An der Studie 'Dialog Excellence 2020'-Studie des Deutschen Dialogmarketing Verbandes (DDV)
und der Universität Kassel
haben 229 vor allem mittelständische Unternehmen aus ganz Deutschland teilgenommen, die Dialogmarketing betreiben. B2B-Unternehmen stellten dabei einen Anteil von 70 Prozent. Ergänzend wurden weitere Branchen-Analysen - etwa über die Wirkung individualisierter Kommunikation - hinzugezogen.
Wie Dialogmarketing den Unternehmenswert steigert, welche Faktoren für den Erfolg ausschlaggebend sind und wie deren Wirkung zusammenhängt, hat das Team um Marketing-Professor Andreas Mann, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel, laut DDV zum ersten Mal wissenschaftlich untersucht und belegt. Sein Wirkungsmodell stellt dar, wie stark der Einfluss eines Faktors auf den anderen ist und wie sich diese auf den nicht-monetären Markterfolg (z.B. Bekanntheitsgrad, Weiterempfehlungsquote, Wiederkaufrate, Marktanteil) auswirken. Dieser wiederum hat großen Einfluss auf den monetären Markterfolg.
Die Erfolgfaktoren
Wichtige Erfolgsfaktoren für eine 'Dialog Excellence' - also eine erfolgreiche kunden- und dialogorientierte Vorgehensweise über alle Kundenkontaktpunkte - sind demnach:
- Ein kundenorientiertes Mindset - vor allem in der Führungsebene
- Eine starke Kundenintegration in alle Bereiche des Unternehmens
- verbunden mit einer systematischen Kundendatengewinnung und -analysen
- Auf dem Kundenwissen aufbauend eine personalisierte Kundenkommunikation, gefördert durch Kreation und Interaktivität der Maßnahmen
- Ein effektives Kommunikations-Controlling
Starke Einflussfaktoren: Das Wissen über den Kunden und individualisierte Kommunikation
Grafik: DDV/Universität Kassel
Kundenorientierung: Wunsch und Wirklichkeit
Die meisten Befragten attestieren ihren Unternehmen eine große Kundenorientierung. Dreiviertel von ihnen stimmen zu, dass die Etablierung von langfristigen Kundenbeziehungen einen großen Stellenwert hat und entsprechende Investitionen dafür getätigt werden. Die Realität zeichnet jedoch ein etwas anderes Bild, denn trotz der als stark eingeschätzten Kundenorientierung...
- erfolgt bei nur knapp 50 Prozent der Unternehmen eine Ausrichtung des Medieneinsatzes mit Blick auf den Kaufentscheidungsprozess. Bei einem Drittel ist dies nicht gegeben.
- bieten nur ca. 25 Prozent der Unternehmen eine ausdrückliche Interaktion und Integration der Zielgruppen. Bei über 50 Prozent der Unternehmen ist dies nicht der Fall.
- setzen weniger als 20 Prozent der Unternehmen auf eine Individualisierung der Kundenkommunikation, obwohl deren erfolgreicher Einsatz nicht-monetären Erfolg verspricht.
- findet bei knapp 50 Prozent der Unternehmen keine Erfolgs- und Wirkungskontrolle der Kommunikationsaktivitäten statt.
Potenzial der Kundendaten wird nicht ausgeschöpft
Die Kundenorientierung beginnt im Kopf: Ausgangspunkt für eine wahrhaftige Customer Centricity ist deshalb das Mindset der Führungskräfte in einem Unternehmen, laut Professor Mann hat dies "einen relativ hohen Einfluss". Vom Willen der Unternehmensleitung zur Kundenorientierung hängt ab, wie stark die Kunden in Wertschöpfungsaktivitäten (z. B. die Produktentwicklung, Social Media) integriert werden. Hier zeige sich, dass Kundenorientierung oft nur ein Lippenbekenntnis ist.
"Unternehmen mit wenig Kundenorientierung lieben ihre Maschinen aber nicht ihre Kunden", so Mann.
