07.04.2021 - Frauenstimmen werden in Video-Konferenzen als weniger ausdrucksstark, kompetent und charismatisch wahrgenommen als Stimmen von Männern.
von Christina Rose
Die Diskriminierung von Frauenstimmen in digitalen Meetings ist technisch bedingt. Das haben Studien von Jun.-Prof. Dr.-Ing. Ingo Siegert
vom Institut für Informations- und Kommunikationstechnik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
gezeigt. Mit seinem Kollegen Prof. Dr. Oliver Niebuhr
von der Universität Sønderborg
, Dänemark, untersuchte der Ingenieur die Übertragungswege sogenannter Remote-Meetings und die Wirkung der damit einhergehenden Kompression der Sprache auf das akustische Charisma von Sprecherinnen und Sprechern. Tools wie Zoom
, Skype
oder Teams
übertragen nicht alle Anteile der Sprache und dünnen Frequenzen aufgrund des hohen Datenvolumens aus. Das Ergebnis zeigte, dass dabei Männer- und Frauenstimmen nicht gleichbehandelt werden.
"Grundsätzlich schränken digitale Meetings, wie sie aktuell für viele zum Berufsalltag gehören, die Reichweite und den Reichtum der nonverbalen Kommunikationssignale stark ein, sowohl bei Männern als auch bei Frauen", erläutert Juniorprofessor Ingo Siegert. Grund dafür sei die starke Kompression der zu übertragenden Sprachsignale, um einen zuverlässigen Service mit stabilen Videokonferenzverbindungen zu bieten.
Um den Einfluss dieser Kompression auf die Stimmqualität zu untersuchen, ließen die Wissenschaftler in einer ersten Studie TesthörerInnen Audiobeispiele von trainierten SprecherInnen auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten. Im Ergebnis schnitten bei den über Remote-Meetings aufgenommenen Stimmen die Frauenstimmen in der Bewertung signifikant schlechter ab. Anschließend nutzten die Ingenieure zur Analyse der gleichen Aufnahmen messbare akustische Marker wie Stimmhöhe, Stimmumfang oder Klangtiefe. Das Fazit: Den Frauenstimmen fehlten im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen wesentliche emotionale Komponenten, jene Eigenschaften der Stimme, die für den charismatischen Ausdruck relevant sind.
"Bisher wird in der Audioverarbeitung mit vorher festgelegen Frequenzbereichen gearbeitet, die den stimmlichen Unterschieden der Geschlechter - vor allem der höheren Stimme von Frauen - nicht immer Rechnung tragen", fasst Ingo Siegert zusammen. "Wir haben mit dem neuen Wissen nun die Chance, nachzusteuern, da wir jetzt konkret den Effekt zeigen und messen konnten." Künftig sollte bei der Entwicklung der Codes für digitale Meeting-Tools nicht nur auf die reine Sprachqualität, auf Verständlichkeit und Unterdrückung von Hintergrundgeräuschen geachtet werden, sondern auch verstärkt auf die Übertragung von Merkmalen wie Ausdrucksstärke oder Emotionalität, so Siegert weiter.
Der nächste Schritt sei nun, diese Veränderung als Optimierungskriterium in der Entwicklung neuer Kompressionsmethoden zu berücksichtigen. Gute Kompressionsmethoden sollten künftig nicht nur stabile Verbindungen sicherstellen, sondern in einer Zeit, in der Verkauf, Kundenakquise, Unternehmensführung und auch politische Agenden über digitale Kommunikationsmittel abgewickelt werden, sowohl eine gute visuelle als auch akustische Qualität gewährleisten, die auch widerspiegelt wie etwas gesagt wird. Die Wirkung unserer Stimme sei immens wichtig, wenn es darum geht, überzeugend zu sein und Präsenz zu zeigen, so Siegert weiter, "insbesondere, weil Video-Konferenzen oft unter suboptimalen Licht-, Haltungs- und Blickverhältnissen stattfinden".
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