Deutsche ManagerInnen beurteilen das Potenzial von Neugier im internationalen Vergleich aber wesentlich zurückhaltender: Lediglich 59 Prozent der Befragten gaben an, dass sie diese Eigenschaft als sehr wichtig bei Mitarbeitenden ansehen, immerhin spricht ihr nur ein Prozent eine größere Bedeutung vollkommen ab. 90 Prozent der deutschen UmfrageteilnehmerInnen meinen, dass Neugier heute wichtiger für Mitarbeitende ist als noch vor fünf Jahren. Dies sind Ergebnisse des globalen Curiosity@Work Report, den SAS
, Anbieter von Lösungen für Analytics und künstliche Intelligenz (KI), erstellt hat. Dazu wurden rund 2.000 Führungskräfte in Deutschland, Brasilien, Indien, Singapur, UK und den USA befragt sowie Daten aus LinkedIn-Veröffentlichungen ausgewertet.
58 Prozent stimmen voll und ganz zu, dass Neugier ein wichtiger Geschäftstreiber ist. Das größte Potenzial wird dabei in Aufgaben wie der Entwicklung innovativer Lösungen (50 Prozent), der Analyse von Daten sowie der übergreifenden Kollaboration (jeweils 43 Prozent) und im Angehen komplexer Probleme (42 Prozent) gesehen. Neugier ist somit eine wichtige Voraussetzung für die Gewinnung datenbasierter Erkenntnisse als Basis für Entscheidungsfindungen.
Über die Vorteile von Neugier am Arbeitsplatz sind sich die Befragten weitgehend einig: 95 Prozent sehen als mögliche Vorteile kreativere Lösungsansätze, 94 Prozent höhere Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in unsicheren Zeiten, jeweils 93 Prozent mehr Diversität in Perspektiven sowie höhere Zufriedenheit im Arbeitsalltag und 92 Prozent bessere Zusammenarbeit. 91 Prozent meinen, dass Neugier zu größerer Effizienz und Produktivität führt.
Bei der Nutzung ist noch Luft nach oben
Dennoch scheitert es oft noch daran, das anerkannte Potenzial von Neugier auch zu nutzen. Die befragten Führungskräfte gaben an, dass sie Probleme hätten, neue Mitarbeitende mit der richtigen Mischung aus erforderlichen technischen Fähigkeiten (von 68 Prozent genannt) und persönlichen Eigenschaften (57 Prozent) zu finden. Bei den vorhandenen Mitarbeitenden Neugier zu wecken, wenn sie diese nicht von sich aus mitbringen, sehen 39 Prozent als schwierig an. Weitere Hürden sind laut Befragung, diese Eigenschaft in Beziehung zur Job-Performance (43 Prozent) beziehungsweise zum Geschäftsnutzen (40 Prozent) zu setzen. Lediglich 41 Prozent der UmfrageteilnehmerInnen sehen sich überhaupt in der Lage, Neugier bei ihren Mitarbeitenden zu erkennen - bei BewerberInnen trauen sich das nur 40 Prozent zu.
Marlies Bürkel
Bild: SAS
ManagerInnen dagegen, die selbst einen hohen Grad an Neugier aufweisen, sind persönlich bestrebt, diese Eigenschaft übergreifend zu fördern. Dies geschieht beispielsweise durch Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen (89 Prozent), durch die Berücksichtigung bei Beurteilungen von Mitarbeitenden (88 Prozent), bei Beförderungen (73 Prozent) und Neueinstellungen (79 Prozent). 73 Prozent der ArbeitgeberInnen mit einem hohen Neugierindex haben dieses Attribut sogar in ihre Unternehmensmission, Vision oder Werte übernommen.
LinkedIn-Analyse unterstreicht Relevanz von Neugier
Die steigende Bedeutung von Neugier als Attribut im beruflichen Umfeld wird auch durch eine Auswertung von LinkedIn-Veröffentlichungen gestützt, die SAS parallel vorgenommen hat. Demnach ist die Interaktion mit Posts von Unternehmen, die "Neugier" diskutieren, auf diesem Kanal um 158 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen (Vergleich der Zeiträume Juli 2019/2020 und August 2020/2021). Die Erwähnung von Neugier in Jobanzeigen ist um 90 Prozent beziehungsweise als explizit geforderte Fähigkeit um 87 Prozent gestiegen.