Mit der Kundenintegration jedoch nehme auch das Wissen über die Kunden und damit über ihre Erwartungen, Motivationen und Verhaltensweisen zu. Voraussetzung ist, dass die Kundendaten systematisch erhoben und ausgewertet werden. Doch obwohl die systematische Verknüpfung von internen und externen Kundendaten und -quellen von den Befragten als enorm wichtig angesehen wird, sei sie 'tendenziell nur mittelmäßig stark ausgeprägt', so ein Ergebnis der Studie. Technologien zur automatisierten Datenerhebung und -auswertung kommen sogar nur 'sehr schwach' zum Einsatz bei den befragten Unternehmen.
Personalisierung hat großen Einfluss
Hier liegt laut der Studienautoren noch ein enormes Potenzial brach. Denn Daten sind essentiell für die personalisierte, individualisierte Kommunikation mit Kunden - laut der Untersuchung ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor, der einen sehr starken Einfluss auf nicht-monetäre Markterfolge habe. Auch das Wissen über Lost-Customer sei nur sehr schwach ausgeprägt, obwohl dies wichtige Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten für das Kundenmanagement liefert. Die personalisierte Kundenansprache wird wiederum durch eine kreative und interaktive Kundenkommunikation gefördert, die Response auslöst - aber auch hier sehen die Initiatoren noch erhebliche Steigerungspotenziale.
Die Corona-Krise wird den Wechsel zu mehr Kundenorientierung beschleunigen.
(Markus Gräßler, Geschäftsführer, gkk Dialoggroup)
Bild: gkk DialogGroup GmbH
Den Grad der Individualität wiederum beeinflusst der Mediamix. Laut der Analyse betreiben 58 Prozent der Unternehmen tendenziell eine cross-mediale Kommunikation und berücksichtigen ausdrücklich die Kombination von Medien bei der Auswahl. Bei 29 Prozent ist dies eher nicht der Fall. Weitere Analysen zeigen, dass die Unternehmen ihr Kommunikationsbudget vor allem für Below-the-Line-Maßnahmen wie Direkt- und Dialogmarketing, Verkaufsförderung oder Eventmarketing einsetzen (durchschnittlich 54 Prozent des Budgets). In klassische Massenkommunikation in TV, Rundfunk oder Werbung in Printmedien fließt durchschnittlich 46 Prozent des Budgets. Den größten Anteil am Kommunikationsbudget hat die Websitepflege (29,7 Prozent), gefolgt von klassischem Direkt- und Dialogmarketing (23,4 Prozent) und Suchmaschinenmarketing (11,25 Prozent).
Erfolgskontrolle wird vernachlässigt
"Stark vernachlässigt" werde von Unternehmen auch das Kommunikations-Controlling, so eine weitere Erkenntnis der Studie. Dabei könnten über Pre-Testings Kampagnen-Flops reduziert werden. Eine systematische Wirkungs- und Erfolgskontrolle von durchgeführten Kampagnen liefere zudem Erkenntnisse für die Planung und Gestaltung aktueller und zukünftiger Kampagnen. Im Rahmen eines Media-Mix-Controllings könne zusätzlich ermittelt werden, welchen Erfolgsbeitrag einzelne Medien innerhalb crossmedialer Kampagnen leisten. Eine Erkenntnis: Erfolgreiche Unternehmen nutzen Online-Medien mehr als weniger erfolgreiche Unternehmen.
Am Controlling zu sparen ist grob fahrlässig.
(Andreas Mann, Marketing-Professor, Universität Kassel)
Bild: UNIKIMS GmbH
Doch auch bei der Erfolgskontrolle sehen der DDV und die Wirtschaftswissenschaftler "erhebliche Verbesserungspotenziale" - auch bei Unternehmen, die ansonsten die beschriebenen Faktoren der 'Dialog Excellence' berücksichtigen. Andreas Mann hofft daher auf einen "Weckruf". Am Kommunikationscontrolling zu sparen sei "grob fahrlässig". Dabei sei der monetäre Aufwand im Verhältnis zu den besseren Ergebnissen "zu vernachlässigen".
