Die Ausgabebereitschaft der Deutschen stabilisiert sich. Analog zur rückläufigen Inflationsrate sind die Menschen offensichtlich bereit, wieder etwas mehr oder zumindest gleich viel Geld auszugeben als noch vor einem Jahr. Vor allem bei Menschen mit geringerer Ausgabebereitschaft hat sich auch die motivationale Struktur im Jahresvergleich verschoben. So ist die Zahl derjenigen, die sich in den kommenden Monaten auf einen geringeren Lebensstandard einstellen und daher weniger Ausgaben einplanen, um rund sieben Prozentpunkte gesunken. Dafür geben im Vergleich zum Oktober 2022 mehr als doppelt so viele Befragte (15 Prozent vs. sieben Prozent) an, dass sie kurzfristig sparen, um sich in näherer Zukunft etwas Besonderes leisten zu können. Dies sind Ergebnisse der 51. Welle der Langzeitstudie pilot Radar
, für die die Agenturgruppe pilot vom Meinungsforschungsinstitut Norstat
regelmäßig die aktuellen Stimmungen und Einstellungen der Deutschen erheben lässt.
Betrachtet man die Bereiche, für die die Deutschen bereit sind, mehr oder zumindest gleichviel Geld auszugeben, sind dies in erster Linie Weihnachtsgeschenke (+37 Prozent im Vergleich zu Oktober 2022), gefolgt von Urlaub und Reisen (+26 Prozent), Wohnungseinrichtung (+24 Prozent), Bücher/Filme/Musik (+24 Prozent) und dem Segment Gesundheit, Fitness und Wellness (+21 Prozent)).
Word of Mouth als Informationsquelle ist für alle Altersgruppen relevant
Die Informationsquellen, die KonsumentInnen für die Inspiration zu neuen Produkten nutzen, sind dabei altersabhängig recht unterschiedlich: So ist bei der Suche nach Mode, neuen Möbeln oder technischen Gadgets das Stöbern im stationären Handel für die über 50-Jährigen signifikant relevanter als für alle jüngeren Zielgruppen (60 Prozent vs. 44 Prozent bei den 18- bis 49-Jährigen). Dafür lassen sich jüngere Menschen erwartungsgemäß auch durch soziale Medien wie
Instagram
,
Pinterest
,
YouTube
oder
TikTok
beim Shoppen inspirieren (18 bis 29 Jahre: 28 Prozent, 30 bis 39 Jahre: 21 Prozent). Für die älteren Zielgruppen ab 50 Jahre spielen diese Informationsquellen aber kaum eine Rolle (fünf Prozent). Mit durchschnittlichen 43 Prozent über alle Altersgruppen hinweg weitgehend stabil ist dagegen die Relevanz von Empfehlungen durch Freunde oder Bekannte ? das reale, soziale "Word of Mouth" ist und bleibt für KonsumentInnen also eine verlässliche und geschätzte Inspirationsquelle.
Bei denjenigen Befragten, für die Social Media eine wichtige Informationsquelle darstellt, ist auch hinsichtlich der Relevanz von InfluencerInnen ein starker Zusammenhang mit dem Alter erkennbar: Bei den über 50-Jährigen interessieren sich rund zwei Drittel gar nicht für Content-CreatorInnen. Bei den unter 30-Jährigen sagt hingegen mehr als die Hälfte, dass sie schon einmal ein Produkt gekauft haben, dass von einem Influencer bzw. einer Influencerin empfohlen wurde. Insgesamt ist der Anteil der Befragten, die regelmäßig Produkte kaufen, die von Content-CreatorInnen empfohlen werden, mit neun Prozent allerdings noch gering. Eine deutliche Alters-Korrelation ist auch bei der Nutzung des Smartphones für Einkäufe erkennbar: Für rund 50 Prozent der über 60-Jährigen spielt Mobile Shopping gar keine Rolle. Ganz anders sieht es bei den unter 50-Jährigen aus: Hier tätigen zwei Drittel mindestens die Hälfte ihrer Einkäufe mit dem Smartphone. Für diejenigen, die per Smartphone einkaufen, sind Shopping Apps unverzichtbar: Über 90 Prozent haben eine oder mehrere Apps auf ihrem Gerät installiert, wobei die mit Abstand am häufigsten genutzte App Amazon Shopping ist.
