29.10.2020 - Mit Liebe zum Produkt und einer gehörigen Portion Perfektionismus haben Natascha Fischer (links) und Madeleine Heinrich den "kleinen MUC" erfunden, ein Kaffee- oder wahlweise auch Champagner-"Krügerl". Im Gespräch mit ONEtoONE erzählen die beiden Unternehmerinnen, wie man ein scheinbar simples Produkt als Love-Brand etabliert.
von Christina Rose
In zwei Festzelten auf dem Münchner Oktoberfest hätte der kleine MUC in diesem Jahr zum Einsatz kommen sollen. Dann kam Corona. Und so blieb Natascha Fischer und Madeleine Heinrich, den geistigen Müttern der "Krügerl", nur die "Wiesn dahoam". Wie hat die Corona-Pandemie Ihre Vermarktungspläne geändert?
Natascha Fischer: Durch die Corona-Pandemie waren wir gezwungen, die Marke im Einzelkundenmarkt in unserem Onlineshop bekannt zu machen und zu positionieren, weil im B2B-Markt sehr viel Unsicherheit herrschte und die Wiesn schlussendlich ja sogar abgesagt wurde. Kein Wiesnzelt, keine Champagnerkrügerl im Zelt.
Madeleine Heinrich: Dann haben wir eben Champagnerkrügerl verstärkt für die Endkunden angeboten. Und das war rückwirkend eine gute Fügung, da es doch viel Zeit und Mühe braucht, sich im B2C-Markt zu positionieren. Und diese Zeit hätten wir vermutlich ohne Pandemie nie gehabt.
Eine Vermarkungsexpertin und "Kioskkind" und eine Produktdesignerin mit Erfahrung aus dem Familienunternehmen - welche Erfahrungen helfen Ihnen beiden besonders im eigenen Unternehmen?
Fischer: Als Kioskkind - meine Eltern hatten übrigens auch einen Herzerlstand auf der Wiesn und einen Stand am Christkindlmarkt - und als geborene Münchnerin habe ich die bayerischen Traditionen und Münchner Schickeria-Trends quasi mit der Muttermilch aufgesogen.
Als Zweijährige stand ich schon im Laufstall im Kiosk an der Isar bei der Schinterbrücke und habe die Leute "angesprochen". Auf der Wiesn war ich auch immer dabei und im Münchner Tierpark Hellabrunn war ich erst in den Sommerferien auf den Spielplätzen unterwegs und habe mir später meinen Führerschein im Kiosk verdient.
Als Einzelkind im Zoo unterwegs, war ich gezwungen mich mit vielen fremden Menschen zu beschäftigen, die abends wieder nach Hause gingen. Da habe ich wohl ein gutes Gespür für Bedürfnisse entwickelt. Ich habe damals gelernt, wie man mit bayerischem Charme schnell Menschen überzeugt und es mit meinem Studium der Kommunikationswirtschaft ins Heute übersetzt. Authentisches Storytelling kreiert Love-Brands, übrigens in allen Branchen und
Ländern. Egal was Du verkaufst, am Ende kaufen die Menschen eine schöne Emotion von Dir.
Heinrich: In unseren Produkten steckt viel Bayernliebe drin, und so ähnlich funktioniert das mit den MUCs ja auch. Abgesehen davon, dass es erstklassige Qualität "made in Bavaria" ist.
Als diplomierte Produktdesignerin liegt mir die Kombination aus Qualität und Kreativität besonders am Herzen. Wir wollten ein Produkt erschaffen, das zeitlos modern ist und qualitativ hochwertig - also über Eigenschaften verfügt, die man von einem
ernstzunehmenden Markengeschirr erwartet.
Der kleine MUC ist nicht als Souvenir zu sehen, sondern wird so lange erweitert, bis wir daraus Bayerns erstes Foodlifestyle-Geschirr geschaffen haben. Wir wissen, wie man edle Materialien zusammensetzt, einen perfekten Shape erzeugt, ebenso wie man die Produkte spülmaschinenfest macht, damit sie viele Jahre bis Jahrzehnte überdauern und quasi unkaputtbar sind. Wir spielen mit Formen und Farben und kreieren auch Verpackungen mit Stil.
