Preisgekrönte Bachelorarbeit

Untersucht: Welches Potential Voice Commerce wirklich hat

13.12.2023 - Mit ihrer Arbeit "Analyse des Potenzials von Voice Commerce - Einsatzmöglichkeiten und Herausforderungen für den stationären Handel" konnte Vanessa Wedge, Studentin an der Hochschule Offenburg, die Jury des Alfred-Gerardi-Gedächtnispreis (AGGP), der jährlich durch den DDV vergeben wird, überzeugen. ONEtoONE veröffentlicht Auszüge daraus.

von Vanessa Wedge

In den letzten Jahren haben sich Sprachassistenten rasant verbreitet. Die Nutzendenzahlen stiegen sogar deutlich schneller, als bei der Verbreitung des Smartphones. Demzufolge beschäftigt sich auch der stationäre Einzelhandel immer mehr mit diesem Instrument und die Geschäfte überlegen sich, wie sie davon profitieren können. Notwendig ist es daher, sich mit den technischen und kommunikativen Besonderheiten der Sprachassistenten auseinanderzusetzen und zu verstehen, wie diese funktionieren. Die Sprache ist die natürlichste und verständlichste Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Mithilfe von Sprachassistenten wird eine intuitive sowie effizientere Interaktion mit Maschinen ermöglicht, da Menschen in der Lage sind, 150 Wörter pro Minute zu sprechen, im Gegenzug aber nur 40 Wörter pro Minute tippen können.

Voice Commerce: Die Zukunft des Einkaufs durch digitale Sprachassistenten

Unter Voice Commerce versteht man den Kauf oder den Verkauf von Waren und Dienstleistungen über digitale Kanäle mithilfe von Sprachassistenten. Beim Voice Commerce verlassen sich verbrauchende Personen bei der Erledigung von Einkäufen auf digitale Sprachassistenten, welche mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind.

Die allgegenwärtige Verbindung zwischen den Konsumierenden und der Sprachassistenten ermöglicht es auch dem Einzelhandel, die Beziehungen zu ihrer Kundschaft über die vier Wände ihrer Geschäfte hinaus auszudehnen. Die Konsumierenden und der Handel werden aufgrund der wachsenden Anzahl sprachbasierter Anwendungen an verschiedenen Standorten miteinander verbunden sein, sei es zu Hause, unterwegs oder im Geschäft selbst.

Eine Analyse des Potenzials von Voice Commerce basierend auf Befragungen und Interviews

Um das Potenzial von Voice Commerce unter anderem für den stationären Handel herauszufinden, wurden 285 Personen unterschiedlicher Altersgruppen befragt und Interviews mit stationären Geschäften aus verschiedenen Branchen, dem Sport-, Lebensmittel-, und Elektrohandel, geführt.

Von den Teilnehmenden haben 127 Personen angegeben, dass sie mehrmals pro Monat im Internet einkaufen. Nur acht Personen haben auf diese Frage mit "nie" geantwortet. Vergleicht man die Ergebnisse mit dem stationären Handel, kaufen 121 Personen wöchentlich im stationären Handel und nur 38 Personen kaufen wöchentlich im Internet ein.



Die Ergebnisse zeigen, dass die Nutzung von Sprachassistenten unter den Befragten insgesamt noch gering ist. 120 Personen gaben an, ihren Sprachassistenten nie zu nutzen und nur 15 Personen verwenden diesen sehr oft.



Auf die Frage, wofür die Teilnehmenden Sprachassistenten nutzen, wurde "Kontakte anrufen" am häufigsten genannt. Die Teilnehmenden wurden außerdem gefragt, ob sie sich bereits mithilfe eines Sprachassistenten über ein Produkt informiert haben. Von diesen antworteten 45 Personen mit "ja" und 240 Personen mit "nein".

Insgesamt acht Personen haben bisher per Sprachassistenten eingekauft, am beliebtesten war dabei die Kategorie "Fashion und Accessoires" (vgl. Abb. 4). Darauf folgte die Frage, was alle Teilnehmenden am ehesten per Sprachassistent kaufen würden, wobei Drogerieartikel am häufigsten genannt wurde. Nur jeweils sechs Personen können sich vorstellen, Möbel, Heimwerkgeräte und Gartengeräte über einen Sprachassistenten zu erwerben.



Auf die Frage, bei welchen Produktkategorien die Teilnehmenden eher den stationären Handel bevorzugen würden, anstatt diese über einen Sprachassistenten zu bestellen, gaben 159 Personen an, Lebensmittel bevorzugt im stationären Handel zu erwerben. 131 Personen bevorzugen den stationären Handel für den Kauf von Elektroartikel.

