Customer Experience

CX-Score Trucks und LKWs: Viel Verbesserungspotenzial

16.10.2023 - Im B2B-Markt nähert sich die Customer Journey in vielen Bereichen der B2C-Welt an. Wie es um das digitale Markenerlebnis im Trucker-Markt bestellt ist, zeigt der aktuelle Customer-Experience-Score.

von Susan Rönisch

Gewinner im Ranking um die beste digitale Customer Experience (CX) der B2B-Branche Trucks und LKW sind die beiden deutschen Nutzfahrzeughersteller MAN   und Mercedes Benz   . Beide Konzerne führen das CX-Ranking mit einem Gesamt-Score von 65 an. Auf Platz zwei folgt der schwedische LKW-Hersteller Scania   mit einem Score von 53. Rang drei teilen sich mit einem Score von jeweils 50 die Truck-Hersteller Volvo   , IVECO   , DAF   und Renault   .

Der CX-Score bildet den digitalen Reifegrad deutscher Markenauftritte von Herstellern verschiedener Branchen ab. Explizit geht es um die Umsetzung der Customer Experience (digitale Kundenerlebnisse) der analysierten Unternehmen. Der CX-Score untersucht in den Bereichen passive CX (alles, was der Kunde oder die Kundin an Informationen konsumieren kann), aktive CX (alles, an dem die Kundin oder der Kunde sich aktiv beteiligen kann) und Point of Sale (alle Services und Angebote rund um den Onlineshop), inwieweit verschiedene Funktionalitäten bereits vorhanden sind, um eine gute digitale Kundenbeziehung aufzubauen. Der Maximalwert von 100 wird erzielt, wenn in diesen drei Bereichen alle Funktionalitäten vorhanden sind.


Der durchschnittliche CX-Score der 14 umsatzstärksten B2B-Hersteller von Trucks und LKWs liegt deutlich hinter den bisher untersuchten Branchen zurück. Das bedeutet, bei der digitalen Customer Experience haben sämtliche Hersteller wachsend Luft nach oben, denn auch im B2B-Markt nähert sich die Customer Journey in vielen Bereichen stark der B2C-Welt an. So zeigt eine McKinsey   -Studie, dass etwa 80 Prozent der B2B-EntscheiderInnen, angetrieben durch die Corona-Pandemie, mittlerweile den digitalen Kontakt zu VertriebsmitarbeiterInnen suchen oder auf Websites und anderen Kanälen selbst aktiv nach Informationen und Produkten suchen.

Schon im Vorfeld recherchieren B2B-EntscheiderInnen viel online. Erst dann stellen sie eine Anfrage. Im Unterschied zum gelernten B2C-ECommerce findet der Abschluss dann allerdings jedoch häufig noch nicht digital statt. Die Kaufanbahnung entwickelt sich also zunehmend analog zu B2C, im finalen Prozess der Kaufentscheidung sind die Unterschiede jedoch verschieden. Die Annäherung an gelernte B2C-Mechanismen bedeutet für B2B-Unternehmen, dass sie viel Know-how aufbauen müssen. Das belegt der aktuelle CX-Score, der erstmals einen B2B-Bereich unter die Lupe genommen hat.



In B2B-Unternehmen rücken zunehmend jüngere Generationen auf Entscheiderposten. Laut einer Studie von DHL Express   entfallen bereits 73 Prozent der B2B-Kaufentscheidungen auf technik- und digital-affine Millennials. Bis 2025 werden 80 Prozent aller B2B-Geschäfte zwischen LieferantInnen und professionellen EinkäuferInnen über digitale Kanäle erfolgen, so eine Prognose von Gartner   . "Wenn die Babyboomer in den Ruhestand gehen und die Millennials in wichtige Entscheidungspositionen aufsteigen, wird ein digitales Kaufverhalten zur Norm", sagt Cristina Gomez , Managing Vice President für die Gartner Sales Practice. Anders als bisher sind VertriebsmitarbeiterInnen dann nur noch einer von vielen möglichen Vertriebskanälen. Laut der Gartner-Analyse bevorzugten 44 Prozent der Millennials in Entscheiderpositionen bereits einen B2B-Verkaufsprozess ohne direkten Kontakt zu VerkäuferInnen. Die digitale Customer Journey gewinnt damit auch im B2B-Marketing immens an Bedeutung. Produkte und Dienstleistungen sollten daher digital so präsentiert werden, wie es bereits im B2C-ECommerce gängig ist.

