24.04.2018 - Seit kurzem ist seine Agentur die größte Digitalagentur Deutschlands. Jetzt will Carsten Meyer-Heder auch noch regierender Bürgermeister in Bremen werden. Im Exklusivinterview erzählt er, warum Digitale die besseren Modernisierer sind.
von Susanne C. Steiger
Aufbruchstimmung. Das ist das, was Carsten Meyer-Heder vorantreibt. Der in der Wolle gefärbte Digitale hat gerade erst seine Interaktiv-Agentur Team Neusta zur größten Fullservice-Interagentur Deutschlands gemacht. Jetzt greift er nach politischen Sternen: Als erster Digitalunternehmer will er Chef eines Bundeslandes werden. Er sieht Politik darum auch deutlich zukunftsorientierter als so mancher Parteifreund: "Angela Merkel muss die Digitalisierung zur Chefsache erklären", fordert der designierte Bremer CDU-Spitzenkandidat.
Die Digitalisierung sowohl der Bremer Verwaltung als auch der Stadt an sich steht dabei ganz oben auf seiner Agenda, neben der Bildungspolitik. Digitale Transformation einer ganzen Stadt? "Natürlich sei es etwas anderes, das eigene Unternehmen zu tranformieren, als eine ganze Stadt auf Vordermann zu bringen". Aber er ist natürlich optimistisch: "Mit einer innovationsfreundlichen Führung und deutlicher Stärkung der Eigenverantwortung können wir auch im Rathaus schnell wieder den Anschluss finden an den technologischen Fortschritt."
Der 57-jährige Geschäftsführer hat es satt, dass es in seiner Heimatstadt so schleppend vorangeht mit der Digitalisierung - und das, wo es "ein großes Potential an fähigen Leuten gibt, in der Wirtschaft und an den Hochschulen sowieso." Doch als Patchwork-Familienvater dreier "noch recht junger Kinder" kennt er auch die Probleme, die aus der lokalen Bildungspolitik erwachsen: "Wir müssen viel mehr tun, um die Kinder an die digitalen Medien und Technologien heranzuführen und endlich den letzten Platz der Pisa-Studien-Auswertung, den Bremen seit Jahren inne hat, hinter uns lassen. Wir brauchen den Nachwuchs - und müssen ihn mehr fördern und fordern."
Er ist überzeugt, dass dafür ein Wechsel an der Spitze der Hansestadtregierung dringend nötig sei - nach Jahrzehnten, in denen sich alles eingeschliffen und in gewisser Weise auch festgefahren hat. Dafür braucht es Erneuerung - und frischen Wind von Außen. Sein Wille, etwas zu verändern und seinen Erfahrungen als Agenturchef einfließen zu lassen, haben ihn zur Kandidatur bewogen.
Wie kommt ein fortschrittlicher Agenturchef eigentlich dazu, sich als Frontmann für die CDU aufstellen zu lassen?
Es ist einfach alles so langatmig geworden hier in Bremen, und wir brauchen dringend einen Wechsel. Wählen alleine genügt mir nicht mehr, ich möchte wirklich etwas verändern. Das aussichtsreichste, um wirklich etwas zu bewegen und zu verändern, ist nun einmal, selbst in die Politik zu gehen. Den großen Parteien traue ich da die meiste Gestaltungskraft zu.
Vor Ihnen haben schon andere externe Kandidaten versucht, die Bremer CDU an die Regierung zu bringen und sind gescheitert. Das ist eine Herausforderung, noch dazu, wenn Sie es mit der Leitung ihrer zukunftsorientierten, agilen und kreativen Agentur vergleichen.
Natürlich ist das etwas anderes, eine ganze Stadt auf Vordermann zu bringen. Bremen wurde jahrzehntelang in einer Art regiert, bei der Innovationsfreudigkeit bisher wenig gefragt war. Aber ich bin mir sicher, dass auch in der Verwaltung das Potenzial dafür da ist. Man muss es nur entsprechend fördern. Das wird tatsächlich eine schwierigere Aufgabe. Das kann ich nicht alleine lösen. Ich vertraue dabei auf den Rückhalt in der Partei, die mir ja auch zutraut, den Umschwung zu schaffen. Ich bin mir sehr sicher, dass ich der Richtige für den Spitzenplatz der CDU bin - auch, wenn ich nicht immer der typische CDU-Wähler war. Und die CDU ist in den Städten längst nicht so konservativ, wie viele meinen.
