Die Krise der Lebenshaltungskosten hat zu neuen Verhaltensweisen und Erwartungen seitens der VerbraucherInnen geführt. Daten von über 8.700 Personen aus ganz Europa zeigen, dass damit der Druck auf Unternehmen wächst, mit ihrer Kundschaft auf andere Weise in Kontakt zu treten. So lautet das Fazit einer Verbraucher-Studie der Customer Engagement Plattform Twilio
in Zusammenarbeit mit Oxford-Professor Andrew Stephen
von der Saïd Business School
. Eine Erkenntnis: Um im derzeitigen Wirtschaftsklima erfolgreich zu sein, sollten Unternehmen bei Kundenerlebnissen auf Effizienz, Expertise und Emotionen setzen, hier beschrieben als sogenannte "E3-Formel".
Effizienz, Fachwissen und emotionale Bindung
Die Studie
"The Relationship Economy: Customer Engagement in the Digital Era"
zeigt, dass der Wunsch von KundInnen nach einem effizienten Service nicht nachgelassen hat: 25 Prozent der Befragten weltweit gaben dies immer noch als ihre wichtigste Priorität an. Der Erfolg von schnellen Lieferoptionen und One-Click-Shopping zeigt, dass Bequemlichkeit nach wie vor im Vordergrund steht. Um wirklich erfolgreich zu sein, sollten Unternehmen ihren Schwerpunkt allerdings nicht nur auf die Geschwindigkeit legen, so der Rat der Studienautoren. In der Krise gehe es beim Aufbau von dauerhaftem Kundenvertrauen und anhaltender Loyalität um mehr. Nach der Effizienz nannten nämlich 24 Prozent bzw. 25 Prozent weltweit Expertise und Verhalten - oder emotionale Bindung - als ihre wichtigsten Prioritäten. Mehr Personalisierung hilft laut Twilio bei diesem Spagat, wobei die Kontaktaufnahme auf die Bedürfnisse des Einzelnen in einem bestimmten Kontext zugeschnitten werden sollte.
An der Expertise hakt es jedoch oft: Obwohl der Zugang zu Informationen im digitalen Zeitalter einfacher ist denn je, haben VerbraucherInnen oft Schwierigkeiten, die von den Unternehmen benötigten Antworten zu erhalten. Laut der Studie waren wissensbasierte Anfragen durchweg am schwierigsten zu erledigen. Nur 13 Prozent der Befragten weltweit fanden es einfach, den richtigen Logistikpartner für einen Kauf zu finden. Mehr noch hatten Schwierigkeiten, Informationen zu Diversität, Gleichberechtigung und Integration oder zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens zu finden (12 Prozent bzw. 11,5 Prozent).
Eine Engagement-Strategie sollte daher vorsehen, den VerbraucherInnen Wissen dieser Art zu vermitteln. ServicemitarbeiterInnen erhielten so mehr Möglichkeiten und Zeit, sich auf die komplexeren Anfragen zu konzentrieren, die wirklich einen menschlichen Kontakt erfordern.
"Die jüngsten wirtschaftlichen Herausforderungen haben deutlich gemacht, wie ernst Kundenanfragen sein können und warum Unternehmen die Verantwortung haben, nicht nur schnell, sondern auch überlegt zu reagieren", sagt Sam Richardson, Customer Engagement Consultant bei Twilio.
"Die überlasteten ServicemitarbeiterInnen sind jedoch oft mit der Beantwortung einfacher Anfragen überfordert. Diese könnten besser über andere Wege bearbeitet werden. Außerdem helfen ihnen ihre Systeme oft nicht dabei, die gewünschten Informationen weiterzugeben oder die Kunden zu beruhigen. First-Party-Daten können hier Abhilfe schaffen, indem sie den MitarbeiterInnen beispielsweise Aufschluss darüber geben, warum sich jemand meldet oder wie er den Erhalt der Informationen bevorzugt."
Personalisierung mit Hilfe von First-Party-Daten
Eine weitere Erkenntnis: Langsamere und emotionalere Formen des Engagements sind entscheidend für Unternehmen, die zum Ziel haben, langfristige Beziehungen aufzubauen, die auch dann aufrechterhalten werden, wenn KundInnen unter finanziellen Druck geraten. Unternehmen, die sich in sensiblen Bereichen wie Finanzen mit ihren KundInnen auseinandersetzen, gewinnen so deren Vertrauen. Das wirke sich positiv auf die Kundenbindung und Gewinne aus. Auch in diesem Fall ist die Personalisierung von entscheidender Bedeutung: So könne das Gleichgewicht zwischen menschlicher und digitaler Betreuung auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden.
