Es ist noch ein junges Format mit neuartigen technischen Herausforderungen in einem Marktumfeld, das sich zwischen traditionellen Fernseh-Sendern und innovativen Pionieren bewegt: Connected TV (CTV) ist ein Wachstumsmarkt - und glaubt man den zahlreichen Prognosen, die Zukunft der Fernsehwerbung. Auch die Werbekunden erkennen das Potenzial: Laut der aktuellen Mitglieder-Befragung der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM)
erhöhen im kommenden Jahr 43 Prozent der Unternehmen ihre Spendings für CTV und Adressable TV, 40 Prozent wollen ihre Ausgaben unverändert lassen.
Die Nutzerzahlen steigen und es gibt mehr Wettbewerb
Der Optimismus ist begründet: In immer mehr Haushalten in Deutschland stehen internetfähige Geräte, über die auch zunehmend digitale Inhalte genutzt werden. Laut der aktuellen 'AGF-Plattformstudie 2022-II' der
AGF Videoforschung
, für die 2.500 Personen ab 14 Jahren befragt wurden, geben bereits 56,2 Prozent an, in den vergangenen vier Wochen mindestens einmal mit dem Fernseher online gewesen zu sein - direkt über den Smart TV oder über Zusatzgeräte wie TV-Sticks oder Boxen. Im Frühjahr waren es noch 52 Prozent, vor einem Jahr erst 48,9 Prozent.
Zudem steigt die Akzeptanz für Werbung auf Streaming-Plattformen. Immer mehr Deutsche sind bereit, beim Serien-Marathon kurze Werbeunterbrechungen in Kauf zu nehmen und dafür weniger oder gar nichts fürs Abo zu zahlen. Wie aus dem aktuellen 'Deloitte Digital Consumer Trends Survey' hervorgeht, ist knapp ein Drittel der Deutschen offen für werbegestütztes Streaming. Die Zahl der Anbieter steigt entsprechend, auch Streaming-Riesen wie Netflix, Amazon oder Disney+ haben mittlerweile werbefinanzierte Abo-Modelle. Die Fragmentierung nimmt zu, für Werbekunden steigt damit die Auswahl an Kanälen und Zielgruppenoptionen. Es ist sehr viel Bewegung in dem Markt, in dem aber auch etliche Herausforderungen noch zu bewältigen sind.
Diese Targeting-Optionen gibt es
Artjom Gammel - Partner Director bei Xandr
Bild: Xandr
So heißt es oft, dass Connected TV (CTV) derzeit die größten Chancen für die programmatische Werbebranche biete. Allerdings können Werbetreibende die Daten für das Targeting im CTV-Umfeld nicht so erfassen, wie sie es von traditionellen Kanälen in ihrer Demand Side Platform (DSP) gewohnt sind, erklärt Artjom Gammel, Partner Director beim Adtech-Unternehmen Xandr
. Die Microsoft-Tochter ist Vermarktungs- und Technologiepartner von Netflix.
Laut Gammel stehen verschiedene Arten von CTV-Daten zur Verfügung, die durch entsprechende Einsatzmöglichkeiten aktiviert werden können. Welche Targetingformen das sind und was Advertiser dabei beachten müssen, beschreibt der Programmatic-Advertising-Experte im Folgenden:
Audience Targeting
Da CTV-Geräte von mehr als einer Person genutzt werden, wird normalerweise von Haushalts-Targeting gesprochen. Es gibt drei wichtige Ansätze, wenn es um Audience Targeting bei CTV geht:
- First-Party-Datenaktivierung
- IP-Targeting
- und Cross-Device
- First-Party-Datenaktivierung
CTV bietet ein noch recht neues, cookiefreies und Identifier-begrenztes Umfeld. So kommen die meisten verfügbaren Audience-Daten aus First-Party-Quellen. Diese können in Publisher und Gerätehersteller (SmartTV und OTT-Geräte) unterteilt werden.
Der einfachste Weg, die Daten der Publisher zu aktivieren, ist der Kauf von pre-targeted Deals. Während Publisher genau erfassen können, welche Inhalte gesehen wurden, können sie die Daten nur auf ihr eigenes Inventar anwenden. Gerätehersteller hingegen haben die Möglichkeit, ihre Daten über Publisher hinweg zu aktivieren. Dies bietet eine größere Reichweite, umfasst meist aber nur, ob und wie lange eine App genutzt wurde. Je nach Positionierung und Strategie bieten die Gerätehersteller direkte Datenverkäufe, Medienbündel und/oder Aktivierung über eigene Plattformen an.
Nur wenige große Gerätehersteller arbeiten an der Einführung von CTV-Identifier. Stabile, standardisierte Identifier können jedoch neben vielen anderen Vorteilen die Datenaktivierung in der CTV-Umgebung verbessern.