Woran machen Sie das fest?
Die CDU hier ist wirklich lernbereit und offen, sonst hätten sie sich sicher nicht auf einen Kandidaten von außen eingelassen. Ich bin ein gutes Beispiel dafür: Nach dem Abitur war ich erst einmal Musiker, das war damals meine Hippie-Zeit. Ich habe erst mit 30 mein Faible für die digitale Welt dank einer Umschulung zum IT-Fachmann entdeckt.
Außerdem habe ich mich nicht schon jahrelang in der Politik einer Partei engagiert. Wohl aber für die Entwicklung des Standorts, als Teil des lokalen Unternehmertums liegt mir natürlich etwas daran, die Wirtschaft zu fördern und jungen Leuten eine Perspektive zu geben. So wie ich sie damals eben hatte und wahrgenommen habe. Ich bin also auch nicht unbedingt der typische CDU-Politiker.
Demnach sind sie also nicht das erste Mal ein Quereinsteiger?
Stimmt, immer, wenn ich etwas als für mich das Richtige entdecke, lasse ich mich darauf ein und gehe Veränderungen an. So bin ich auch zur CDU-Kandidatur gekommen.
Und auch, wenn ich aufgrund meiner eigenen Biografie vielleicht hier und da doch eine andere Haltung habe, finde ich meine Ziele in denen der Partei wieder. Und Politik ist auch dafür da, mal um die beste Sache oder Lösung zu streiten. Alles in allem bin ich sehr zuversichtlich und würde mich riesig darüber freuen, wenn ich am 26. Mai auf dem Landesparteitag als Spitzenkandiat der Bremer CDU bestätigt werde.
Ihr unternehmerisches Geschick stellen Sie schon länger unter Beweis. Haben Sie deshalb als Kandidat eine Chance bei der konservativen Partei? Was erwarten Sie sich selbst?
Ich glaube gerade dieses Anwerben eines Externen, mit einem frischen Gesicht, der zudem die Aufbruchstimmung in der Wirtschaft aus eigener Erfahrung kennt und mit einbringen kann, ist ein absolutes Plus für die Partei. Ganz unabhängig davon, was in früheren Wahlkämpfen war. Es gibt jedenfalls für mich eine breite Unterstützung auch aus den Unternehmerkreisen.
Ich bin außerdem sehr zuversichtlich, dass ich aus meiner Agenturerfahrung vieles mit einbringen kann, um die Verwaltung zukunftsfähig zu machen. Auch, wenn das Durchschnittsalter in meiner Agentur derzeit deutlich jünger ist, mit rund 31 Jahren, als das in der bremischen Stadtverwaltung, sehe ich enormes Potenzial. Mit einer besseren, innovationsfreundlichen Führung und mehr Eigenverantwortung können wir schnell den Anschluss wieder finden an den technologischen Fortschritt. Es kommt eben auf die richtige und verantwortungsvolle Leitung an. Und die will ich übernehmen.
Dabei ist die lokale Politikszene vielleicht etwas konsequenter als auf Bundesebene. Ich würde mir wünschen, das Frau Merkel Digitalisierung - wie einige andere Themen auch - zur Chefsache erklärt. Dass die Digitalisierung nun im Kanzleramt aufgehängt ist, ist schon einmal ein richtiger Schritt. Warten wir einmal ab, wie es sich auswirkt.
Ist Digitalisierung bei Ihnen dann also Chefsache - wie sieht das aus?
Wir müssen vor allem die Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört auch, den Standort besser zu verkaufen, zum Beispiel durch eine Vernetzung mit Berlin. Und unsere Kaderschmiede, die Universität, besser zu vermarkten.
