The Show must go online

18.03.1999 - Ob Staats- oder Privattheater, ob Dreispartenhaus oder Experimentierbühne, der Gang der Theater ins Internet ist nicht mehr aufzuhalten. Allein 255 Ensembles verzeichnet die Suchmaschine Yahoo. Tendenz steigend.

Die Qualität der Sites ist unterschiedlich, der Auftritt vor allem eine Kostenfrage. Meist stehen nur geringe Budgets zur Verfügung. Vorhandene Mitarbeiter müssen sich zusätzlich engagieren. In der Deutschen Oper Berlin werden die neuen Aufgaben z.B. von Presseabteilung, Dramaturgie und Kartenvertrieb "nebenbei wahrgenommen". Petra Mai, Presseabteilung Hamburger Thalia Theater, beklagt, daß das Internet neben einer Menge Spaß "auch viel Arbeit macht", denn: "Man muß eben wirklich aktuell jeden Tag dransitzen, damit es wirklich auch das bringt, was man sich wünscht."

In der Regel wird der Auftritt von einer Agentur realisiert und dann inhouse aktualisiert. Eine kombinierte Lösung aus Redaktion im Theater und technischer Betreuung outhouse hat u.a. das Schmidt Theater in Hamburg gewählt. Der Spezialist im Haus ersetzt den Webmaster. Am Niedersächsischen Staatstheater Hannover haben zwei hauseigene Maschinentechniker die Site nach den Vorstellungen der Öffentlichkeitsarbeit umgesetzt. Für die Hamburger Kammerspiele entwickelte Ekkehart Opitz, früher für die Abonnenten zuständig, mit seiner neuen Agentur Salon Digital den Internet-Auftritt. "Dann weiß man natürlich genau, wie die Bedürfnisse sind und wo das hingeht", so Marketingchefin Susann Rollgeiser.

Hauptsächlich wird das Internet als Verbreitungsmittel für Informationen verstanden, erst in zweiter Linie als Vertriebsweg oder Werbefläche, wobei die Privattheater ihre Page naturgemäß eher kommerziell ausrichten als die Staatstheater. So sieht die Deutsche Oper Berlin im Internet erst "mit riesengroßem Abstand den Verkauf". Das subventionierte Stadttheater Oberhausen will hingegen im Netz auf spielerische Art werben. Auch das Thalia Theater steht Werbung offen gegenüber, vorausgesetzt, "sie paßt zum Image des Hauses", so Pressereferentin Kirsten Kadenbach.

"Das Medium wird immer wichtiger", ein Auftritt im Internet "gehört einfach dazu", meint das Landestheater Linz. "Am Ball bleiben", gibt Jürgen Priebe als Grund für das Schauspiel Nürnberg an, sich im Internet zu präsentieren. Viele wie die Deutsche Oper Berlin begreifen das Internet als Investition in die Zukunft. Neue Publikumsschichten wollen das Nationaltheater Mannheim und die Berliner Schaubühne gewinnen. Die Landesbühnen Sachsen erwarten allerdings keine neuen Abonnenten via Net, denn das traditionelle Publikum nutzt das Medium nicht. Marco Malavasi, Staatsoper Unter den Linden, will durch das Internet schneller und nonstop informieren. Das Schauspiel Leipzig erhofft sich "effizienteres Arbeiten inhouse".

Das Angebot wird angenommen. Das Theater an der Ruhr mit 189 Sitzplätzen verbucht 1.500 Visits im Monat, das Theater Oberhausen (440 Sitzplätze) schon über 8.000. Bis zu 15.000mal wird das Berliner Renaissance-Theater, Vorreiter bei der Online-Reservierung, angeklickt. Der monatliche Kartenverkauf via Web bewegt sich jedoch bei etwa einem Prozent des Gesamtumsatzes. Möglicher Grund: Wer per E-Mail ordert, erhält noch lange nicht überall eine Bestätigung auf demselben Weg. Oft muß mehrfach hin und her telefoniert werden, weil die gewünschten Plätze schon vergeben sind. Ein Feedback erhält der Kunde meist nur zu üblichen Kassenöffnungszeiten. Zudem sind Karten lange vor dem Veranstaltungstag abzuholen. Die Hamburgische Staatsoper verlangt für die Zusendung sogar eine Gebühr von 10 DM. Der Kunde spart also weder Zeit noch Geld. Die technischen Voraussetzungen für die Online-Buchung inklusive Bezahlung und Platzwahl fehlen an vielen Häusern, sollen aber zügig eingeführt bzw. optimiert werden. Richtungweisend sind die Bestellsysteme der Berliner Opernhäuser. Bezahlt werden kann per Scheck, Überweisung, Kreditkarte oder auch direkt an der Abendkasse.

Der Trend geht von der Imageseite zur interaktiven Plattform mit zusätzlichen Serviceangeboten. So hat das Thalia Theater einen Presse- und Fotodienst, Musikproben liefert das Theater des Westens. Das Schmidts überträgt live und beim Maxim Gorki Theater kann man shoppen. Das Staatstheater Hannover bietet u.a. Chats zu aktuellen Inszenierungen mit Regisseuren und Schauspielern. User können sogar eine Theaterbegleitung suchen. Die Site von Buddy wartet mit einer Jobbörse auf.

"Ich denke, daß die interaktive Kommunikation zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Kulturszene wird respektive werden muß", meint Ulrike Steffel vom Nationaltheater Mannheim. Für "zur Zeit noch nicht signifikant, aber zukunftsträchtig" hält Claudia Fromm von der Deutschen Oper am Rhein das Web. Die Kammerspiele wollen deshalb in Kürze ihren Service um Hotelpakete erweitern. Ein schönes Schlußwort liefert Malavasi: "Die Kombination von Oper als traditionelle Kunstform und der interaktiven Kommunikation als innovative Kraft der Neuzeit ist für uns eine geeignete Verbindung der beiden tragenden Pole unserer Tätigkeit als Kulturschaffende am Ende des 20. Jahrhunderts: Tradition und Innovation.“

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