Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt in mancher Hinsicht durcheinander gerüttelt und alte Gewissheiten auf den Prüfstand gestellt. Ganz oben auf der Liste: Produktiv und engagiert kann man nur im Büro arbeiten. Bereits im ersten Lockdown haben ArbeitnehmerInnen vielerorts das Gegenteil bewiesen und waren in ihren eigenen vier Wänden zum Teil sogar wesentlich leistungsfähiger - von den Vorteilen für die Work-Life-Balance ganz zu schweigen. Nun ist wieder ein Gegentrend zu beobachten.
Eine Umfrage unter Mitgliedern des Karrierenetzwerks LinkedIn
zeigt, dass Flexibilität bei Jobsuchenden weiterhin allerhöchste Priorität hat. Sie wollen die Freiheit haben, selbst zu wählen, wann und wo sie arbeiten. Erst dahinter folgen die Vergütung, die Work-Life-Balance und der Wunsch nach anspruchs- und wirkungsvollen Tätigkeiten.
Remote Work: Hohe Nachfrage trifft auf niedriges Angebot
Gleichwohl scheint die Begeisterung auf Arbeitgeberseite nicht so hoch zu sein wie auf Arbeitnehmerseite. Das wird beim Blick auf die Anzahl der Remote-Jobs deutlich: Während der Pandemie erreichte die Zahl der entsprechenden ausgeschriebenen Stellen in Deutschland mit 14 Prozent im Juli 2021 ihren Höchststand (vor der Pandemie haben Remote Jobs in Deutschland weniger als 1 Prozent ausgemacht). Im September 2022 waren es nur noch 10 Prozent. Gleichzeitig zeigen die Auswertungen aber, dass diese Stellen aber konstant mehr als ein Fünftel aller Bewerbungen erhalten, im September 2022 waren es zum Beispiel 22 Prozent der Bewerbungen.
Diese Diskrepanz zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberwünschen ist in Deutschland im Vergleich zu manchen anderen europäischen Ländern besonders ausgeprägt, auch wenn man überall eine Diskrepanz sehen kann, so die Studienautoren. So waren in Frankreich beispielsweise im September 6 Prozent der ausgeschriebenen Stellen remote, die 9 Prozent der Bewerbungen erhielten. In den Niederlanden lag das Verhältnis bei 6 zu 15 Prozent und in Schweden bei 7 zu 11 Prozent. Nirgendwo ist das Interesse an Remote-Stellen allerdings so hoch wie in den USA: Die 15 Prozent der Positionen, die im September als solche gekennzeichnet waren, haben mehr als die Hälfte der Bewerbungen erhalten, nämlich 51 Prozent.
Die aktuelle Entwicklung zeigt einen klaren Konflikt zwischen den Vorstellungen und Wünschen von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden. Momentan befinden wir uns laut Erhebung noch in einem ArbeitnehmerInnen-freundlichen Arbeitsmarkt, in dem es relativ viele offene Stellen und nicht immer viele BewerberInnen gibt, d.h. Jobsuchende haben gerade noch eine gute Verhandlungsposition und können Flexibilität teilweise einfordern. Das könne sich in den nächsten Monaten aber ändern.