19.04.1999 - "Die Hälfte meiner Werbeausgaben ist nutzlos. Wenn ich nur wüßte, welche Hälfte, könnte ich eine Menge Geld sparen", sagte einst Henry Ford.
Von Carsten Kraus
Recht hatte er - damals! Heute können Sie durch Database Marketing die Frage nach der sinnvollen Hälfte recht genau beantworten. Diese Art der Datenbetrachtung nennt sich "Cutoff-Analyse". Dabei werden die Adressen mit dem geringsten Kaufpotential aussortiert und nur die kaufträchtigeren angeschrieben. Klingt einfach, doch Vorsicht: Statistische Verfahren sind immer nur statistisch richtig.
Wenn man einen Cutoff bei 50 Prozent macht, also die Hälfte einspart, wird man nicht nur Nichtkäufer aussortieren, sondern auch einen gewissen Teil Käufer - der Umsatz sinkt also, selbst wenn die besten statistischen Verfahren angewendet werden. Er sinkt aber bei richtiger Anwendung weniger als die Werbekosten, bei 50 Prozent Cutoff werden Sie vielleicht 5 Prozent bis 30 Prozent Umsatz einbüßen; die genauen Werte hängen von Ihren Daten und der Qualität der Analyse ab.
Damit Sie nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, sollten Sie auch Ihre Deckungsbeiträge in Betracht ziehen: Wenn Ihr Mailing an Eigenadressen bisher den 5fachen Deckungsbeitrag des Werbeeinsatzes brachte, agieren Sie bitte vorsichtig! 50 Prozent Kosteneinsparung ist dann bei z.B. 20 Prozent Umsatzeinbuße ein schlechtes Geschäft für Sie. Machen Sie in solchen Fällen lieber einen kleineren Cutoff, z.B. 15 Prozent bei vermuteten 2 Prozent Umsatzeinbuße. (Alle Zahlen sind nur Beispiele!).
Nicht jedes Mailing hat das Ziel, direkt Umsatz zu machen - selbst beim Anschreiben von Eigenadressen. Dann können Sie nicht Ausgaben gegen Bestellumsatz rechnen. Überlegen Sie hier, wieviel Ihnen ein Lead wert ist: Legen Sie einen Betrag fest (!), und bestimmen Sie so Ihre Cutoff-Schwelle. Überlegen Sie auch, wie viele Interessenten Sie weiterbearbeiten können (Außendienst-Engpaß etc.). Alternativ können Sie hier festlegen, daß Sie nur eine bestimmte Anzahl Mailings verschicken. Eine Cutoff-Analyse hilft Ihnen dann, die reaktionsträchtigsten auszusuchen.
Welche Daten werden analysiert? Bei der Analyse von Eigenadressen spielen im Consumer-Bereich die Verhaltensdaten eine größere Rolle als soziodemographische Daten wie Wohntypus oder Alter. Gemeinhin wird als wichtigstes Kriterium die Zeitdauer seit dem letzten Kauf angesehen, auf DB-Marketing-Englisch "Recency" genannt. Weitere wichtige Faktoren sind Bestellhäufigkeit ("Frequency") und Umsatz ("Monetary Value"). Zusammen nennt man eine Analyse auf der Basis dieser Daten RFMV-Analyse. DB-Marketing-Gurus verkünden, die RFMV-Analyse sei "out". Und sie haben recht: An der vordersten Modefront marschieren Sie damit nicht. Aber Sie wollen ja keinen Preis für die innovativste Analyse gewinnen, sondern Käufer. Eine Analyse nur auf der Basis dieser Daten ist verhältnismäßig unaufwendig und bringt in der Regel schon einen sehr großen Sprung in der Mailing-Effizienz.
Mit welchen Verfahren analysieren? Die klassische RFMV-Analyse besteht aus einer einfachen Punktevergabe für die drei Grössen R, F und MV. Zum Beispiel bekommt ein Kunde 10 Punkte, wenn er innerhalb der vergangenen drei Monate zuletzt bestellt hat, 6 Punkte, wenn es drei bis sechs Monate her ist, und 4 Punkte für bis zu 12 Monate. Genauso verfährt man mit den Faktoren F und MV. Am Schluß werden alle Punkte eines Kunden summiert, und man schreibt z.B. die 20 Prozent Kunden mit den wenigsten Punkten nicht an.
Den Punktwert können Sie sich nun a) überlegen, b) einem Beispiel aus der Literatur entnehmen oder c) anhand vergangener Erfahrungen oder anhand von Testmails mit statistischen Verfahren errechnen. Wenn Sie sich für c) entscheiden, müssen Sie ohnehin aufwendige Statistik anwenden. Statt dessen können Sie auf Ihren RFMV-Daten auch mit dem CHAID-Verfahren eine Segmentierung in ertragsträchtige und weniger erfolgversprechende Segmente durchführen. CHAID ist recht einfach anzuwenden, wenn die Datenmenge groß genug ist.
Grundsätzlich vernachlässigen solche Auswertungen natürlich die Käufertypologie wie Schnäppchenjäger oder Saisonkäufer (die z.B. nur Weihnachtsgeschenke bestellen). Doch bevor Sie mit Kanonen auf Spatzen schießen, fragen Sie sich, ob aufwendige Analysemethoden wirklich notwendig sind. Wenn Sie ohnehin nur 20.000 Mark im Jahr für Mailings aufwenden, lohnt es sich nicht, einen Statistiker einzustellen, der Ihnen mit hochkomplizierten Verfahren die Hälfte davon einspart.
Trotzdem können Sie mit einfachen Methoden erste Schritte zu mehr Mailing-Effizienz gehen. Wichtig ist nicht, das beste, anerkannteste und modernste Verfahren einzusetzen, das gerade bei Großversandhäusern frisch eingeführt wird; sondern, pragmatisch Kosten und Nutzen gegenüberzustellen - und dann zu handeln. Fangen Sie beim nächsten Mailing damit an!
br> Carsten Kraus ist Geschäftsführer der Pforzheimer Omikron und der HDC Harvestehuder Dataconsult in Hamburg
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