangel an Kaffeeständen am Terminal beschwerte, mit einer all-you-can-drink Kaffeeüberraschung im Flieger für ihn. Das ist nur eine Aktion von vielen, denn in einer Zeit des allgegenwärtigen Influencer-Marketings, der Markenpersonalisierung und der rasch wachsenden Produktauswahl kämpfen viele Unternehmen damit, die Loyalität ihrer Kunden zu gewinnen und zu behalten.
Doch fördern solche Aktionen langfristig die Kundenloyalität? Vielleicht wäre es effektiver, zu verhindern, dass der Kunde sich überhaupt beschwert.
Bestsellerautor Matt Dixon hat zehn Jahre lang Untersuchungen mit mehr als 100.000 Kunden auf der ganzen Welt durchgeführt. Er wollte herausfinden, worauf sich Kundentreue wirklich begründet. In seinem Webinar
und seinem Buch 'Effortless Experience' beschreibt er seine Erkenntnisse, warum es effektiver ist, den Absprung der Kunden zu verhindern.
Natürlich ist es toll, wenn Sie Ihre Kunden mit außergewöhnlichen Aktionen überraschen können, doch leider bindet sie das nicht automatisch stärker an Ihr Unternehmen. Werfen Sie einen Blick auf die Zahlen, stellen Sie fest, dass sich solche Aktionen nicht wirklich lohnen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden nach einer Interaktion mit dem Kundendienst abspringen, ist viermal höher als die Wahrscheinlichkeit, dass sie bleiben. Warum? Weil der Kunde bereits verärgert ist, wenn er sich an Sie wendet? Nein - in Wirklichkeit liegt es an der Art und Weise, wie auf sein Anliegen eingegangen und ihm geholfen wird. Tatsächlich verschlimmert sich die Situation durch eine Interaktion oft, anstatt sich zu verbessern.
Aber was machen Unternehmen verkehrt? Um diese Frage zu beantworten, sollten Sie einen Blick auf die sogenannten 'Disloyalty Driver' werfen, also die Faktoren, die zum Absprung des Kunden führen.
Pablo Sanabria von Walter
Bild: Qualtrics
Was sind Disloyalty Driver?
Pablo Sanabria von Walter, Director Global Strategy & Growth bei
Qualtrics
, Experte für Erfahrungsmanagement, kennt die Gründe für die Untreue eines Kunden. Diese entstehen immer dann, wenn er eine schlechte Erfahrung mit einem Unternehmen macht. Als Beispiele nennt er:
- Sinnlose Vorschriften und Prozeduren: Der Kunde hat das Gefühl, dass diese nur dazu da sind, um eine Barriere zwischen ihm und der Lösung seines Problems zu errichten.
- Unterschiedliche Kommunikationskanäle: Der Kunde muss zum Telefonhörer greifen, weil er nicht in der Lage war, sein Problem auf der Website selbstständig zu lösen.
- Verweis an andere Abteilungen: Der Kunde hat das Gefühl, dass er wie ein schwarzer Peter zwischen den Abteilungen hin- und hergeschoben wird.
- Wiederholen von Informationen: Der Kunde muss sein Anliegen mehrmals verschiedenen Personen erklären, bevor er Hilfe bekommt.
- Kundenservice wie vom Fließband: Der Kunde hat das Gefühl, wie eine Nummer behandelt zu werden, und nicht wie ein Individuum.
- Wiederholte Kontaktaufnahme: Der Kunde muss der Lösung seines Problems hinterherlaufen.
- Der "Hassle Factor": Der Kunde ist schon angespannt, wenn er die Servicenummer wählt, weil er mit Stress rechnet.
Um den Kunden diese Mühen zu ersparen, sollten Sie den Service optimieren und ihn einfacher gestalten als er derzeit häufig ist.
Sanabria von Walter gibt ein paar Tipps, wie man dem Kunden schlechte Erfahrungen ersparen kann:
- Je nach Anliegen den passenden Kontaktweg empfehlen
Nicht jeder Kommunikationskanal ist gleichermaßen geeignet, das Problem des Kunden zu lösen. Statt ihm zig verschiedene Methoden zur Auswahl zu stellen, sollten Sie Ihrem Kunden den für sein spezifisches Problem geeigneten Kontaktweg nennen.
Wenn er seine Antwort am schnellsten in den FAQs findet, sagen Sie es ihm. Ist Twitter die beste Option, weisen Sie ihn darauf hin. Und in manchen Fällen ist auch am einfachsten, kurz anzurufen.
- Vorausschauend handeln
In der Regel will kein Unternehmen, dass der Kunde noch einmal anrufen muss. Es kostet Geld und frustriert den Kunden. Wenn er sich meldet, liegt es meist daran, dass das ursprüngliche Problem nicht gelöst werden konnte (explizite Fehler) oder dass Probleme, die im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Problem aufgetaucht sind (implizite Fehler), nicht behoben werden konnten.
