05.05.2021 - Die Kunden deutscher Banken kriegen von Künstlicher Intelligenz kaum etwas mit. Der Grund: Den Instituten fällt es schwer, sich vorzustellen, was sich die Verbraucher wünschen.
von Sebastian Halm
Sie setzen KI vor allem dafür ein, interne Abläufe zu verbessern, statt mit ihren Kunden auch über diesen Weg zu interagieren. Sie trauen sich zu wenig, stellt eine aktuelle Studie fest, die Senacor
gemeinsam mit der Universität Luxemburg
und dem Fraunhofer-Institut
erstellt hat.
Wer heute auf die Webseite einer Bank geht und sich einloggt, merkt so gut wie nie, ob eine Künstliche Intelligenz am Werk ist oder nicht. Die Institute nutzen KI vielmehr dazu, Muster zu erkennen. Beispielsweise, ob Betrug im Spiel ist, wenn ein Kunde Geld überweist oder an einem ungewöhnlichen Ort mit der Kreditkarte bezahlt. Die Systeme erkennen auch schon, wenn jemand versucht, Geld zu waschen. Mit der KI interagieren dürfen die Kunden dagegen praktisch gar nicht. Nach einem intelligenten Chatbot oder einem Sprachassistenten, der dabei hilft, das Konto zu führen oder Umsätze zu analysieren, suchen die Kunden meist vergebens.
"Kaum ein Verbraucher weiß, was sich mit Künstlicher Intelligenz machen lässt, weil gerade die Unternehmen in der Finanzbranche zu zaghaft vorgehen", sagt Prof. Dr. Gilbert Fridgen
von der Universität Luxemburg. "Die Institute sitzen wie ein Kaninchen vor der Schlange, weil sie befürchten, mit falschen Angeboten ihre Kunden zu verärgern. Niemand will das Gefühl bekommen, dass die Bank sich durch einen Chatbot das persönliche Gespräch spart."
Gefahren lauern auch bei den gesetzlichen Vorschriften. Die Banken müssen beispielsweise erklären können, warum sie einen Kredit ablehnen, den jemand beantragt. Auch eine KI darf niemanden diskriminieren. Wie die Maschine entscheidet, muss deshalb nachvollziehbar sein und regelmäßig überwacht werden. Nichts zu tun, ist dennoch der falsche Weg. So entgehen den Banken beziehungsweise den Unternehmen allgemein bis zu 25 Prozent mehr Gewinn, wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
in einer Studie hat ermitteln lassen. Zudem hätte heute schon jeder zehnte Euro Umsatz, den deutsche Unternehmen mit einer Weltmarktneuheit verdienen, mit KI zu tun.
Wie Banken auf diese neuen Ideen kommen, die KI erst ermöglicht, lässt sich in drei Worten zusammenfassen: entdecken, verstehen, entwerfen. Dabei gehen die Banken zuerst von ersten Ideen aus, wie sie Künstliche Intelligenz einsetzen wollen. Anschließend starten sie ein KI-Experiment, um zu verstehen, wo sich Chancen und Gefahren ergeben und was sie dafür tun müssen, damit auch Kunden etwas davon haben. Daraus folgen die zu entwerfenden Dienste, die sich erneut überprüfen lassen. So setzt sich der Zyklus fort, bis ein marktreifes Produkt entsteht.
Statt bei null anzufangen, kooperieren immer mehr Banken inzwischen mit Fintechs, die oft schon konkrete Ideen mit einer KI umgesetzt haben. Startups aus den USA lassen etwa Noten während des Studiums, den SAT-Score (Scholastic Assessment Test) oder Zahlungsdaten von Online-Marktplätzen von einer KI auswerten, um zu entscheiden, wer einen Kredit bekommt und wer nicht. Banken stellt sich somit auch die Frage, wie sie an die Daten herankommen, die sie für ihre Vorhaben brauchen. "Kooperationen wie die der Deutschen Bank
mit der App Finanzguru
zeigen, wohin die Reise gehen kann", erklärt Prof. Dr. Fridgen. "Der Zug ist noch lange nicht abgefahren, weil das Feld noch nicht so reif ist."
Die praxisorientierte Studie 'Smart Retail Banking: Potenziale und Herausforderungen Künstlicher Intelligenz' wurde vom Interdisciplinary Center for Security, Reliability and Trust der Universität Luxemburg, der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT und Senacor Technologies erstellt. Dafür wurden insgesamt 22 qualitative Interviews mit Entscheidern auf C-Level, Bereichsleitern und Gründern von Universalbanken, Direktbanken, Fintechs sowie IT-Dienstleistern, einem Anbieter von Bonusprogrammen und einer Spezialbank geführt.
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