Die am häufigsten genannte Antwort auf die Frage, warum die Teilnehmenden bisher zögerten, über Sprachassistenten einzukaufen, war der Wunsch, die Produkte vor dem Kauf zu sehen. Diese Meinung vertreten 122 Personen. Andere Personen haben kein Vertrauen in die Technologie oder allgemein wenig Kenntnisse über Sprachassistenten. 42 Personen haben zuvor noch nie etwas von Voice Commerce gehört.

"Was motiviert Sie dazu oder was würde Sie dazu motivieren über Sprachassistenten einzukaufen?" 142 Teilnehmende nannten die Bequemlichkeit als Hauptmotivation. An zweiter Stelle stand die Schnelligkeit mit 108 Stimmen. Darüber hinaus kam zur Sprache, dass Voice Commerce besonders für blinde oder behinderte Menschen interessant sein sein.

Die Befragung ergab auch, dass die Personen am ehesten bereit wären, bis zu einem Betrag von 100 Euro über Sprachassistenten einzukaufen (vgl. Abb. 4). Interessanterweise wurde jedoch mehrfach erwähnt, dass der Preis für die Teilnehmenden keine Rolle spielen würde. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass Voice Commerce von einem Teil der Befragten mit regulärem Onlineshopping gleichgestellt wird.



Betrachtet man die allgemeinen Anforderungen an den Sprachassistenten, würden 97 Personen eine weibliche Stimme präferieren. 101 Personen wäre die Stimme des Assistenten egal.

Ebenfalls konnte festgestellt werden, dass die automatische Zusammenstellung des Warenkorbs die Wahrscheinlichkeit nicht erhöhen würde, über einen Sprachassistenten einzukaufen. Ein Beispiel dafür ist: "Alexa, erstelle einen Warenkorb mit allen Zutaten für eine vegetarische Lasagne". Dabei haben 117 Personen mit "ja" geantwortet und 168 Personen mit "nein".

Abschließend würde die Mehrheit am ehesten per Kartenzahlung beim Voice Commerce bezahlen.

Einsatzmöglichkeiten

Seitens der Kundschaft können Sprachassistenten als Beratungsinstrument dienen oder bei Ersatzbeschaffungen besonders hilfreich sein. Vor allem bei Produkten, die keine aufwendige Beratung erfordern, kann Voice Commerce super funktionieren.

In der Umfrage wurden zusätzlich spezifische Anwendungsmöglichkeiten abgefragt. Zunächst wurde gefragt, ob die Teilnehmenden einen Sprachassistenten zu Hause nutzen würden, um den Bestand eines bestimmten Produkts im Handel abzufragen. Dabei gaben 201 Personen an, dass sie diese Möglichkeit gerne nutzen würden (vgl. Abb. 5). Von diesen Personen gaben weitere 170 an, dass sich dadurch auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen würde, tatsächlich in den stationären Handel zu gehen, um das Produkt letztendlich zu erwerben.



Auf die Frage, was die Teilnehmenden von der Idee halten, ein oder mehrere Produkte über einen Sprachassistenten zu bestellen und diese anschließend im Handel abholen zu können, fanden 130 Personen dies gut und 65 Personen fanden es sogar sehr gut. 67 Personen hielten die Option für weniger gut und 23 Personen fanden die Idee überhaupt nicht gut.

Wenn der stationäre Handel einen Sprachassistenten vor Ort zur Verfügung stellt, würden 174 Personen diesen für Preisabfragen vor Ort verwenden. Falls die Teilnehmenden auf der Suche nach einem bestimmten Produkt wären, würden 222 Personen den Sprachassistenten vor Ort nutzen, um herauszufinden, wo das Produkt zu finden ist (beispielsweise durch die Angabe der Regalnummer). Diese Funktion kann sowohl von den Kundinnen und Kunden als auch von den Mitarbeitenden des Geschäfts genutzt werden. Die Mitarbeitenden können den Sprachassistenten vor allem für Lagerbestandsabfragen nutzen, ohne jedes Mal im Lager nach einem Produkt suchen zu müssen. Dies trägt zur Effizienzsteigerung bei und kann gleichzeitig dem Personalmangel entgegenwirken. Zudem kann die Präsenz von Sprachassistenten im stationären Handel die Kundschaft mit der Nutzung vertraut machen und das Einkaufserlebnis verbessern.

