Vier Tage Arbeit, drei Tage frei. Pool Artists hat den Schritt gewagt. Warum? Eine kürzere Arbeitswoche ermöglicht es, so denken wir, die Arbeit effizienter zu gestalten, eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen und mehr Zeit für persönliche Belange und Erholung zu haben. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass dieses neue Arbeitszeitmodell auch unser Unternehmen voranbringen wird, weil wir alle dank der längeren Ruhephasen engagierter und produktiver sein können. Seit Mai 2023 arbeiten wir nun in der Vier-Tage-Woche - 32 Stunden die Woche bei gleichem Gehalt. Ein Schritt, der auf langjährigen Recherchen und zahlreichen Vorbereitungen aufbaut.
Vier-Tage-Woche heißt eben nicht vier Tage á je 10 Stunden
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Besonders junge ArbeitnehmerInnen fordern eine Abkehr von der steifen Fünf-Tage-Woche. Laut einer
Studie der Hans-Böckler-Stiftung
sind etwa 73 Prozent der Befragten bereit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, solange das Gehalt nicht darunter leidet. Acht Prozent würden sogar finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Bereits seit 2015 beschäftigen meine Geschäftspartnerin Frida Morische und ich uns mit dem Konzept der Vier-Tage-Woche. Wir fanden es von Anfang an wichtig, bisherige Arbeitsmodelle nach ihrer Sinnhaftigkeit zu hinterfragen und auf die Bedürfnisse unserer MitarbeiterInnen zu schauen. Während wir die Firma allmählich aufbauten, wurden auch unsere Vorstellungen immer klarer. Wir wussten: Unsere Vier-Tage-Woche kann nur funktionieren, wenn die Stundenzahl entsprechend angepasst, also um acht Stunden reduziert wird. Niemand bei Pool Artists sollte gezwungen sein, zehn Stunden pro Tag zu arbeiten, nur um einen zusätzlichen freien Tag zu bekommen. Außerdem musste sichergestellt werden, dass wir als Dienstleistungsunternehmen auch weiterhin flexibel für unsere Kundinnen und Kunden erreichbar sind. Da diese aber in der Regel fünf, wenn nicht sogar sieben Tage die Woche ihre Unternehmen besetzt haben, war es für uns nicht denkbar, Pool Artists einfach einen Tag länger zu schließen.
Mehr MitarbeiterInnen lautet die Lösung
Wir benötigten also eine bestimmte Anzahl an MitarbeiterInnen, um unser neues Arbeitszeitmodell umzusetzen. Zwei Teams wurden auf die Beine gestellt: Das erste arbeitet von Montag bis Donnerstag und das zweite von Dienstag bis Freitag, wobei ein Wechsel alle sechs Monate erfolgen kann. Wir als Geschäftsführung haben uns ebenfalls jeweils einem Team zugeteilt. (Dadurch sind wir immer ansprechbar, wenn unsere MitarbeiterInnen oder Kundinnen und Kunden uns brauchen.) Jede Person hat somit stets drei aufeinanderfolgende freie Tage, um eine maximale Erholung zu gewährleisten und gleichzeitig eine übersichtliche Kommunikation und Zusammenarbeit während der gemeinsamen Arbeitstage zu ermöglichen. Trotz aller Produktivitätsprognosen wollten wir uns nicht mit einem überproportionalen Workload in einer verkürzten Arbeitswoche überfordern. Anfang 2023 hatten wir die MitarbeiterInnen-Anzahl erreicht, die für die zwei Teams erforderlich war. Schließlich fiel der Startschuss für unsere Vier-Tage-Woche im Mai dieses Jahres. Zusätzlich haben wir die Vertrauensarbeitszeit eingeführt. Es gibt somit keine Kernarbeitszeit und die MitarbeiterInnen können innerhalb eines bestimmten Rahmens ihre Arbeitszeiten flexibel gestalten.
Noch sind nicht alle Fragen abschließend geklärt
Die Einführung hat in unserem Team eine wahre Achterbahn der Gefühle ausgelöst. Zuerst kam pure Freude über die Aussicht auf längere Wochenenden und mehr Freizeit auf. Aber es gab auch Bedenken: Besteht die Gefahr einer größeren Arbeitsbelastung? Wie wird sich das auf unsere Kundinnen und Kunden auswirken? Wird die Produktivität zurückgehen? Ich will ehrlich sein, diese Fragen beschäftigen uns noch heute und vielleicht sogar noch in den nächsten Monaten. Gespräche helfen hier zu verstehen, wie es MitarbeiterInnen geht, wo sich Engpässe und Hürden bilden und wie man diese direkt angehen kann.
