Im Ranking der größten Fullservice-Internetagenturen sind die inhabergeführten Agenturen seit Jahren auf dem Rückzug. Doch als Dienstleister sind sie eine wertvolle Alternative zu den großen Netzwerkagenturen, weil auftraggebende mittelständische Unternehmen bei ihnen auf Augenhöhe beraten werden. Wir präsentieren darum zum zweiten Mal das Ranking der deutschen inhabergeführten Fullservice-Digitalagenturen.
Es zeigt sich: Hier ist alles etwas kleiner, etwas übersichtlicher, etwas persönlicher als bei der großen Rankingschwester, dem Internetagentur-Ranking
(IAR). Rund 669 Millionen Euro haben die 112 gelisteten inhabergeführten Digitalagenturen im Jahr 2022 umgesetzt - im Schnitt also knapp sechs Millionen Euro. 58 Mitarbeitende beschäftigt jede Inhaberagentur durchschnittlich, was sie auf einen durchschnittlichen Pro-Kopf-Umsatz von 103.000 Euro bringt.
Zum Vergleich: Die 159 Top-Digitalagenturen im diesjährigen Internetagentur-Ranking bringen es auf über 2,75 Milliarden Euro Honorarumsatz. Damit setzt die durchschnittliche inhabergeführte Digitalagentur etwas mehr als ein Drittel dessen um, was die durchschnittliche deutsche Fullservice-Digitalagentur umsetzt (17,3 Millionen Euro Honorarumsatz). Inhaberagenturen sind kleiner - sie beschäftigen durchschnittlich nur zwei Fünftel der Menschen (IAR-Schnitt: 140 Mitarbeitende) und setzen pro Kopf auch weniger um (123.00 Euro bei den IAR-Agenturen).
Kein Wunder: Unter den 20 umsatzstärksten Unternehmen des Internetagentur-Rankings finden sich nur eine inhabergeführte Agentur, wie unsere Recherchen ergeben haben: Dotsource
auf Platz 18.
Umsätze liegen enger beisammen
Die Umsatzunterschiede zeigen sich besonders, wenn man die kumulierten Umsatzanteile der beiden Rankings übereinander legt: Machen die Top10 des Internetagentur-Rankings über die Hälfte des gesamten dort gelisteten Honorarumsatzes aus, sind es bei dem Ranking der inhabergeführten Agenturen nicht einmal zwei Fünftel. Kumuliert auf den folgenden Plätzen sieht man deutlich, dass sich Inhaberagenturen deutlich weniger voneinander unterscheiden, als das bei den Digitalagenturen insgesamt der Fall ist. Ihre Umsatzanteile liegen enger beieinander, es gibt keine Riesenagenturen, die das Ranking auseinanderziehen:
Umsatzverteilung bei dem Internetagentur-Ranking im Vergleich zum Ranking Inhabergeführte Agenturen
Grafik: iBusiness
An diesem Siegel erkennt man TOP-inhabergeführte Digitalagenturen.
Die wie schon im Vorjahr führende Dotsource SE ist zwar 40 Prozent größer als der Zweitplatzierte - aber der Abstand ist nicht so groß wie beim Internetagenturranking, wo der Erstplatzierte mehr als doppelt so groß ist. Zwischen den Plätzen zwei und sieben bewegen sich alle inhabergeführten Agenturen sehr eng beieinander. Appsfactory
mit 29,5 Mio Honorarumsatz, Antwerpes
(25 Mio.), Denkwerk
(24,5 Mio.), Nexum
(24 Mio.), Neuland
und Laudert
(je 22 Mio.) trennt jeweils nur ein Wimpernschlag. Brandung
, Striped Giraffe
sowie Virtual Identity
mit je 15 Mio. vervollständigen das eng zusammenliegende Feld der größten Inhaberagenturen.
Bemessungsgrundlage des Rankings ist der gemeldete Dienstleistungsumsatz, der im aktuellen Internetagenturranking veröffentlicht wurde. Zusätzlich hat die Redaktion ermittelt, ob die Agentur inhabergeführt ist - also nicht Teil eines Netzwerks ist, nicht selber den Kopf eines Netzwerks ist beziehungsweise mehrheitlich (50,1 Prozent) einem anderen Unternehmen gehört.
