Eine vergleichende Studie zu Digital Health in Deutschland und der Schweiz, die der CRM-Hersteller BSI
in Kooperation mit der ZHAW School of Management & Law
durchgeführt hat, liefert eine aussagekräftige Gegenüberstellung der Einstellungen und Bedürfnisse von Versicherten und dem Digitalisierungsangebot ihrer Krankenkassen - sowie kontrastreiche Momentaufnahmen zur Akzeptanz digitaler Dienste und risikoadjustierter Tarifmodelle im Gesundheitssektor.
Homogene Kundenerwartungen im Ländervergleich
Stark negative Befragungswerte zeigen: Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz besteht eine insgesamt hohe Unzufriedenheit mit den Versicherungsmodellen der gesetzlichen Krankenversicherung. Genauso einheitlich wie das negative Stimmungsbild sind die geäußerten Erwartungen von Kunden an ihre Krankenkassen: 72 Prozent der Befragten in Deutschland und 70 Prozent in der Schweiz verlangen von ihrer Kasse an erster Stelle die Kostenübernahme regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen, gefolgt von der Erstattung von homöopathischen Leistungen (D: 44 Prozent in vs. CH: 40 Prozent). Als am wenigsten interessant wurde die Behandlung in Privatkliniken bewertet (D: 21 Prozent vs. CH: 30 Prozent) - dagegen ist in beiden Ländern das Einbettzimmer ein häufig angeführter Wechselgrund zur privaten Versicherung. Um die Leistungen attraktiver zu gestalten und größere Wechselbewegungen zu Wettbewerbern oder eben in die Privatversicherung zu verhindern, sollten Kassen also ihr bestehendes Angebotsportfolio digital überarbeiten.
Digitale Services polarisieren
Insgesamt ist die Nutzung digitaler Services durch Krankenversicherte in der Schweiz stärker verbreitet als in Deutschland. Datenschutzrechtliche Bedenken verhindern jedoch eine breite Akzeptanz - vor allem in Deutschland, aber durchaus auch in der Schweiz. Zwar lassen sich mit einem Anteil von rund 50 Prozent zahlreiche Befürworter der digitalen Services ermitteln - vorausgesetzt, dass diese Dienste einen entsprechenden Mehrwert bieten. 30 Prozent der befragten Versicherten sind als Digitalisierungsgegner einzuordnen, die Bedenken anmelden, ihre Versichertendaten würden zum persönlichen Nachteil erhoben - und sie dadurch von Leistungen ausgeschlossen würden. Rund 10-20 Prozent der Befragten sind nach wie vor unentschlossen, was sie von digitalen Gesundheitsdiensten halten sollen. Dabei spielt Unkenntnis eine große Rolle: Fast die Hälfte der Versicherungskunden kennt bestehende Services, wie Zweitmeinungsdienste oder den Arztrechnungsscan per App nicht. Hier sei Vertrauensarbeit seitens der Versicherer gefragt, erklären die Studienautoren
Verbraucher sehen in simplen E-Dienstleistungen den größten Nutzen
Von den verfügbaren digitalen Versicherungsservices ist in Deutschland die digitale Versicherungskarte am populärsten (33 Prozent vs. CH: 25 Prozent), gefolgt von Online-Versicherungsportalen (D: 18 Prozent vs. CH: 40 Prozent) und Fitness-Trackern (D: 18 Prozent vs. CH: 17 Prozent). Angesichts der hohen Verbreitung von Smartphones - 87 Prozent der Deutschen besitzen ein mobiles Endgerät - besteht hier Aufholbedarf und viel Potenzial. Denn gerade die scheinbar simplen administrativen Erleichterungen führen bei den Versicherten zur höchsten Zufriedenheit: Die Reduktion von Verwaltungsaufwand, schnelle Rückvergütung von Vorleistungen durch Versicherte und beschleunigte, tageszeitunabhängige Digitalprozesse sind häufig genannte Bedürfnisse.
Hälfte der Befragten signalisiert Offenheit für risikoadjustierte Tarifmodelle
Grundsätzlich sind in beiden Ländern rund 50 Prozent der Befragten für risikoadjustierte Tarifmodelle offen - nur fair müssen sie sein. Das heißt für viele: positives Verhalten belohnen, riskantes Verhalten jedoch nicht über Gebühr abstrafen. Incentivierungen müssen zudem verhaltensbasiert ausfallen und dürften keine erblichen Veranlagungen oder nicht beeinflussbare Erkrankungen anrechnen. Positiv fällt demzufolge die Resonanz auf ein vorgeschlagenes Tarifmodell aus, das Prämienrückerstattungen an tägliche körperliche Bewegung koppelt, die mittels einer App über Schrittzahlen dokumentiert wird. Rund 58 Prozent der Befragten in Deutschland und 53 Prozent in der Schweiz können sich eine Teilnahme daran grundsätzlich vorstellen, während das Modell von nur rund 30 Prozent in beiden Ländern abgelehnt wird. Die Mehrheit der potenziell Interessierten fände dies ab einer Prämienreduktion von etwa einer Monatsprämie ausreichend attraktiv.
Die beste Versicherungs-Customer-Journey entscheidet
Die Studienergebnisse zeigen, dass ein signifikanter Anteil der Bevölkerung in Deutschland und der Schweiz bereits vor der Corona-Krise bereit war, digitale Services zu nutzen. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Krise dürften diesen Trend noch verstärken. Nach mehrjähriger Erfahrungen mit digitalen Diensten und teilweise eindeutigen Präferenzen der Versicherten, stelle sich für Krankenversicherer die Frage: Welche digitalen Services generieren die höchste Kundenzufriedenheit je eingesetztem Budget bzw. wo können Versicherer komplementäre Services schaffen, die reine App-Anbieter nicht bieten können?