Starke Preisrelevanz hat sich aufgeweicht
Das Thema "Preis" als ausschlaggebendes Kaufkriterium hat im Vergleich zum Vorjahr signifikant abgenommen. So ist die Zahl derjenigen, die beim Einkauf von Waren des täglichen Bedarfs "vor allem auf den Preis achten", von 34 Prozent auf 26 Prozent gesunken. Auch der anstehende Black Friday und die damit verbundenen Rabatte haben für die Menschen trotz der immer noch anhaltenden Rezession keine höhere Relevanz als im Vorjahr. Mit 58 Prozent ist der Anteil derjenigen, die die Aktion kennen, aber nicht daran teilnehmen wollen, praktisch gleichgeblieben (2022: 57 Prozent). Gleichzeitig nimmt auch das uneingeschränkte Vertrauen in Marken ("Auf Marken kann man sich auch in unsicheren Zeiten verlassen") seit Beginn der Forschungsreihe kontinuierlich weiter ab, wie bereits in der 50. Welle des pilot Radars beleuchtet wurde. "Trotzdem wäre es die völlig falsche Entscheidung, sich aufgrund des im Kontext der aktuellen Polykrise insgesamt sinkenden Markenvertrauens aus der Markenkommunikation zurückzuziehen, denn so gewinnt der Preis immer mehr an Bedeutung", so pilot-Geschäftsführerin Martina Vollbehr. "Das Investment in Marke ist nach wie vor ein wichtiger Faktor für Profitabilität, und werbliche Kommunikation leistet hierzu einen starken Beitrag, erst recht in einem Umfeld, in dem Konsument*innen weniger Orientierung durch Politik und gesellschaftlichen Zusammenhalt erfahren."
Kommunikation und Markenvertrauen hängen unmittelbar zusammen
Dass Werbung von KonsumentInnen durchaus kritisch betrachtet wird und polarisiert, ist nichts Neues. Wobei sich immerhin 43 Prozent der Deutschen kaum oder sogar nie durch Werbung gestört fühlen, sie zum Teil sogar gut finden. Und genau in dieser Gruppe zeigt sich, dass Kommunikation gerade auch für Marken arbeiten kann. Denn über die Hälfte der Befragten (51 Prozent), die sich weitestgehend positiv gegenüber Werbung geäußert haben, findet auch, dass auf Marken Verlass ist. Im Gegenzug sehen diejenigen, die sich durch Werbung gestört fühlen, in Marken auch eher weniger einen verlässlichen Partner. Daniel Daimler
, Leiter Marktforschung bei pilot:
"Wir sehen in unserer Zeitreihe eine hohe Konstanz der Erfolgsfaktoren für wirksame Kommunikation: die wahrgenommene Relevanz des beworbenen Produktes, die kreative Gestaltung, und vor allem die Vermittlung positiver Emotionen leisten nach wie vor einen stärkeren Beitrag zur Akzeptanz von Werbung als reine Rabattkommunikation oder die Vermittlung von Haltung zu aktuellen gesellschaftlichen Themen. Gerade Letztere ist immer noch zu häufig zu wenig verankert in den Basismotivationen, mit denen KonsumentInnen verschiedene Warengruppen überhaupt verwenden. In der aktuellen Radar-Welle finden wir deutliche Hinweise darauf, welche inhaltlichen Schwerpunkte über den reinen Produktnutzen hinaus für welche Branchen am besten arbeiten."
Branchen stehen unter Druck in der öffentlichen Meinung
Wie stehen die Deutschen im aktuellen wirtschaftlichen und politischen Spannungsfeld zu den unterschiedlichen Bereichen unserer Wirtschaft? Wenn man die Zeitreihe betrachtet, wird deutlich, dass die Mehrheit der Branchen in ihrer öffentlichen Wahrnehmung unter Druck steht. Am stärksten gelitten hat im Vorjahresvergleich das Image der Energieversorger: 45 Prozent der Befragten geben an, dass diese Unternehmen nach ihrem Empfinden schlechter oder sehr viel schlechter in der Öffentlichkeit dastehen als noch vor einem Jahr. Auf dem zweiten Platz landen die Banken mit 38 Prozent, gefolgt von der Gesundheits- und Pharmabranche mit 37 Prozent. Zu den Imagegewinnern hingegen gehören Online-Händler und ECommerce-Plattformen. Hier finden 16 Prozent, dass sich diese Anbieter sehr viel besser oder etwas besser als im Vorjahresvergleich präsentieren. Danach folgen Supermärkte und Discounter mit 14 Prozent und die Gastronomie mit 13 Prozent.
Branchen können sich bestimmte Inhalte für eine positive Wahrnehmung zunutze machen
Dafür gibt es Inhalte, mit denen Unternehmen - abhängig von der jeweiligen Branche - die positive Meinung in der Öffentlichkeit verstärken können. Im Bereich Telekommunikation ist dies beispielsweise die Referenz auf innovative Technologien, auf einen positiven gesellschaftlichen Beitrag oder die Vermittlung von Optimismus bzw. einer Aufbruchstimmung. Bei Energieversorgern sind es Themen wie Nachhaltigkeit, ein positiver gesellschaftlicher Beitrag oder auch schlicht attraktive Preise bzw. Sonderangebote. Supermärkte und Discounter sollten laut der Studie für eine wohlwollende öffentliche Wahrnehmung auf ihren positiven gesellschaftlichen Beitrag, Nachhaltigkeitsthemen, Sonderangebote und auch die Vermittlung von guter Laune und Spaß setzen (siehe Grafik 4).