Das Renditeproblem der inhabergeführten Digitalagenturen
Mit unseren großen Agenturrankings bildet iBusiness regelmäßig die deutschsprachige Agenturlandschaft detailliert ab: Neben dem
Ranking der größten inhabergeführten Digitalagenturen und dem
Ranking Performance-Marketing 2023, das Performance-Agenturen anhand der Summe der betreuten Werbebudgets der Kunden rankt, erscheint jährlich das
Internetagentur-Ranking
der größten deutschen Internet-Fullservice-Agenturen, basierend auf ihrem Dienstleistungsumsatz.
Wachstums-Vergleich Fullservice-Internetagenturen, Performance-Agenturen, Inhabergeführte Agenturen nach Zahl der Mitarbeitenden und nach Umsatz,
Grafik: iBusiness
Diese Rankings zeigen jeweils detailliert, wie sich die einzelnen gelisteten Unternehmen bei Honorarumsatz beziehungsweise Billings wachsen oder schrumpfen und wie sich die Zahl der Mitarbeitenden verändert. In Zeiten von Wirtschaftskrisen stossen jedoch Rankings auf ein Problem: So manche Agentur, setzt (wenn der Umsatz schwächelt) gerne mal ein Jahr aus. So kann man das Jahr danach wieder ?neu? ins Ranking einsteigen und vermeidet, dass das jeweilige Ranking für sie ein Minus ausweist. Agenturrankings sind also naturgemäß eine Übersicht von eher optimistisch orientierten Geschäftsführungen. Weil die fehlen, denen es nicht so gut geht, sind aus Rankings abgeleitete Branchenübersichten eben auch eine optimistische Sicht der Dinge.
Weil ich unter Umgehung dieses Strukturfehlers herausfinden wollte, wie sich die Agenturbranche im Ganzen im vergangenen Jahr tatsächlich entwickelt hat, habe ich bei allen drei aktuellen Rankings jeweils nur die Umsatzentwicklungen derjenigen Agenturen ausgewertet, die sowohl in dem 2022er und dem 2023er Ranking vertreten gewesen ist. Damit habe sozusagen den Pessimismus als Fehlerquelle ausgeschlossen. Jeweils rund zwei Drittel der Agenturen haben in den drei Rankings jeweils in beiden Jahren gemeldet. Bei den sowohl im Internetagenturranking 2022 und 2023 vertretenen Agenturen ist der Umsatz um im Schnitt 21,5 Prozent gewachsen. Bei den Performance-Agenturen ging der Umsatz um durchschnittlich 13,3 Prozent nach oben. In beiden Rankings war der durchschnittliche Anstieg der Zahl der Mitarbeitenden rund 6,7 Prozent. Anders bei den Inhaber-Agenturen. Hier wuchs der Umsatz unterdurchschnittlich um 9,8 Prozent, die Zahl der Mitarbeitenden jedoch mit 9,1 Prozent deutlich stärker als in den beiden anderen Agentursegmenten.
Große (Netzwerk-)Agenturen profitieren überdurchschnittlich vom lukrativen Beratungsgeschäft, inhabergeführte Agenturen sind kleiner. Der Skaleneffekt funktioniert wohl auch in der Performance-Branche, wo einzelne Dickschiffe den Durchschnitt heben. In beiden Segmenten zeigt sich, dass mehr Umsatz mit nur wenig mehr Personal zu schaffen ist. Während bei den Inhaber geführten Agenturen Umsatz- und Personalwachstum im Gleichschritt marschieren. Das wäre kein Problem, wenn man vom diesjährigen Umsatzwachstum nicht die hohe Inflation abziehen müsste. Der Pro-Kopf-Umsatz von durchschnittlich 103.000 Euro bei den Inhaber-Agenturen ist nicht nur niedriger als bei anderen Agenturen: Er ist im vergangenen Jahr auch deutlich weniger wert geworden - während die Kosten bei allen Agenturen schneller wachsen.
Inhaber-Agenturen haben im vergangenen Jahr also an Boden verloren - und das zeigt sich schon bei den optimistischeren (weil meldenden) unter ihnen. Hier werden so manche Inhaberinnen und Inhaber schleunigst an Geschäftsprozessen und -modellen nachbessern müssen.