Crosschannel-Marketing

"Wichtig ist das differenzierte Pricing für einzelne Kanäle"

26.11.2020 - Wer online über mehr als Kanal verkauft, muss eine sehr differenzierte Kommunikation betreiben. Im Interview plaudern Dr. Stephan Roppel (baby-walz) und Peter-Timo Schäfer (Versandhauses Walz) über Prozessprobleme, Kanaldynamik und Preisdifferenzierung im E-Commerce.

von Joachim Graf

Mit seinen rund 250 Millionen Euro Umsatz gehört der Crosschannel-Händler Versandhaus Walz   zu den Großen im deutschen E-Commerce und wäre rechnerisch unter den Top-100   vertreten. Es vereint die Tochtergesellschaften baby-walz GmbH und Walz Leben & Wohnen GmbH. Darüber hinaus ist die DVM Marketing & Werbung GmbH   als dritte Tochtergesellschaft im Bereich der Neukundengewinnung tätig, unter anderem durch Paket- und Katalogbeilagen, E-Mail-Marketing sowie Listbroking.

Wir wollten im Doppelinterview wissen, wie sich das Kanal übergreifende Handelsmarketing in den kommenden jahren verändert. Dr. Stephan Roppel , Geschäftsführer von baby-walz   und Peter-Timo Schäfer , Geschäftsführer von Leben und Wohnen innerhalb des Versandhauses Walz. Die Sparte Leben und Wohnen führt die Marken Die moderne Hausfrau   sowie das Sanitätshaus walzvital   .

Das Versandhaus Walz hat sich stark verändert. Verstehen Sie sich als Versandhändler, Onlinehändler mit Filialen oder Crosschannel-Händler?

Customer Service wird dynamischer: Kunden erwarten heute eine schnelle Reaktion.
(Peter-Timo Schäfer , Geschäftsführer, Walz Leben & Wohnen GmbH)
Peter-Timo Schäfer , Geschäftsführer, Walz Leben & Wohnen GmbH (Bild: Walz) Bild: Walz

Stephan Roppel: Wir sind Händler, und zwar auf allen Kanälen, auf denen unsere Kunden uns finden möchten, aktuell sind das bei baby-walz unsere Ladengeschäfte und E-Commerce - dieser auf einer Vielzahl digitaler Plattformen und Endgeräte. Wahrscheinlich wäre Omnichannel dafür der richtige Begriff.

Peter-Timo Schäfer: Unsere Marken "Die Moderne Hausfrau" und "walzvital" kommen ursprünglich aus dem Katalogversand ; wir verschicken immer noch jeden Monat mehr als zwei Millionen Kataloge in sechs europäische Länder. Aber wir sind schon lange kein reiner Printversender mehr sondern bedienen eine Vielzahl von Vertriebs- und Marketingkanälen. Der E-Commerce Anteil über unseren eigenen Webshop liegt bei ca. einem Drittel. Dazu kommen verschiedene Online Marktplätze sowie eigene Teleshopping Shows. - aber solange unsere Kunden die Kataloge nachfragen, bleibt dieser Kanal für uns strategisch wichtig.

Welche internen Prozessprobleme gilt es zu bewältigen, wenn man Kanal-übergreifend mit Kunden umgeht?

Schaefer: Zunächst gilt es, die Disposition zu managen und die Warenverfügbarkeit sicherzustellen. Wir nutzen Prognosemodelle für die Bedarfe pro Produkt und pro Kanal. Durch unseren Fernostimport und lange Leadtimes ist das schon in normalen Zeiten komplex. In den Corona Peak Monaten konnten wir unsere Lieferfähigkeit glücklicherweise durch schnelles Handeln sicherstellen: Wir hatten uns damals bereits im Februar zusätzliche Ware gesichert - weil wir davon ausgingen, dass China als Lieferant ausfallen könnte. Somit konnten wir nahezu die komplette Mehrnachfrage bedienen.

Roppel: Ein zusätzlicher Aspekt ist das dynamische und differenzierte Pricing für die einzelnen Kanäle. Katalogpreise, die einmal gedruckt sind, lassen sich nicht kurzfristig anpassen, in Filialen sind Preisänderungen ebenfalls aufwändig - im Onlinehandel sind dagegen täglich oder sogar häufiger angepasste Preise Standard.

Welche Rolle spielt die unterschiedliche Dynamik der Kanäle?


Roppel: Die Reaktionsgeschwindigkeit ist im Filialgeschäft natürlich wesentlich langsamer, da wir ja physisch umdekorieren oder umstellen müssen. Bestimmte Marketingaktionen lassen sich daher online in der Regel schneller umsetzen. Jeder Kanal braucht darüber hinaus spezifischen Content. Im Katalog präsentieren wir die Waren anders als online oder im Regal. Aber in allen Fällen spielt das Visuelle eine große Rolle.