Die Marke gibt es seit 2015: Wie hat sie sich seitdem entwickelt? Was waren die Meilensteine?
Fischer: Das Patent ist seit 2015 eigetragen. Den fertigen MUC
gibt es erst seit der Wiesn 2019. Im Onlineshop verkaufen wir sogar erst seit Dezember 2019. Zwischen 2015 und 2019 haben wir nur am Produkt gefeilt und entwickelt. Natürlich nebenbei. Ich habe eine PR und Marketingagentur (https://www.kreativ-kiosk.com
) und Madeleine eine eigene Designermarke (https://www.madlchen.com
).
Heinrich: Es ist viel komplizierter, ein Krügerl herzustellen als man sich das vorstellt. Manchmal hatten wir das Gefühl, wir würden ein Auto produzieren. Wir wollten ein sehr herzliches und perfektes Design, das heißt, das Krügerl soll perfekt in der Hand liegen. Es muss aus edelstem, hochwertigem Porzellan sein, damit es nicht gleich kaputt geht. Es muss für die Gastronomie und Hotellerie stoß- und kantenfest sein und trotzdem für den Endkunden einen gewissen Charme haben. Zudem hat das Krügerl - wie ein herkömmlicher Maßkrug auch - eine leicht konische Form. Sie werden keine Tasse mit dieser Form finden, und das ist die Schwierigkeit in der Produktion. Unsere Krügerl sind alle handgemacht, weil sie sich nach unseren Vorstellungen nicht maschinell herstellen lassen. Und schon gar nicht zu einem Preis, der für den Endkunden noch vertretbar gewesen wäre. Die Krügerl waren zunächst nur ein Spaßprojekt, das nebenher lief. Und der Anspruch war sehr hoch: Wir wollten kein Souvenir kreieren, sondern ein Fashion-Accessoire.
Wie begegnet man Ihnen: Zwei junge bayerische Frauen, die Porzellan verkaufen? Wie reagieren die Kunden?
Fischer: Wir sind unheimlich gerührt, weil wir so viele echte Fans haben. Es gibt einige Follower auf Instagram, die kaufen einen neu rausgekommen MUC bereits nach nur 30 Sekunden. Dieser Kult um unser Produkt erstaunt uns jeden Tag! Unangenehme Erfahrungen gibt es zum Glück kaum, allerdings wird Porzellan zwar oft von Frauen gekauft, aber die Herstellung ist sehr männerlastig. Da fallen wir schon ein bisschen auf. Wobei unseren MUC auch viele Männer kaufen.
Sie verkaufen monatlich 1.000 Stück online - nur über den eigenen Shop oder haben Sie noch andere Handelspartner? Ist Amazon ein Thema?
Heinrich: Ich betreue Einkauf, Grafik, Packaging und den Onlineshop mit Hilfe unseres selbstaufgebauten Fullfilments, Natascha kümmert sich um den Handel und die Businesskunden. Ganz wichtig ist hier auch die Verpackung, um die Krügerl sicher per Post verschicken zu können und auf der anderen Seite nicht zu viel Müll zu verursachen. Wir haben genau passende Versandkartons - die übrigens alle in Bayern produziert werden - und müssen die nicht noch mit Folie auspolstern. Bei bislang 40.000 versendeten Krügerln hatten wir nur 3 oder 4 Mal einen Umtausch wegen Bruch.
Fischer: Die Zahl der Bestellungen steigt stetig, vor allem zur Wiesn-Zeit und an Weihnachten. In dieser Zeit kommen wir mit der Produktion kaum hinterher. Das Problem liegt also nicht im Verkauf, sondern in der Nachproduktion, weil es eben so aufwändig ist, die Krügerl herzustellen. Unsere einzige Chance ist, im Januar und Februar unsere Lager voll zu machen für 2021.
Amazon
ist kein Thema und wird wahrscheinlich auch nie eines werden. Das passt nicht zu unserer nachhaltigen bayerischen Strategie. Die MUCs gibt es auch bei Kustermann in München, bei Segmüller
und bei mehreren kleineren Geschäften rund um München.
