Klickbetrüger schaden Suchmaschinenmarketing

28.02.2005 - Branche arbeitet mit Hochdruck an Technologien zur Aufdeckung von Click Frauds

Die Nachricht schlug in der Suchmaschinen-Branche wie eine Bombe ein: Nachdem die Suchtreffervermarkter das Thema Klickbetrug lange Zeit marginalisiert hatten, überraschte Google-Finanzchef Georges Reyes die Investoren mit dem freimütigen Eingeständnis, dass "sehr, sehr schnell" etwas gegen die so genannten Click Frauds getan werden müsse, da diese das Geschäftsmodell des Unternehmens ernsthaft bedrohten. Zwar hatten Google und Overture die Gefahr in ihren Börsenprospekten schon erwähnt, doch so deutlich und vor allem eindringlich wie Reyes hat noch niemand das Problem geschildert.

Im Grunde gibt es Klickbetrug schon so lange wie das Internet selbst. Bereits in den Anfangsphasen des weltweiten Netzes fielen immer wieder Website-Betreiber auf, die ihre Besucherzahlen durch selbst erzeugte Klicks künstlich in die Höhe trieben, um höhere Werbeerlöse zu erzielen. Allerdings war diese Art von Betrug mit einem immensen Aufwand verbunden und stand in keinem Verhältnis zum möglichen Gewinn und der Gefahr aufzufliegen.

Ganz anders im Suchmaschinenmarketing: Hier genügen schon wenige Klicks, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Diese besteht in den meisten Fällen nicht darin, das eigene Geldsäckel aufzufüllen, sondern der Konkurrenz Schaden zuzufügen. Schließlich muss der Werbungtreibende für jeden angeklickten Text-Link, auch Sponsored Link genannt, zahlen.

Besonders trickreich und folglich schwer aufzudecken ist die Methode des Wegklickens von Anzeigen: Dazu wird eine Suchergebnisseite 1.000-fach aufgerufen, der Sponsored Link des zu schädigenden Unternehmens aber kein einziges Mal. In der Folge sinkt die Klickrate schnell unter 0,5 Prozent. Da Google seinen Nutzern schlecht gemachte oder irrelevante Werbung ersparen möchte, fliegen solche Anzeigen sofort aus dem Angebot.

So entsteht zwar kein direkter wirtschaftlicher Schaden, doch muss der Werbungtreibende am nächsten Tag die Sponsored Links wieder neu einstellen. Dazu kommen mögliche Umsatzverluste aus der Zeit, in der die Text-Links nicht online waren.

Generiert werden die Klicks zumeist durch Skripte, die laut Dr. Wolfgang Sander-Beuermann von der Uni Hannover jeder Informatikstudent ab dem dritten Semester schreiben kann. Diese so genannten Skript Kids nutzen IP-Adressen, die von falsch konfigurierten Proxi-Servern (Rechnern zur Zwischenspeicherung von Websites) kommen und in einschlägigen Hacker-Börsen gehandelt werden. So können sie relativ einfach simulieren, dass viele verschiedene IP-Adressen eine Seite aufrufen. Eine weitere Betrugsart besteht darin, die IP-Adressen zu maskieren und nur während schwacher Perioden auf die Links zu klicken, damit der Betrug nicht weiter auffällt. Andere Skripte unterdrücken die automatische Weiterleitung zur Seite des Werbenden. So werden die Klicks nur beim Suchtreffervermarkter gezählt, nicht aber beim Webmaster, sodass dieser von der Mogelei gar nichts mitbekommt. Parallel wird - wie in alten Zeiten - mit manuell erzeugten Klicks betrogen: Der Zeitung The Times of India zufolge verdienen sich in Indien immer mehr Hausfrauen und Studenten ein Zubrot von etwa 200 Dollar im Monat, indem sie bezahlte Suchtreffer anklicken.

Seit der Einführung Content-basierter Suchmaschinenwerbung vor zwei Jahren erhalten die Skript Kids und Billig-klicker auch Aufträge von Partner-Sites des Google-Werbeprogramms AdSense. Der Grund: Die Website-Betreiber bekommen jedes Mal Geld, wenn ein auf ihrer Seite platzierter Sponsored Link angeklickt wird.

Welche Ausmaße der Klickbetrug bereits angenommen hat, lässt sich nur schätzen. Experten gehen davon aus, dass 10 bis 20 Prozent der Klicks manipuliert sind. Einige Mutige sprechen gar von 30 bis 50 Prozent in besonders hart umkämpften Branchen wie Handel, Reisen und Finanzen. Overture-Deutschland-Sprecherin Judith Sterl hält dagegen bereits 20 Prozent für "paranoid". Google Deutschland siedelt die Rate im Promillebereich an.