Ganz ordentlich aufgestellt sind zumindest die Top-Performer der LKW-Branche bei ihren Angeboten rund um passive Customer-Experience-Elemente, also in den Bereichen, bei denen die Konsumentin bzw. der Konsument keine aktive Rolle spielt (CX-Passiv). CX Passiv bestimmt quasi die Aktivitäten, in denen Kundinnen und Kunden Zielgruppe von Unternehmensaktivitäten sind (z.B. Informationen konsumieren über Magazin oder Blog). Alle untersuchten Hersteller erreichen jedoch nur einen durchschnittlichen Score von 54. Das zeigt deutlich, dass die Angebote rund um die untersuchten passiven CX-Faktoren bei vielen Herstellern stark ausbaufähig sind. Deutlich unterrepräsentiert sind über die gesamte Branche hinweg beispielsweise Angebote, die sich nicht vor allem an BestandskundInnen richten, wie Vorteils- oder Loyalty-Programme.



Das private Einkaufserlebnis im Amazon-Shop prägt mittlerweile auch den beruflichen Beschaffungsprozess, dies zeigt die ECC-Studie "Das B2B-Geschäft unter B2C-Druck   ". Demnach erwarten 86 Prozent der 250 befragten B2B-BeschafferInnen bei ihren beruflichen Einkäufen die gleiche Customer Experience wie bei privaten Einkäufen. Mehr als drei Viertel stellen langfristig sogar die Wettbewerbsfähigkeit von B2B-Onlineshops in Frage, wenn sie sich nicht an die Experience im B2C-Bereich annähern. "Auch im B2B-Handel wünschen sich Einkäuferinnen und Einkäufer eine vergleichbare Usability der Onlineshops wie im B2C-Bereich", erklärt Michael Mertens, Senior B2B Commerce Experte beim IFH Köln.

Entsprechend sollten untersuchte Hersteller einen Blick auf ihre Angebote rund um ihre digitalen Verkaufsangebote werfen. Hier besteht Verbesserungspotenzial. Die große Mehrheit der Hersteller hat keinen vollumfänglichen Onlineshop in seinen Markenauftritt integriert. Diese Unternehmen setzen beim Verkauf weiterhin auf den Handel. Der digitale Markenauftritt dient hier als virtuelles Schaufenster für die Fahrzeuge. Eine Händlersuche/Übersicht hingegen und ausführliche Produktdetails hat jeder untersuchte Onlineauftritt.

Mit 48 Punkten fällt der durchschnittliche Score in punkto digitaler POS in der Branche Trucks verhältnismäßig niedrig aus. Die Hälfte der untersuchten Unternehmen erreicht nicht einmal die Hälfte des möglichen Scores. Wenn diese Unternehmen ihren CX-Score steigern wollen: Ein Blick auf ihren jeweiligen Onlineshop lohnt sich auf jeden Fall.



Das Potenzial für den B2B-Internethandel ist riesig, wie Wachstumsprognosen für den deutschen B2B-Commerce-Markt zeigen. Dieser erreichte 2022 in Deutschland laut dem 'B2B-Marktmonitor'   des ECC Köln (in Zusammenarbeit mit Intershop, Adobe und Creditreform) ein Volumen von knapp 1,672 Billionen Euro. Damit wurde ein Viertel des B2B-Gesamthandelsumsatzes über Onlinekanäle realisiert - vor allem via EDI (Electronical Data Interchange), aber zunehmend auch über Onlineshops und Marktplätze. Im Vergleich zum Vorjahr ist der B2B-Internethandel (ohne EDI) der Hersteller und Großhändler 2022 um knapp zehn Prozent gewachsen und verzeichnete einen Gesamtumsatz von 427 Milliarden Euro netto. Für 2023 prognostiziert die Studie einen Anstieg auf 493 Milliarden Euro netto.