In der Corona-Pandemie haben viele Verbraucher nicht unbedingt nötige Anschaffungen verschoben - ein neues Geschirr stand wahrscheinlich auch nicht ganz oben auf der Einkaufsliste - zumal ein kleiner MUC mit 19,95 EUR schon verhältnismäßig teuer ist. Sie planen aber eine ganze Geschirrserie - wie etabliert man das "neue Familienmitglied für bayerische Familien und Bayernfans" in Krisenzeiten?
Fischer: Ganz im Gegenteil! Es scheint so als würden sich die Menschen gerade nach traditionellen Werten, die ihnen Sicherheit geben, sehnen. Schon Oma hat den Kaba in feinem Porzellan serviert. Die Form des Maßkruges erinnert vielleicht an Opa und Papa. Familienzusammenhalt wird zwangsläufig gerade ganz groß geschrieben. Aufgepeppt mit den modernen Farben verschönern die kleinen MUCs das Zuhause, das man derzeit auch weniger verlässt als früher. Alles findet verstärkt daheim statt. Die Wiesn, der Urlaub und die Events. Da investiert man doch genau an der richtigen Stelle, ins Dahoam.
Über welche Kanäle kommunizieren Sie mit Zielgruppen, Stakeholdern und möglichen Partnern und wie?
Fischer: Wir kommunizieren über die sozialen Medien und über Pressearbeit. Ich mache Love-Branding, das heißt, die Leute sollen sich in die Krügerl verknallen. Und wenn Du verknallt bist, kaufst Du nicht nur ein Krügerl, sondern willst alle. Und es funktioniert. Die Leute sind total verknallt. Wir haben einen sehr treuen Fan auf Instagram. Sobald dort das Foto mit einem neuen Krügerl raus ist, kommt bei uns im Shop die Bestellung an. Es gibt noch ein paar uns zu und wollen unsere Produkte vertreiben. Die Endkunden kommen auf uns zu und fragen, wo sie die Krügerl kaufen können.
Wir müssen also kaum Push-Marketing machen, nur ab und zu eine Instagram-Kampagne. Wir versuchen über Storytelling so interessant/neu/süß etc. zu sein, dass es ein virales Produkt wird und die Leute von sich aus kommen. Zu jeder Farbe steht eine eigene Geschichte auf der Website.
Was planen Sie für die Zukunft: Wie geht es mit und nach Corona weiter?
Heinrich: Als nächstes werden wir die Produktpalette in naher Zukunft erweitern. Es bleibt spannend.
Natascha Fischer ist die Vermarktungsexpertin und das "Münchner Kindl" im Duo hinter dem "kleinen MUC". Sie ist Gründerin der PR- und Marketing-Agentur kreativ-kiosk
am Ammersee und hat Kommunikationswirtschaft studiert. Sie ist die Tochter einer Kioskbesitzerfamilie: Zwei Popcorn-Kiosks im Münchner Tierpark Hellabrunn, ein Lebkuchenherzerl-Stand auf dem Oktoberfest und ein Stand auf dem Christkindlmarkt München am Marienplatz hinterließen Spuren in ihrem Münchner Kinderherz.
Madeleine Heinrich ist die Produktdesignerin des "kleinen MUC". Sie bekam das Geheimnis eines erfolgreichen Unternehmens schon mit in die Wiege gelegt. Ihre Eltern führen das Kunststoffunternehmen LMT in dritter Generation, exzellenter Kundenservice & erstklassige Qualität sind für sie auch bei ihrem Modelabel Madlchen
die wichtigsten Grundsätze. Bei ihrem Produktdesign-Studium an der Hochschule Coburg vervollständigte sie ihr Fachwissen der staatlichen Fachschule für Produktdesign und Porzellan in Selb, wobei sie den Werkstoff Porzellan lieben lernte.
Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe der ONEtoONE (11) erschienen. Außerdem lesen Sie, wie man Content-Marketing in Online-Audio macht, maschinengesteuerter Kundendialog funktioniert und welche EMail-Systeme zu Ihren Anforderungen passen. Zum Abo geht es hier entlang
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