Verbesserte Effizienz ist nach wie vor ein nützlicher Maßstab bei eher transaktionalen Kundenkontakten. "Effizienter Service" war unter den Befragten weltweit ein häufiger Grund, ein Unternehmen wieder zu nutzen (39 Prozent) oder eine Marke weiterzuempfehlen (37 Prozent). Bei komplexeren oder längerfristigen Interaktionen, wie dem Anschluss an eine Community oder der Bitte um Unterstützung bei Produkten oder Dienstleistungen wünschen sich die VerbraucherInnen jedoch menschliches Einfühlungsvermögen. Auf die Frage, ob sie für diese Aktivitäten digitale oder menschliche Interaktionen bevorzugen, gaben weltweit 74 Prozent bzw. 69 Prozent an, dass sie sich eine menschliche Verbindung wünschen. In ähnlicher Weise nannten die Befragten einen freundlichen Service als beliebtesten Grund für Wiederholungskäufe (42 Prozent) und die Weiterempfehlung einer Marke (37 Prozent).
"Je digitaler Unternehmen werden, desto wichtiger ist es, einen personenbezogenen Ansatz zu verfolgen, um erfolgreich KundInnen zu gewinnen und zu binden", sagt Andrew Stephen, stellvertretender Dekan und L'Oréal-Professor für Marketing an der Saïd Business School der Oxford University.
"Selbst auf digitalen Kanälen ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle Interaktionen mit den KundInnen so 'menschlich' wie möglich sind - insbesondere in turbulenten Zeiten, in denen Menschen das Gefühl haben müssen, dass ihnen zugehört wird. Personalisierung mit Hilfe von First-Party-Daten ist der Weg, um dies auch mit begrenzten personellen Ressourcen zu erreichen - um zu zeigen, dass man versteht, wer jemand ist und woher er kommt. Und zwar in allen Bereichen, vom Marketing bis zum Kundenservice."
Deutsche VerbraucherInnen wünschen sich vor allem Freundlichkeit und Effizienz
Der Großteil der Befragten in Deutschland ist der Meinung, dass Marken heute "etwas leichter" oder "leichter" zu erreichen sind als früher. Mehr als die Hälfte (69 Prozent) stimmt dieser Aussage zu. Die zwei größten Hürden, ein Unternehmen zu kontaktieren, sind es, einen Agenten zur gewünschten Zeit zu erreichen (28 Prozent) und die lange Wartezeit auf eine Antwort (25 Prozent).
Laut Umfrage werden Unternehmen in Deutschland von ihren KundInnen vor allem dann kontaktiert, wenn ein Problem mit dem Produkt oder dem Service vorliegt (29 Prozent), mehr Informationen benötigt werden (13 Prozent) oder positives Feedback gegeben werden möchte (13 Prozent).
Im Vergleich zu den anderen untersuchten Ländern empfinden deutsche VerbraucherInnen die Kommunikation mit einem Unternehmen über digitale Kanäle genauso zielführend (27 Prozent), als mit einem Mitarbeitenden persönlich zu sprechen (27 Prozent). Befragte in Großbritannien, Frankreich und Spanien sehen das anders und bevorzugen den persönlichen Kontakt beim Kauf oder in Anspruchnahme einer Dienstleistung (im Durchschnitt 31 Prozent).
Gleichzeitig gaben die Befragten in Deutschland an, dass freundlicher (42 Prozent), effizienter Service (39 Prozent) und die Expertise der Mitarbeitenden (31 Prozent) ausschlaggebend dabei seien, ein Unternehmen erneut zu kontaktieren. Hier wird das Zusammenspiel von Emotion und Effizienz deutlich. Auch deutsche VerbraucherInnen kann Geschwindigkeit allein nicht zufriedenstellen.
"Die Analyse von First-Party-Daten, um zu verstehen, was die Kundschaft wirklich will und braucht, und die Nutzung dieser Erkenntnisse zur Personalisierung von Serviceangeboten, wird Unternehmen dabei helfen, ein Gleichgewicht zwischen Effizienz, Emotionen und Expertise herzustellen", fügt Sam Richardson hinzu.
"Obwohl die Verbesserung der Geschwindigkeit durch Automatisierung eine 'schnelle Lösung' sein könnte, werden diejenigen in der 'Relationship Economy' gewinnen, die in die langfristige Kundenpflege investieren. Fachkenntnisse und emotionale Bindung sind dann entscheidende Teile dieses Puzzles."