20.03.2000 - Blüht der Web-Community die Besteuerung von Internet-Dienstleistungen?
Die Europäische Union (EU) erarbeitet derzeit eine Regelung über das Abführen von Mehrwertsteuer im Internet-Handel. Geplant ist, dass sich alle Internet-Anbieter aus Staaten außerhalb der Union in der EU registrieren lassen müssen, um bei Lieferungen in die EU die jeweils gültige Mehrwertsteuer an den jeweiligen Mitgliedsstaat abzuführen.
Faktisch ist der Außenhandel beziehungsweise der Import von Waren bereits geregelt: Man bestellt - egal ob telefonisch, schriftlich oder im Internet - die gewünschten Waren, die werden geliefert und landen beim Zoll. Der Empfänger oder ein von ihm beauftragter Zolldeklarent zahlt den Zoll sowie die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt.) in Höhe der Mehrwertsteuer und bekommt seine Lieferung ausgehändigt. Wozu also plant die EU eine neue Regelung? Wolfgang Schiller von der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt in Hamburg sagt gegenüber ONEtoONE: "Meines Erachtens soll es bei dieser Regelung nicht um den klassischen Warenhandel gehen, der in der Tat geregelt ist, sondern um die Dienstleistung im Internet. Denn das Umsatzsteuergesetz bezieht sich auf Lieferungen und sonstige Leistungen - also auch auf Dienstleistungen. Und die fallen momentan durchs Raster. Gemeint ist hier die steuerliche Erfassung von Internet-Leistungen, die nicht unter den körperlichen Warenverkehr fallen wie zum Beispiel Downloads von Programmen oder einfach das Anklicken gebührenpflichtiger Seiten. Hierfür fallen momentan keinerlei Steuern in den EU-Staaten an. Diese Einnahmequelle wollen sich die EU-Staaten aber nicht entgehen lassen."
Dr. Mark Hoenike, Rechtsanwalt bei der Hamburger Kanzlei Feddersen, Laule,Ewerwahn&Scherzberg, Finkelnburg, Clemm, teilt diese Meinung. Hoenike ist der Ansicht, dass das Internet lediglich als zusätzliches Bestellmedium angesehen werden kann. Eine Registrierung der Cyber-Händler könne lediglich statistischen Zwecken dienen. Man müsse aber zwischen Warenlieferungen und sonstigen Leistungen unterscheiden, die letztendlich mit der neuen Regelung abgedeckt werden sollen. Und auch ein Vertreter der Steuerverwaltung Hamburg glaubt: "Das vielbesagte Schlupfloch liegt in den sonstigen Leistungen. Soll heissen, dass bislang Downloads von Büchern, Programmen etc. genau so wenig steuerlich erfasst wurden wie etwa der Handel mit Bildern oder Beratungsleistungen via Chat. Da die Registrierung der E-Commerce-Unternehmen schon rechtlich kaum machbar ist, man also nicht nur registrierten Unternehmen den Zugang zum europäischen Netz gewähren kann, muss man dem Problem anders begegnen. Die aktuellen Gedanken der EU hierzu gehen zur grundsätzlichen Bestimmung des Leistungsortes. Es soll also bestimmt werden, dass der Ort der Leistung der Ort des Leistungsempfängers ist. Hiernach werden dann die Kreditinstitute in die Pflicht genommen, Zahlungen an Internet-Händler zu melden. Man kann davon ausgehen, dass sie dazu verpflichtet werden - ähnlich wie bei der Zinsabschlagsteuer - die direkte Abführung der Mehrwertsteuer an den Staat zu übernehmen."
Fazit: Drei Interview-Partner - eine Meinung. Alle drei glauben übrigens auch, dass die Registrierung der Internet-Händler in der Union den Zweck der zusätzlichen Steuereinnahmen nicht erfüllen und Zugangsbeschränkungen rechtlich nicht haltbar sind. Außerdem widersprächen sie natürlich auch dem Sinn des World Wide Web. Die neue Regelung wird aber noch lange auf sich warten lassen, denn wenn die EU sich tatsächlich bis zum Sommer 2000 einigt, müssen die einzelnen Mitgliedsstaaten diese hinterher noch in nationales Recht umwandeln - und das dauert. Und selbst dann wird wohl noch das eine oder andere Schlupfloch bleiben: Zum Beispiel die Freigrenzen beim privaten Reiseverkehr.
Diese besagen, dass man bis zu einmal täglich Waren bis zu einem Wert von 350 Mark aus dem außereuropäischen Ausland nach Deutschland einführen darf. Diese Waren müssen sich im persönlichen Gepäck befinden und zur eigenen Verwendung bestimmt sein. Ergo muss ein Download aus Websites, die in Nicht-EU-Ländern gehostet werden, auch nach Einführung der neuen Regelung steuerfrei sein - wird ein Download doch kaum einen Wert von 350 Mark überschreiten. cb
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