Gratisversand wird im Deutschen Online-Handel immer seltener, Mindestbestellwerte neben generellem kostenpflichtigem Versand werden zur Norm. Selbst der Berliner Modeversender Zalando lässt seine Kunden seit Juli 2022 für Bestellungen unter 24,90 Euro 4,90 Euro bezahlen. Dabei hatte er mit seinem "Schrei vor Glück"-Versprechen bei der Gründung 2008 den Gratisversand im deutschen Online-Handel selbst zur Benchmark gemacht.
Aus Händlersicht retten Versandgebühren die eigene Marge. Die Kunden jedoch erwarten für ihr Geld auch eine erstklassige Leistung und keine Pakete, die nach tagelangem Warten von einem Zusteller ohne Nachricht bei einem Nachbarn abgegeben wurden. Um dies zu verhindern, müssen Online-Händler ihre Kunden auch nach dem Klick auf den Kaufen-Button eng begleiten und dürfen die Verantwortung dafür nicht an ihre Logistiker abgeben. ParcelLab
-Gründer Anton Eder
sagt: "Mit der Einführung von Versandgebühren werden Fulfillment und Zustellung für die Kunden zu Service-Dienstleistungen, für die sie Geld bezahlen", Entsprechend würden die Erwartungen steigen an ein erstklassiges Erlebnis. Er klagt: "Aktuell sehen wir auf dem Markt noch viele Anbieter, die vor dem Umstieg zu kostenpflichtigem Versand noch die ein oder andere Hausaufgabe erledigen müssen." Er empfiehlt:
1. Kundenkommunikation: Nennen Sie Ihren Kunden einen möglichst konkreten Liefertermin - und halten Sie dieses Versprechen auch ein
Lieferzeit in 1 bis 3 Werktagen ist für den Kunden weniger transparent als die Aussage: "Wenn Sie heute bis 14.00 Uhr bestellen, übergeben wir Ihr Paket noch heute unserem Logistiker." Noch besser ist es, wenn dem Kunden ein konkreter Liefertag genannt wird. Und am allerbesten ist es, wenn die zahlende Kundschaft selbst bestimmen kann, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit der Zusteller an ihrer Tür klingeln soll. Wichtig: Derartige Zusagen sind keine unverbindliche Absichtserklärung, sondern sollten für den Kunden verlässlich sein. Mithilfe von maschinellem Lernen lassen sich treffsichere Zustellprognosen geben, indem historische Daten zu Versandzeiten, Routen und andere Faktoren, die sich auf die Zustellung auswirken können, analysiert werden.
Versandkostenmodell der Top-100-Shops 2022
Grafik: ParcelLab
2. Versandkommunikation ist Chefsache
Die Versandphase ist der emotionalste Teil der Customer Journey. Kunden freuen sich auf den Erhalt ihrer Pakete. Unverständliche Status-Updates von Logistikern nach dem Motto "Ihr Paket wurde zur Weiterverarbeitung markiert" verwandeln die Freude allerdings in Ratlosigkeit. Um dies zu verhindern, sollten Online-Versender die Post-Purchase-Kommunikation selbst in die Hand nehmen. Informieren Sie Ihre Kunden in Ihrem Look & Feel und mit Ihrer Corporate Language nach der Bestellbestätigung darüber, dass die Ware an den Logistiker übergeben wurde und liefern Sie auch gleich die Tracking-Nummer mit. Lassen Sie Ihre Kunden auch wissen, wenn die Ware ins Zustellfahrzeug verladen wurde und dass sie "heute" zugestellt wird. Auch wenn die Bestellung zugestellt wurde, freut sich der Kunde über eine Nachricht, gegebenenfalls auch mit dem Vermerk, bei welchem Nachbarn er sein Paket abholen kann. Und im Fall einer Retoure gehören Hinweise über den Eingang der Retoure, die Prüfung und die Rückzahlung zum guten Ton in der Versandkommunikation. Größtmögliche Nahbarkeit signalisiert, wer für Rückfragen mindestens eine Kontaktmöglichkeit anbietet.