In allen Branchen hat der B2B-Internethandel 2022 zweistellige Wachstumsraten verzeichnet. Die Fahrzeug-Branche (inklusive KFZ-Teile und Fahrräder) wuchs allein um 16,3 Prozent. Bei diesem Ergebnis ist es schon verwunderlich, dass der Blick in die Einzelauswertung des CX-Scores zeigen, dass die Truckbranche den aktiven CX-Bereich, in denen Fahrer und Fahrerinnen selbst aktiv werden können, stark vernachlässigt. Der Durchschnittsscore, der die aktiven CX-Faktoren bewertet, liegt im Gesamtranking bei mageren 23 von 100 möglichen Punkten. Lediglich Mercedes-Benz Trucks erreichen in dieser Erhebungs-Kategorie einen Score von 64. Um ihren B2B-KundInnen ein exzellentes Erlebnis zu bieten, müssen die meisten untersuchten Unternehmen ihre Angebote vor allem in dieser Teilkategorie verbessern. Zu den aktiven Faktoren gehören Funktionen wie Chat, Feedback-Systeme, Umfragen und Erfahrungsberichte durch FahrerInnen. Und hier klaffen eklatante Lücken in der digitalen Customer Experience.



Gerade im B2B-Bereich kann der Kundenservice ein Alleinstellungsmerkmal darstellen, dazu beitragen, sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Dabei geht es nicht nur um Problemlösungen und Reparaturservices, wie etwa Julia Bezold von der Beratungsfirma FIS Informationssysteme und Consulting   betont: "Services finden an vielen Stellen entlang der Customer Journey statt, vor, während und nach dem Kauf." Gerade B2B-Unternehmen stehen im engen Austausch mit ihren KundInnen, wissen sehr genau, welche Services diese benötigen. Diese Professionalität und Service Experience muss deshalb auch im Digitalen exzellent sein, betont die Expertin. Ziel müsse es sein, den KundInnen positive Erfahrungen zu bieten, proaktiv zu interagieren, "und nicht erst am Ende, wenn das Problem auftaucht", so Bezold.

Über die gesamte Customer Journey hinweg könnten B2B-Unternehmen so eine langfristige Kundenbindung aufbauen und durch positive Bewertungen neue KundInnen gewinnen. Dazu beitragen können digitale Technologien im Kundenservice wie Chatbots, Wissensdatenbanken, Künstliche Intelligenz, Augmented Reality (AR) sowie Self-Service-Portale, wo KundInnen zentral Daten und Produkte verwalten und konfigurieren.


Über den CX-Score

Die Customer Experience nimmt für Marken, Hersteller und ECommerce-Treibende mittlerweile eine zentrale Rolle ein. Dabei macht ein wirklich gutes Kundenerlebnis weit mehr aus als den Kundenservice und einen reibungslosen Kaufprozess. Vor diesem Hintergrund veröffentlicht Voycer in Zusammenarbeit mit dem Institut für Marketing der Ludwig-Maximilians-Universität München   und iBusiness regelmäßig den Customer Experience(CX)-Score.

Der CX-Score bildet als Branchenstandard den digitalen Reifegrad deutscher Markenauftritte von Herstellern verschiedener Branchen ab. Der CX-Score gibt detailliert Aufschluss darüber, inwieweit Hersteller und Marken aus Sicht der KundInnen die digitalen Voraussetzungen für eine gute Kundenbeziehung geschaffen haben.

Der Gesamtscore, der maximal bei 100 Punkten liegt, setzt sich aus dem Durchschnitt drei untersuchter Kategorien zusammen:
  • CX Passiv bestimmt die Aktivitäten, in denen Kundinnen und Kunden Zielgruppe von Unternehmensaktivitäten sind (u.a. Newsletter, Magazin/Blog, Beratung, Social Media-Integration).
  • CX Aktiv sind die CX-Faktoren, bei denen Kundinnen und Kunden selbst tätig werden können (u.a. Chat, Feedbackformulare, Produktbewertungen).
  • Die Teile des digitalen POS bewerten die eigentlichen Verkaufsaktivitäten (u.a. Onlineshop, Sortimentstiefe, Händlersuche).

In den drei Bereichen wird eine Vielzahl vordefinierter Funktionen und Angebote untersucht, bei denen unterschiedlich gewichtete Punkte vergeben werden.

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