Aktuell überwiegt die Freude jedoch, vor allem, weil unsere MitarbeiterInnen ihre neu gewonnene Freizeit sehr genießen und diese positive Energie auch mit zur Arbeit bringen. Das zeigt auch eine Studie vom
Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut (WSI)
: 71 Prozent der Befragten fühlten sich in der Vier-Tage-Woche ausgeglichener und entspannter als zuvor. Schlafprobleme hatten um über acht Prozent abgenommen, auch Angstzustände und Müdigkeit gingen zurück. Die Teilnehmenden hätten zudem eine verbesserte körperliche Gesundheit. Aufgrund dieser positiven Entwicklungen hielten nach Ablauf der Studie 56 Prozent an der Vier-Tage-Woche fest.
Weiterbildung und neue Software
Die Postproduktion unserer Podcasts ist sehr zeitaufwendig. Um diesen Prozess zu optimieren, haben wir in Weiterbildungen für unsere MitarbeiterInnen und uns investiert. Dadurch sind wir in der Lage, unsere Tools und Programme besser einzusetzen und somit mehr Podcast-Episoden in kürzerer Zeit zu produzieren, ohne dabei unsere Qualität zu beeinträchtigen. Zusätzlich haben auch technische Anpassungen zu einer signifikanten Steigerung der Effizienz in der Postproduktion geführt. Wir investieren in neue Software, die den Workflow in einem digitalen Arbeitsumfeld erleichtert und verschlankt, so dass Übergaben zwischen Teams oder einzelnen MitarbeiterInnen auch ohne größere Meetings verlustfrei möglich werden. Wir sind bestrebt, stets auf dem neuesten Stand der Technik zu sein und unsere Arbeitsweise kontinuierlich zu verbessern, um unseren Kundinnen und Kunden hochwertige Podcasts zu liefern.
Weniger Meetings, verkürzte Entscheidungswege
Die Einführung der Vier-Tage-Woche bei Pool Artists hat uns auch dazu veranlasst, unsere Arbeitsprozesse genauer unter die Lupe zu nehmen und Zeitfresser zu identifizieren. Insbesondere Meetings stellten sich oft als langwierig und wenig produktiv heraus, wobei auch häufig mehr Personen involviert waren als nötig. Daher haben wir eine Überarbeitung unseres Meeting-Managements vorgenommen, um die Zeit wiederum effektiver zu nutzen.
Zunächst haben wir Länge und Anzahl der TeilnehmerInnen deutlich reduziert. Durch eine kritische Bewertung bisheriger Besprechungen konnten wir sicherstellen, dass alle Teilnehmenden einen konkreten Mehrwert daraus ziehen können. Ein weiterer Schritt bestand darin, die internen Kommunikationswege zu verkürzen und klarer zu gestalten, sodass unsere MitarbeiterInnen mehr untereinander klären und entscheiden können, ohne auf eine Antwort von der Geschäftsführung zu warten. Die MitarbeiterInnen mit Skills und Feedback zu versorgen, die dazu führen, dass sie selbständig arbeiten und Entscheidungen treffen können, ist ein wichtiger Faktor für das Sparen von Zeit.
Endgültiges Fazit muss noch gezogen werden
Mit der Einführung von Vier-Tage-Woche und Vertrauensarbeitszeit haben wir einen großen Schritt in Richtung einer modernen und flexiblen Arbeitskultur gemacht. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben nun die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen und ihre Energie effektiver zu nutzen. Das trägt zu einer positiven Arbeitsatmosphäre und einem motivierten Team bei. Natürlich wissen wir, dass nicht jedes Unternehmen dasselbe Modell übernehmen kann. Es erfordert Anpassungen und Vorausplanung, um den Kundinnen- und Kundenkontakt und die Arbeitsabläufe nicht zu gefährden. Wir gehen den Weg gemeinsam mit unserem Team und erproben, wie unser Arbeitsmodell aussehen wird. Wir möchten mit unserem Beispiel einen Denkanstoß geben und zeigen, dass es für jede Branche, für jedes Unternehmen, eine individuelle Lösung Richtung New Work geben kann. Wir sind jedenfalls gespannt, wie unsere Testphase verlaufen wird und welches Fazit wir am Ende ziehen werden.
Maria Lorenz-Bokelberg
Bild: Patricia Haas
ONEtoONE-Autorin Maria Lorenz-Bokelberg ist Gründerin und Co-Geschäftsführerin der Berliner Podcast-Produktionsfirma Pool Artists
. Das Unternehmen bietet Full-Service-Dienstleistungen von Produktion, Kreation bis Beratung an. Einige der bisher realisierten Podcasts: "Faking Hitler", "Batman unter Toten", "Die Nilz Bokelberg Erfahrung" und die Audio-Programme von Zeit Online.