24.06.2021 - Online-Marktplätze werden auch von Produktfälschern als Umschlagplatz hoch geschätzt. Ein Amazon-Händler ging der Traditionsmarke Knirps jedoch deutlich zu weit, weshalb sie nun auch mit Hilfe von Machine Learning gegen Plagiate und Markenmissbrauch vorgeht. Ein Erfahrungsbericht:
von Frauke Schobelt
Als Hans Haupt 1928 den ersten faltbaren Regenschirm - den kleinen Knirps
- präsentierte, revolutionierte er damit den Markt. Heute kennen auf der ganzen Welt Menschen die kleinen, praktischen Schirme mit dem roten Punkt. Doch der Erfolg der deutschen Traditionsmarke zieht auch immer wieder Trittbrettfahrer an, die die Marke unrechtmäßig nutzen. Zur langen Markengeschichte von Knirps gehört deshalb auch der Kampf gegen Plagiate.
Eine Marktanalyse zeigte, dass 90 Prozent der Deutschen Knirps als Regenschirm kennen. Die Markenbekanntheit ist ein starkes Kaufargument - ebenso die Qualität der Produkte. Fünf Jahre Garantie gelten mittlerweile auf Knirps-Schirme, kaputte Produkte repariert der Hersteller. Plagiatoren missbrauchen jedoch den guten Namen, indem sie Produktnamen oder den Brand des Originalherstellers Knirps im Titel ihres Online-Angebots verwenden. Die mangelhafte Qualität ihrer Fake-Schirme schadet der Marke.
Das wollte die Marketingverantwortliche Beatrice Kobleder nicht mehr länger hinnehmen. Sie stieß 2018 zum Marketing-Team im österreichischen Headquarter - in dem Jahr, in dem Knirps sein 90-jähriges Firmenjubiläum feierte. Ein knappes Jahrhundert, in dem das Unternehmen mit Erfolg internationale Vertriebsstrukturen einrichtete: 28 Vertriebspartner in über 60 Ländern weltweit vertreiben die Originalprodukte mit Lizenz. Das dreiköpfige Marketing-Team im Headquarter unterstützt die Partner mit Marketing-Kampagnen sowie Produkt-Relaunches und -unterlagen. Knirps selbst verfügt über keinen eigenen, direkten Vertrieb.
Plagiatoren auf der ganzen Welt bewerben ihre Nicht-Knirps-Schirme im Netz jedoch als Originalware, um Kunden anzulocken. Das stellt das sorgsame Produktmanagement hinter dem Original vor große Probleme. Denn aufwändiges Testen und Verbessern, worin Knirps viel Zeit investiert, kommt bei Plagiaten nicht vor. "Wenn dann Kunden einen falschen Knirps kaufen, gehen sie davon aus, dass unsere Marke keine Qualität produziert - und das geht nicht", erklärt Kobleder. Abgesehen von dem direkten Umsatzverlust, der durch Fake-Angebote entsteht, betrifft der Schaden auch zukünftige Verkäufe.
Den Anstoß für die Zusammenarbeit mit Sentryc lieferte ein asiatischer Hersteller, der über 300 Plagiat-Listings zu Knirps auf Amazon einstellte. Kobleder versuchte eine manuelle Reinigung, aber das Ausmaß war zu gewaltig. Die Brand Protection Software scannt nun über 150 internationale Online-Marktplätze und Plattformen automatisiert nach Auffälligkeiten. Dazu zählen Firmennamen, Schlagwörter, Detailbeschreibungen, Preise, aber auch versteckte Verlinkungen. Knirps legt die zu scannenden Marktplätzen fest und passt sie an, je nachdem wo neue Hotspots entstehen. Eine Integration in die Unternehmensstruktur von Knirps war nicht nötig, das Tool ist auf betriebsinterne Daten nicht angewiesen.
Nach ein paar Testrunden für das integrierte Machine Learning scannte die Software alle international gelisteten Angebote in den für Knirps relevanten Ländern. Seitdem lernt die KI stetig dazu und stellt sich auf die Fake-Angebote ein. "Die Einschätzungen, ob das Angebot ein Knirps ist oder nicht, trifft die KI immer genauer", erklärt Kobleder. Das spart Zeit. Als Key-Userin kann die Marketingverantwortliche den Account meist allein betreuen - mittlerweile Teil ihrer Morgenroutine - und Fake-Produkte direkt entfernen. Seit März 2020 entdeckte die Software potenzielle Falschangebote im vierstelligen Bereich, von denen sich 96 Prozent als Markenrechtsverletzungen entpuppten.
Mit dem 'Take Down'-Button lassen sich falsche Angebote innerhalb von 24 Stunden entfernen. Zudem untersucht ein Filter neue Angebote des gleichen Herstellers auf ähnliche Markenrechtsverletzungen hin und beseitigt diese dann automatisch. Alle Details der Angebote werden zuvor für rechtliche Verfolgungen gesichert. "Seltsame Händler und Angebote werden so direkt geblockt, das war's. Damit halten sich unsere Fundstellen in Grenzen", so Kobleder
Damit lizensierte Händler und Angebote nicht in das Visier geraten, wird der Algorithmus entsprechend individuell eingestellt. So bleiben weltweit alle Partner und Lizenznehmer von Knirps verschont.
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