Jeder Kanal braucht spezifischen Content. Aber in allen Fällen spielt das Visuelle eine große Rolle.
(Dr. Stephan Roppel , Geschäftsführer, baby-walz)
Dr. Stephan Roppel , Geschäftsführer, baby-walz (Bild: Walz) Bild: Walz

Schaefer: Aber auch der Bereich Customer Service wird dynamischer: Kunden erwarten heute eine schnelle Reaktion, E-Mails müssen möglichst am selben Tag beantwortet werden. Außerdem gilt es permanent, die Bewertungsplattformen im Auge zu behalten und dort als Unternehmen möglichst schnell und authentisch auf Kritik zu reagieren.

Online-Retouren im Shop zurückgeben; im Laden beraten und online kaufen - wie kann das gelingen?

Roppel: Wir zeigen, dass es funktioniert. Denn wenn etwa ein Produkt in der Filiale vor Ort nicht vorrätig ist, kann es dort direkt an einem Online-Terminal bestellt werden. Dann war der Weg des Kunden in den Laden nicht vergebens und er muss die Ware auch nicht selbst nach Hause tragen. Gleichzeitig hatte unser Team einen persönlichen Kontakt und konnte den Kunden von der Beratungsqualität und vom Service überzeugen.

Schaefer: Bei "Die moderne Hausfrau" kommen immer noch 70 Prozent des Umsatzes über Offline-Kanäle, das heißt schriftlich, per Telefon oder per Fax. Bei babywalz ist das Verhältnis umgekehrt.

Welcher Kanal ist lukrativer: online oder offline?

Roppel: Das hängt davon ab, welche Faktoren man betrachtet. Ein Kunde in der Filiale ist nicht ganz so preisorientiert wie der typische Online-Käufer, und nimmt gerne noch einen Zusatzartikel mit. Daher sind die Margen im Filialgeschäft in der Regel etwas größer. Auf der anderen Seite sind hier die Fixkosten deutlich höher. Erst im Zusammenspiel der jeweiligen Stärken ergibt sich ein attraktives Geschäftsmodell.

Wie lösen Sie das Problem, digital kompetente Mitarbeiter zu gewinnen?


Roppel: Das war für uns bisher noch kein Problem. Wir sind in dieser Hinsicht ein durchaus attraktiver Arbeitgeber, weil wir Mitarbeitern etwas zu bieten haben: agile Methoden, eine vielfältige Systemlandschaft mit diversen Best-in-Class Tools und permanenter Weiterentwicklung.

Schaefer: Wir bilden jedes Jahr 20 Mitarbeiter in digitalen Berufen aus und in der Regel werden alle von uns übernommen. Aufgrund unserer Unternehmensgröße können wir Mitarbeitern ein hoch professionelles Arbeitsumfeld in vielen Bereichen bieten. Andererseits sind wir flexibel genug, Mitarbeitern auch einen Wechsel zwischen Abteilungen und Tochterunternehmen zu ermöglichen - dort können sie schnell Verantwortung für neue digitale Projekte übernehmen und sich dort beweisen.

Verändert Corona bei Ihren Kunden das Einkaufsverhalten?

Roppel: Ja, sehr. Im E-Commerce sind die Visits deutlich gestiegen und dennoch bleibt die Conversion Rate stabil. Es wird insgesamt mehr gekauft, d.h. die Warenkörbe der einzelnen Kunden sind größer, und es wird weniger retour gesendet. Wir haben den Eindruck, dass die Kunden bewusster und gezielter kaufen. Spontankäufe haben nach der vorübergehenden Schließung unserer Filialen naturgemäß nachgelassen, dafür wird aber pro Kunde mehr gekauft. Wir haben einmal mehr gespürt, dass unsere Marken für unsere Kunde ein vertrauenswürdiges Umfeld bieten - gerade in unsicheren Zeiten ist das ein Anker.

Schaefer: Sowohl baby-walz als auch "Die Moderne Hausfrau" und walzvital haben insofern von der durch Corona bedingten Ausnahmesituation profitiert. Unser Geschäft hat sich als absolut krisenresistent erwiesen, was uns sehr freut.

Wie sieht für Sie das Jahr 2025 aus?

Schaefer: Das Versandhaus Walz wird mit seinen Produkten bis ins Jahr 2025 vermutlich noch mehr Kanäle und deutlich mehr Länder bedienen. Vielleicht werden wir sogar die Anzahl unserer Marken weiter ausbauen. Die Gesamttendenz geht in jedem Fall mehr in Richtung Onlinehandel.

Roppel: Bei baby-walz werden wir zudem das Wissen über die Bedürfnisse jeder einzelnen Kundin immer mehr verfeinern. Das ermöglicht uns, sie noch individueller zu beraten und ihr persönlichere Angebote zu unterbreiten - über alle Kanäle hinweg.

Das Interview ist zuerst im Versandhausberater   erschienen.

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