14.09.2022 - Einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts zufolge sind Arbeitgeber künftig verpflichtet, die Arbeitszeiten der Beschäftigten systematisch zu erfassen.
von Christina Rose
Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG
verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den ArbeitnehmerInnen geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH)
in einem Fall aus Spanien zur Zeiterfassung geurteilt: ArbeitgeberInnen müssen ihren Mitarbeitenden "ein objektives, verlässliches und zugängliches System" anbieten, um ihre Arbeitszeit zu messen.
Über die Umsetzung in Deutschland herrscht seit dem Unsicherheit: Die Ampel-Koalition hat dazu im Koalitionsvertrag
vereinbart: "Im Dialog mit den Sozialpartnern prüfen wir, welchen Anpassungsbedarf wir angesichts der Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitszeitrecht sehen. Dabei müssen flexible Arbeitszeitmodelle (z.B. Vertrauensarbeitszeit) weiterhin möglich sein." Nun hat das Bundesarbeitsgericht mit Pflicht zur Arbeitszeiterfassung Fakten geschaffen, über die in der Ampelregierung, in der Wirtschaft und unter Arbeitsrechtlern bislang noch diskutiert wird.
Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG
besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist.
Der antragstellende Betriebsrat und die ArbeitgeberInnen, die eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb unterhalten, schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle zum Thema 'Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung' ein. Nachdem die ArbeitgeberInnen deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat dieses Beschlussverfahren ein. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.
Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Dies schließt ein - gegebenenfalls mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares - Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus.
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