Die meisten Unternehmen sind darauf fixiert, explizite Fehler zu beheben, vergessen jedoch die impliziten. Hier ein Beispiel dafür, wie Sie es anders machen könnten: Ein Kunde ruft den Hersteller seines Staubsaugers an, weil ein Teil kaputtgegangen ist. Statt dem Kunden einfach nur das Ersatzteil zu verkaufen und das Gespräch damit zu beenden, bietet der Kundendienstmitarbeiter ihm ein zweites, identisches Reserveteil an. Warum? Weil das versendete Teil beim Einbau leicht beschädigt werden kann und der Kunde in diesem Fall gleich ein zweites zur Hand hätte. Der Kunde entgegnet, dass er ungern zwei Teile bezahlen würde. Der Mitarbeiter erklärt ihm, dass das zusätzliche Teil gratis mitgesendet wird. Der Kunde ist verwundert, denn er nimmt an, dass dies den Anbieter Geld koste.
Überraschenderweise ist das nicht der Fall. Der Kundendienstmitarbeiter erklärt ihm, dass es billiger ist, ein zweites, kostenloses Reserveteil mitzuschicken als ein weiteres Telefongespräch mit ihm zu führen. Außerdem kann so vermieden werden, dass der Staubsauger weitere zwei Wochen ausfällt, in denen der Kunde auf die Lieferung des eigentlichen Ersatzteils wartet.
- Kundenerlebnis gestalten
Kunden erleben den Aufwand, den sie betreiben müssen, anders als Sie denken. Nur ein Drittel der Kunden definiert Aufwand mit dem, was sie tatsächlich tun müssen - beispielsweise mehrmals die Website des Unternehmens besuchen oder ein paar Mal anrufen, um ihr Problem zu lösen. Die Mehrzahl der Kunden (zwei Drittel) definiert Aufwand damit, wie sie sich dabei fühlen.
Wie sich ein Kunde fühlt, hängt davon ab, wie der Kundendienstmitarbeiter mit ihm umgeht. Hierbei geht es nicht um Nettigkeit oder Hilfsbereitschaft - es geht darum, eine Sprache zu sprechen, die ihm das Gefühl eines geringeren Aufwands vermittelt. Hier einige Beispiele:
- Befürwortende Sprache: Verwenden Sie Formulierungen, die dem Kunden das Gefühl geben, auf seiner Seite zu stehen.
- Positive Sprache: Statt zu sagen "Wir schließen um 20 Uhr" sagen Sie: "Wir haben bis 20 Uhr geöffnet".
- Ankereffekt: Dieser wird erzeugt, wenn Sie dem Kunden zunächst eine weniger attraktive Option in Aussicht stellen, bevor Sie ihm die ursprünglich beabsichtigte Option präsentieren. Ein Beispiel hierfür ist der Zeitrahmen: Der Kunde wird eine Zeitspanne von sieben bis 19 Uhr für die Reparatur seines Routers eher akzeptieren, wenn die Alternative ein Zeitfenster von einer Stunde ist, das allerdings erst in drei Tagen frei wird. Bieten Sie ihm die letztgenannte Option zuerst an, kann dies die Verärgerung des Kunden darüber abmildern, dass er einen ganzen Tag lang auf den Techniker warten muss.
All diese Faktoren verringern den gefühlten Aufwand massiv, den ein Kunde zur Lösung seines Anliegens betreiben muss.
- Service kontrollieren
Kundenservice wird immer anspruchsvoller. Da Kunden die Antworten auf einfache Fragen meist online finden, sind die Fragen, mit denen sie sich an Servicemitarbeiter wenden, oft viel komplizierter.
Manche Unternehmen reagieren darauf, indem sie ihren Mitarbeitern stärkere Beschränkungen im Kundengespräch auferlegen. Diese müssen sich nun häufig an strukturiertere Skripte oder Antworten halten, die per künstlicher Intelligenz erzeugt werden. Doch das ist ein Fehler.
Denn je komplexer das Umfeld, desto mehr Freiheiten müssen Sie Ihren Mitarbeitern lassen. Zudem sollten Sie diverser denken, wenn es um das Einstellen neuer Mitarbeiter geht: Die meisten Servicemitarbeiter sind sehr empathisch. Bei einer Befragung von Personalleitern, wen sie am liebsten einstellen würden, antworteten 42 Prozent von ihnen, sie bräuchten mehr empathische Mitarbeiter. Aber auch das ist ein Fehler. Personalchefs sollten mehr "Problemlöser" einstellen, denn sie erzielen die weitaus besseren Ergebnisse. Sie sind oft Alleswisser: Sie erfreuen sich an ihrem eigenen Fachwissen und kennen die Probleme der Kunden von Grund auf. Kunden, die sich an sie wenden, haben meist schon selbst versucht, das Problem online zu lösen. Diese Kunden brauchen keinen einfühlsamen Gesprächspartner. Sie brauchen jemanden, der das Ruder übernimmt und das Problem behebt. Und genau dazu sind Problemlöser meist in der Lage.