Rein rechtlich kann man den Klickbetrügern relativ wenig anhaben, da sie vom Ausland aus agieren und dort meist entsprechende Internetgesetze in den nächsten Jahren nicht zu erwarten sind, erklärt Thomas Bindl von der Agentur Optop. Zudem sind diese Betrügereien, auf die theoretisch sogar eine Gefängnisstrafe steht, nur schwer nachzuweisen. "Unter anderem, weil es oft keine direkte Verbindung zwischen Betrüger und Nutznießer gibt", erklärt der Hamburger Rechtsanwalt Martin Bahr. Ferner lässt sich die finanzielle Schädigung nur schwer beziffern, insbesondere beim Wegklicken von Sponsored Links. In Texas hat Google im November 2004 einen AdSense-Partner vor Gericht gebracht. Das Urteil steht noch aus.

In der Zwischenzeit arbeiten die Suchmaschinenvermarkter mit Hochdruck an Software-Lösungen zur Entdeckung von Click Frauds und betonen, dass ihre jetzigen Systeme die manipulierten Klicks bereits im Vorfeld aussortieren. Dadurch wird das Konto des Kunden erst gar nicht belastet. Details ihrer Schutzsysteme wollen die drei großen deutschen Anbieter Google, Overture und Espotting jedoch nicht preisgeben, um den Betrügern keine Tipps zu geben. In den USA bekommen Kunden bereits Tools ausgehändigt, um die Klickzahlen selbst zu prüfen. Zudem entstehen dort immer mehr so genannte Auditing Firms, die Werbungtreibenden bei der Identifizierung falscher Klicks helfen.

Mehrere Suchmaschinen-Agenturen zweifeln aber an der Wirksamkeit der Gegenmaßnahmen und kritisieren die schleppende Bearbeitung von Verdachtsfällen bei Google. "Keine andere Suchmaschine ist so halsstarrig und unwillig, mit ihren Werbekunden zu kooperieren", sagt Jessie Stricciola, Präsidentin des US-amerikanischen Suchmaschinen-Optimierers Alchemist Media. Lothar Wuth, Marketingchef von 44u, ärgert sich regelmäßig darüber, dass seine Agentur trotz eines Werbekostenaufwandes von mehr als 15.000 Euro im Monat nur automatisierte Antworten bekommt. Darin weist Google auf seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen hin, wonach "alle Nutzer der Dienste von Google AdWords unsere Messungen akzeptieren müssen". Für Wuth bedeutet dies so viel wie: "Friss oder stirb!".

Schließlich kann man als Werbungtreibender den Marktführer Google schwerlich meiden. "Die Marktmacht führt dazu, dass Google keine Kundenbeziehungen und keine Informationspolitik hat. Wozu auch? Kostet ja nur Geld!", sagt effektive-Chef Hermann Barreis. Google-Sprecher Stefan Keuchel betont, dass die hauseigenen Techniker jeden Verdacht überprüfen und bei teuren Keywords besonders aufpassen würden. Zudem werde ein einstelliger Prozentsatz der Kosten nicht berechnet. Die Partner des Content-basierten AdSense-Programms würden individuell geprüft. Schwarze Schafe flögen sofort auf. Gleichzeitig räumt Keuchel Versäumnisse in der Kundenbetreuung ein: "Wir müssen den Service verbessern. Daran arbeiten wir."

Nach Meinung zahlreicher von ONEtoONE befragten Experten ist Google generell anfälliger für Klickbetrug als die Konkurrenz - unter anderem wegen der exponierten Stellung als Markführer, wegen der 0,5-Prozent-Regelung bei den Keywords und der angeblich laxeren Auswahl der AdSense-Partner.

Umso verwunderlicher ist, dass sich viele Werbekunden gar nicht beschweren oder die zusätzlichen Kosten einfach hinnehmen. "Die meisten wissen von dem Problem, tun aber nichts dagegen, da ihnen die Technik zu komplex ist", erklärt Stefanie Olsen vom IT-Portal Cnet. Andere fürchteten, dass die Beziehungen zum mächtigsten Netzwerk Schaden nehmen könnten, wenn sie sich zu laut beschweren.

Danny Sullivan, Suchmaschinen-Guru und Veranstalter des internationalen Branchen-Events Search Engine Strategies, bestätigt dies: "Viele haben Angst, dass ihre freien Listings darunter leiden könnten." Michael Diekmann von der Online-Marketing-Agentur CyberTechnologies sieht dagegen keinen Grund zur Beunruhigung. Sein Credo: "Der Markt wird´s richten." Sinkt die Konversionsrate durch manipulierte Klicks, fallen zwangsläufig auch die Klickpreise. brö

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