"Neugier ist eine der wichtigsten Eigenschaften, wenn es darum geht, Bindung von Mitarbeitenden und Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu fördern und gleichzeitig Innovation und Produktivität voranzutreiben", sagt Marlies Bürkel
, Director Human Resources bei SAS DACH.
Neugier ist nicht gleich Neugier - vier Manager-Typen
Neugier wird in der vorliegenden Untersuchung als Motivation betrachtet, neue Informationen und Erfahrungen zu suchen sowie innovative Möglichkeiten zu erforschen. Die Marktforscher haben vor diesem Hintergrund vier "Neugiertypen" identifiziert.
- High Curiosity Collaborators: machen 17 Prozent der deutschen Befragten aus (global: 35 Prozent). Sie legen viel Wert auf Zusammenarbeit und Teamwork, sind beharrlich in der Suche nach Antworten, sind überzeugt, dass Neugier zu besserer Performance und Jobzufriedenheit führt.
- Flexibility Driven Opinion Seekers (27 Prozent; global: 26 Prozent): Sie gehen Herausforderungen aktiv an und sind offen für andere Ansichten, sind überzeugt, dass Neugier in schwierigen Zeiten Flexibilität und Anpassungsfähigkeit begünstigt, meinen allerdings nicht, dass sie grundsätzlich zu höherer Effizienz und Produktivität führt.
- Productivity-Focused Leaders (32 Prozent; global: 24 Prozent): Sie sind überzeugt, dass Neugier Effizienz und Produktivität steigern sowie Zusammenarbeit und Teamwork stärken kann, tendieren aber weniger zu der Annahme, dass sie diverse Ansichten und Ideen fördert.
- Anti-Curiosity Leaders (23 Prozent; global: 16 Prozent): Sie gehen nicht davon aus, dass Neugier irgendeine Form von Performance-Steigerung bringt.
Aber wie hält man Neugier hoch, wenn die Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, d.h. wenn es leider noch zu oft bei Absichtsbekundungen bleibt, Mitarbeiterideen umzusetzen - mitunter aus Sachzwängen, mitunter aus strukturellen Problemen?
"Wenn Mitarbeitende Ideen entwickeln und einbringen, die dann aufgrund von wirtschaftlichen, infrastrukturellen oder strategischen Gründen nicht umgesetzt werden - das ist sicherlich einer der größten Motivationskiller hinsichtlich Neugier", räumt Marlies Bürkel ein. Grundsätzlich seien die in der Studie untersuchten Methoden, die ManagerInnen bereits einsetzen, aber gut geeignet, um die Sichtbarkeit für Neugier und damit auch die Motivation hochzuhalten: beispielsweise die positive Erwähnung von Neugier in Mitarbeiterbewertungen, einen Anteil der Arbeitszeit für Herzensprojekte zur Verfügung stellen, Einzelcoaching oder -mentoring und öffentliches Lob für Mitarbeitende, die sich durch Neugier hervortun.
Bürkel:
"Entscheidend ist, dass Neugier als Eigenschaft fest in der Unternehmenskultur verankert ist; dass sie zum Beispiel bei Neueinstellungen, Beförderungen, Weiterbildungen eine spürbare Rolle spielt - und dass dies unternehmensintern auch entsprechend kommuniziert wird."
Laut Studie fördern ManagerInnen in Deutschland bereits persönlich Neugier bei:
- Mitarbeitergesprächen (84 Prozent)
- Coaching oder Teamentwicklung (82 Prozent)
- Einstellungsentscheidungen (79 Prozent)
- Beförderungsentscheidungen (76 Prozent)
Ressourcen für Experimente und Innovationen zu schaffen, lohne sich für Unternehmen langfristig, da sich Neugier häufig in handfesten Vorteilen wie Performance- und Effizienzsteigerung, besserer Zusammenarbeit und nachhaltiger Bindung von Mitarbeitende auswirke, so Bürkel.
Aber das ist ein Prozess, den man nicht in einer einzigen Hauruck-Aktion stemmen muss, sondern nur Schritt für Schritt umsetzen kann."