Die größte Umsetzungsbereitschaft von Voice Commerce oder der Nutzung von Sprachassistenten im Allgemeinen konnte im Elektrohandel festgestellt werden, gefolgt vom Lebensmittelhandel. Letztlich ist eine klare Kommunikation seitens der Unternehmen über die Verfügbarkeit und Funktionsweise von Voice Commerce entscheidend, um Sicherheitsbedenken auszuräumen und die Integration in das Geschäftsmodell zu fördern.

104 Personen finden es wichtig, dass sie der Sprachassistent über aktuelle Angebote informieren kann, während 41 Personen diese Funktion sogar für sehr wichtig empfinden.

Eine konkrete Einsatzmöglichkeit im Elektrohandel um auf aktuelle Angebote hinzuweisen könnte wie folgt lauten:

"Ihre Waschmaschine hält bereits länger als vergleichbare Modelle. Das aktuelle Nachfolgemodell bietet zusätzliche Komfortfunktionen und einen wesentlich niedrigeren Energieverbrauch. Darf ich Sie benachrichtigen, wenn wir die Maschine zu einem besonders günstigen Preis anbieten? Wir nehmen Ihre alte Maschine gerne bei Lieferung der neuen Maschine zurück".

Zusätzlich kann darauf hingewiesen werden, dass die Kundschaft sowohl die Möglichkeit hat, das Gerät vor dem Kauf im Geschäft anzusehen als auch es dort direkt zu erwerben. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit, die für Geschäfte unterschiedlicher Branchen funktionieren kann, ist das sogenannte "Say & Collect", das dem Prinzip des "Click & Collect" folgt.

Nebenbei findet die Mehrheit der Befragten es weniger wichtig, Informationen über die AGBs oder den Datenschutz per Sprachassistent abfragen zu können.



Herausforderungen

Für den Handel ist es entscheidend, in der digitalen Welt präsent zu sein, ohne den persönlichen Kontakt zu seiner Kundschaft zu verlieren. Die Herausforderung besteht darin, eine Verbindung zwischen Online- und Offline-Erlebnissen zu schaffen, die den individuellen Bedürfnissen der Unternehmen entspricht. Eine Schwierigkeit ist, das etablierte Einkaufsverhalten zu durchbrechen, da die meisten Menschen nach festen Gewohnheiten einkaufen. Voice Commerce muss einen erheblichen Mehrwert bieten, um die Verbrauchenden zu motivieren, ihre Gewohnheiten zu ändern. Rabattaktionen könnten eine Möglichkeit sein, die Nutzung von Voice Commerce zu steigern. Die persönliche Beratung bleibt dennoch weiterhin wichtig und wird durch Voice Commerce erschwert sein. Weitere Herausforderungen können die Erstellung hilfreicher und neutraler Sprachinhalte, rechtliche Aspekte oder auch technische Schwierigkeiten sein.

Abschließend ist festzuhalten, dass Deutschland zwar noch zögerlich ist, die Unternehmen diese Technologie aber nicht verpassen sollten. In Zukunft können sich 84 der 285 Befragten vorstellen, Voice Commerce aktiv zu nutzen (vgl. Abb. 7).



Voice Commerce bietet stationären Geschäften die Möglichkeit, ihren Kunden einen schnelleren und bequemeren Einkauf vor allem von Alltagsprodukten zu ermöglichen. Unternehmen können gezielter auf die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden eingehen und so die Bindung stärken. In den USA haben bereits 60 Prozent der Personen, die einen Sprachassistenten besitzen, auch schon einen Einkauf darüber getätigt. Prognosen zufolge, werden bis 2030 insgesamt 26 bis 37 Prozent der E-Commerce- Umsätze in Europa von Voice Commerce stammen. Das Potenzial für eine Revolution des Handels besteht damit definitiv.


Vanessa Wedge, Studentin an der Hochschule Offenburg, konnte sich in diesem Jahr mit ihrer Bachelorarbeit beim diesjährigen Alfred-Gerardi-Gedächtnispreis (AGGP) durchsetzen, den der Deutsche Dialogmarketing Verband (DDV) jährlich für die besten wissenschaftlichen Arbeiten aus dem Bereich Dialogmarketing vergibt. Bei dem veröffentlichten Text handelt es sich um einen Auszug aus ihrer Arbeit "Analyse des Potenzials von Voice Commerce - Einsatzmöglichkeiten und Herausforderungen für den stationären Handel".

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