- IP-Targeting
Die IP-Adresse ist in der Regel in den oRTB (open Real Time Bidding)-Auktionsanfragen verfügbar. Diese wird schon seit geraumer Zeit für das Targeting verwendet und ist aus der Sicht der technischen Machbarkeit immer noch eine effektive Methode, um Zielgruppen anzusprechen. Die IP-Adresse wird jedoch in Bezug auf den Datenschutz als personenbezogene Daten definiert. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass CTV-Publisher eine CMP (Consent Management Plattform) verwenden, um die Zustimmung der Nutzer einzuholen, bevor sie die IP-Adresse verwenden. Auch, wenn sie immer noch die gängigste Währung für das CTV-Targeting ist, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt ebenso wie Cookies von Drittanbietern abgeschafft wird.
Einige Datenanbieter verfügen über Zielgruppendaten, die an IP-Adressen gebunden sind, und können Zielgruppensegmente auf Datenmarktplätzen anbieten. Die IP-Adresse kann auch für Geo-Targeting als Identifikator in einer geräteübergreifenden Zielgruppenerweiterung oder für Brand-Safety und der Vorbeugung von Betrug durch Verifizierungsanbieter verwendet werden.
- Cross-Device
Die Zielgruppenerweiterung mit einem geräteübergreifenden Graphen verknüpft verschiedene Identifikatoren mit einem Nutzer oder einem Haushalt. Ein Graph kann CTV-Daten enthalten, wenn der Eigentümer des Graphen Zugang zu diesen Daten hat und in der Lage ist, die Identifikatoren zu verknüpfen. Diese Verknüpfungen können auf IP-Adressen, gehashten E-Mail-Adressen oder anderen Identifikatoren basieren. Die wichtigsten geräteübergreifenden Anwendungsfälle sind die Erweiterung der Zielgruppe, Frequency Capping und Attribution.
Geräteübergreifende Graphen können innerhalb von DSPs aktiviert werden. Publisher oder Werbetreibende können die Graphen auch selbst betreiben und diese Daten über Uploads von Audience-Segmenten aktivieren.
Kontextbezogene Ansätze
Während Audience Targeting bei CTV nach wie vor eine Herausforderung darstellt, können kontextbezogene Ansätze sinnvoller erscheinen. Es gibt zwei, die besonders hervorzuheben sind: Geo- und inhaltsbezogenes Targeting.
- Ortsbezogenes Targeting
Geo-Targeting kann über die IP-Adresse durchgeführt werden. Die IP-Adresse gibt den Ort an, von dem eine Impression ausgeht. Selbst mit abgeschnittenen IP-Adressen ist es möglich, breitere Bereiche wie Landkreise oder Städte anzusprechen. Mit der vollständigen IP-Adresse kann es sogar möglich sein, Zielgruppen mit einer höheren Granularität als Postleitzahlen zu erreichen.
Es gibt Datenanbieter, die Standortinformationen in Zielgruppeninformationen umwandeln können. Im Grunde handelt es sich hierbei zwar um Geo-Targeting, jedoch verfügen solche über Informationen darüber, in welchen Gebieten bestimmte Zielgruppen überdurchschnittlich stark vertreten sind. Auf Geo-Segmente kann über Datenmarktplätze zugegriffen werden. Einige DSPs bieten auch Geo-Targeting als integriertes Feature an.
- Inhaltsbezogenes Targeting
In Auktionsanfragen ist es möglich, über die App-Bundle-ID zu erkennen, welche CTV-App gerade angesehen wird. Dies kann für ein grobes kontextbezogenes Targeting von Nischen-Apps verwendet werden. Es hilft jedoch nicht bei dem Targeting tatsächlicher Inhalte. Wenn ein Streaming-Dienst über CTV genutzt wird, sagt das App-Bundle nichts darüber aus, ob es sich um einen Horrorfilm oder eine Sitcom-Serie handelt.
Daher wurde das Content-Objekt in das oRTB-Protokoll aufgenommen. Publisher können granulare Informationen über den tatsächlichen Inhalt wie Genre, Episode, Altersfreigabe, Live/Video-on-Demand und vieles mehr weitergeben. In EMEA sehen wir eine zunehmende Akzeptanz der Publisher in diesem Bereich.
Ausblick
"Derzeit sind First-Party-Daten und Geo-Targeting-Ansätze die effektivsten, verfügbaren und am häufigsten verwendeten CTV-Targeting-Lösungen", fasst Artjom Gammel zusammen.
"Datenlösungen von Drittanbietern werden es indes schwer haben, solange CTV von einer Handvoll Big Player, die private Marktplätze betreiben, dominiert wird. Im Jahr 2023 könnten die Adoption von Content-Objekten, die Entwicklung standardisierter Identifikatoren und die Verbesserung des CTV-Zugriffs in geräteübergreifenden Graphen zu inkrementellen Verbesserungen beim Targeting führen. Dennoch werden die Werbetreibenden noch einige Zeit mit begrenzten und isolierten Targeting-Möglichkeiten zu kämpfen haben."