3. Passen Sie Ihre Kommunikation an die Versandphase an
Bei nicht wenigen Kunden stellt sich nach dem Kauf erst einmal eine Art Katergefühl ein: Habe ich das richtige Produkt gekauft? Brauche ich die Ware wirklich oder habe ich jetzt unnötig Geld ausgegeben? Greifen Sie diese Emotion gleich bei der Bestellbestätigung auf, werden Sie kreativ und bestätigen Sie Ihren Kunden mit schlagenden Argumenten (z.B. Sterne-Ratings, Produktbewertungen etc.), dass sie die beste Wahl der Welt getroffen haben und ihren Kauf nicht bereuen werden." Steht die Zustellung kurz bevor, können Sie die Vorfreude auf den Empfang noch steigern, indem sie den Kunden zum neuen Frühlings-Outfit beispielsweise eine Liste der schönsten Orte für den Frühling schicken, wohin das neue Outfit ausgeführt werden darf. Und wenn die Sendung angekommen ist, helfen Stylingtipps, Aufbauanleitungen oder Kochrezepte beim Gebrauch.
4. Call Center entlasten: Nutzen Sie das Kundenkonto für Track'n Trace und Anmeldung von Retouren
Nicht nur Sie als Kundenservice-Verantwortlicher sind genervt, wenn die Kunden im Call-Center anrufen, um zu fragen, wo ihre Bestellung bleibt. Auch die Kunden würden diese Anrufe lieber vermeiden. Auch sie bevorzugen es, selbst recherchieren zu können, wann ihr Paket tatsächlich ankommt, um auch vor Ort zu sein, wenn der Zusteller klingelt. Ein Tracking-Link zur Sendungsverfolgung ist hierfür das optimale Tool, vorausgesetzt, die Informationen, die der Kunde darüber erhält, sind auch verständlich. Auch hier gilt: Besser übernehmen die Händler die Kommunikation selbst und verlinken nicht auf die Sendungsverfolgungsseite ihres Logistikers, sondern zurück in das Kundenkonto im Webshop, wo der derzeitige Bearbeitungsstand transparent erklärt wird. Auf diese Weise können Händler auch Cross- und Upselling-Potenziale heben. Zudem können Kunden den Bearbeitungsstand ihrer Bestellung in ihrem Kundenkonto auch dann einsehen, wenn sie die Tracking-Nummer gerade nicht zur Hand haben. Und Händler können den neuerlichen Kundenkontakt für geschicktes Cross- und Upselling nutzen.
5. Erstatten Sie die Versandkosten bei verspäteten Lieferungen
Kommt ein Paket später an als versprochen, sind Ärger und Enttäuschung vorprogrammiert. Das galt schon bei Gratisversand, wird aber durch kostenpflichtigen Versand noch verstärkt. Schließlich hat der Kunde das Gefühl: "Ich habe für eine Leistung bezahlt, die der Händler nicht wie versprochen erbracht hat." Tracken Sie daher den Fulfillment-Prozess genau, um Signale für Verspätungen frühzeitig zu erkennen, und informieren Sie Ihre Kunden proaktiv. Gehen Sie auf Ihre Kunden ein und kommunizieren Sie, dass Sie ihren Ärger verstehen. Im Idealfall erstatten Online-Händler nicht nur die Versandkosten, sondern geben noch ein kleines Trostpflaster dazu. Über den standardmäßig gewährten 10-Prozent-Rabatt werden die Kunden vermutlich weniger begeistert sein als über ein kreatives Wiedergutmachungsangebot, das auf Sie als Marke einzahlt, für ein Schmunzeln sorgt und signalisiert: "Wir nehmen uns den Fehler zu Herzen und haben uns wirklich Gedanken gemacht."
6. Serviceorientierung: Unterscheiden Sie bei kostenpflichtigen Retouren zwischen Umtausch und Retoure
Auch wer als Online-Händler Retouren kostenpflichtig macht, muss in Sachen Kundenerlebnis künftig eine Schippe drauflegen. Dazu zählt nicht nur, den Kunden das bezahlte Geld schnellstmöglich wieder zurückzuzahlen und sie über jeden Stand der Retoure - vom Eingang bis zur Auszahlung - zu informieren. Händler könnten in ihrer Gebührenstrategie auch unterscheiden, ob Kunden ein Produkt nur in eine andere Größe umtauschen oder Bestellungen wirklich ersatzlos zurückschicken wollen. Dies funktioniert allerdings nur, wenn Online-Händler für die Rücksendung ein Retourenportal nutzen. Kunden, die einen Umtausch einläuten, können darüber dann wie gewohnt einen QR-Code generieren und damit das Paket kostenlos bei ihrer Poststation abgeben, während Retournierer die Kosten selbst tragen müssen.