Gleichzeitig muss das auch wie schon angesprochen, bei der Schulbildung anfangen - schließlich brauchen wir den Nachwuchs und müssen die Kinder, und zwar Jungs wie Mädchen, dafür begeistern können. Dazu gehört auch, sie in Sachen Datenschutz aufzuklären und sie zugleich zu einer Medienreife zu bringen, mit der sie der digitalen Arbeitswelt aufgeschlossen begegnen können. Zum Beispiel finden sich gerade im Bereich User Experience und Medien spannende Aufgaben, die Frauen und Männer gleichermaßen begeistern können.
Diese Begeisterung für technische Innovationen und die Bereitschaft, sie zu nutzen, braucht auch die Verwaltung. Dazu gehört, alle mitzunehmen und die Einführung von Neuerungen transparent zu machen. Nur dann erreiche ich die Offenheit bei allen, sich darauf einzulassen. Zur Vorbereitung gehört also neben der Bereitstellung der technischen Mittel auch die mentale Einstimmung darauf.
Die Leitung einer Verwaltung unterscheidet sich also nicht von einem Wirtschaftsunternehmen?
Im Prinzip nicht. Allerdings agiert ein modernes Unternehmen weniger hierarchisch. Was bei einer Behörde nun einmal viel mehr gegeben ist: das Durchregieren von oben nach unten.
Das ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um auch in der Verwaltung mehr Kundennähe zu erreichen, wenn man die Bürger als solche betrachtet und die Ämter als Dienstleister.
Als Kommune müssen wir zudem noch schneller und flexibler werden, mit dem, was wir Unternehmen anbieten können. Wenn wir pragmatischer an die Dinge herangehen und auch einmal einfach ein Problem analysieren und eine Lösung ausprobieren, und nach drei Monaten einen Qualitätsprozess damit durchlaufen, können wir das. Wie ein agiles Unternehmen. Da möchte ich auch mit der Kommunalverwaltung hinkommen. Und selbstverständlich ist Digitalisierung etwas, das von Oben gelebt und gefördert werden muss. Dazu gehört auch, mit den Unternehmen zu reden, und sich persönlich darum zu kümmern, dass der Wirtschaftsstandort positiv wahrgenommen wird und Innovationen eine Chance bekommen.
Team Neusta, dessen Geschäftsführer sie sind, ist eines dieser kreativen Unternehmen, die für die neue Wirtschaft stehen. Als Start-up-Schmiede ist Bremen nicht gerade bekannt...
Wir selber fördern zur Zeit 14 Start-ups, da sind wir sicher Vorreiter. Es ist tatsächlich schwieriger, die lokalen Größen, die in Bremen durchaus auf einer Menge 'alten Geldes' sitzen, zu gewinnen. Es ist eben nicht leicht, traditionsbewusste Geschäftsleute davon zu überzeugen, in innovative Neugründungen zu investieren. Aber warum sollte das nicht gehen, wenn man als Stadtregierung die entsprechenden Bedingungen schafft und das Ganze besser vermarktet?
Da spricht der Agenturchef aus Ihnen, das Marketing muss also besser werden. Trägt Ihre Unternehmerposition auch schon im Vorwahlkampf dazu bei, hier Weichen neu zu stellen?
Ich trenne das ganz klar, auch wenn mich der eine oder andere natürlich als Team Neusta Geschäftsführer kennt. Dazu gehört, dass ich als dann tatsächlich aufgestellter Spitzenkandidat meine Position als Geschäftsführer abgeben und nur noch als Gesellschafter am Unternehmen beteiligt sein werde. Das kommuniziere ich immer ganz deutlich gegenüber allen.
Dennoch hilft es, sagen zu können, dass ich aus der Wirtschaft komme und weiß, wie schwer es ist, aus der kleinen Selbständigkeit ein Unternehmen soweit zu bringen, dass wir beispielsweise vergangenes Jahr 100 Leute neu einstellen konnten. Umso mehr setze ich darauf, dass meine Erfahrungen aus der freien Wirtschaft der Regierungsarbeit guttun werden. Auch und gerade, um die Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung zügig voranzubringen.
Das Gespräch führte Susanne C. Steiger
Dieser Beitrag ist eine Veröffentlichung aus ONEtoONE 5/2018.
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