Wirkungsmodell für B2B und B2C
Immerhin lasse sich eine positive Tendenz zu einer kunden- und dialogorientierten Vorgehensweise gerade bei Unternehmen aus dem B2B-Bereich und bei Firmen mit einem höheren Stammkunden-Anteil ablesen. Bei B2C-Unternehmen (rund 30 Prozent der befragten Unternehmen) spiele die Kundenintegration etwa über Social Media und die individualisierte Kommunikation eine größere Rolle, auch sei der Mediamix unterschiedlich und entsprechend die Budgets anders verteilt. Größere Unterschiede bei den Wirkungsweisen der Einflussfaktoren sind laut Wirtschaftswissenschaftler Mann jedoch nicht auszumachen, das Modell sei daher auch für B2C anwendbar. Der Forscher glaubt, dass der positive Einfluss sogar noch größer wäre mit mehr B2C-Unternehmen in der Stichprobe.
Fazit: Dialogmarketing beeinflusst den Unternehmenswert
Ergebnis der Studie: Konkret erreichen Unternehmen, die bereits in ihrem Mindset und damit auch in ihrer Unternehmensstrategie die Bedürfnisse der Kunden in ihre Prozesse und Abläufe der Leistungsgestaltung integriert haben, eine positive Veränderung ihres nicht-monetären Markt- und Kundenerfolgs mit einer durchschnittlichen gemessenen 'Erklärungskraft' von
11 Prozent. Laut Mann ist dies aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ein
"relativ hoher Wert", errechnet aus den Einflüssen der einzelnen Faktoren und der Wirkung untereinander. Nicht-monetäre Faktoren wie Bekanntheitsgrad, Weiterempfehlungsquote, Wiederkaufrate oder Marktanteil haben wiederum starke positive Auswirkungen auf den monetären Geschäftserfolg.
Für Markus Gräßler, Vize-Präsident Create des DDV und Geschäftsführer der gkk DialogGroup, ist die Studie der wissenschaftliche Nachweis,
"dass Dialogmarketing nicht nur ein Kostencenter ist, sondern den Unternehmenswert in allen möglichen Dimensionen beeinflusst". Ihm zufolge könnte die positive Veränderung von 11 Prozent sogar noch deutlich höher liegen,
"wenn man Dialogmarketing ordentlich betreibt".
Gründe für die Defizite sind ihm zufolge
"fehlendes Know-how" und zu viele Silos in unterschiedlichen Abteilungen. Gräßler glaubt jedoch, dass die Corona-Krise den Wechsel zu mehr Kundenorientierung verstärken und beschleunigen wird.
"Offline-Kontaktpunkte wie Messen und Veranstaltungen fallen weg, Marketing und Vertrieb müssen sich neu orientieren und organisieren." Um den Kontakt zu den Kunden zu halten, seien Kundendaten wichtiger denn je - denn die Kundenkommunikation wird noch digitaler.
DDV fordert 'Strategie Europa 2030' - mit dem Kunden im Mittelpunkt
Deutsche Unternehmen könnten dabei von anderen Märkten lernen. So hätten die DialogTouren des DDV in den vergangenen Jahren gezeigt: Gerade in Innovations-Hot-Spots wie dem Silicon Valley in Kalifornien, dem Silicon Wadi in Tel Aviv oder in der Greater Bay Area in China steht für Unternehmen der Kunde sehr viel stärker im Zentrum ihres Handelns.
"Diese Unternehmen wollen kein perfektes Produkt bauen, sondern in erster Linie den Kunden zufrieden stellen", sagt Markus Gräßler.
"Um zukünftig noch mithalten zu können, benötigen wir eine tragfähige Strategie Europa 2030, die klar aufzeigt, wo wir in zehn Jahren stehen wollen. Wir brauchen mehr Kundenorientierung, Wille zum Erfolg und Spaß am Ausprobieren."