"Den CMO gibt es so nicht mehr"

Florian Resatsch, Viessmann

Bild: Viessmann

04.04.2019 - Auch bei dem Spezialisten f�r Heiz- und Klimal�sungen Viessmann h�lt die Digitale Transformation Einzug. Digitale Gesch�ftsmodelle erg�nzen die handfesten Produkte. Marketer Florian Resatsch wechselte von der Position eines Digital-Gesch�ftsf�hrers bei Str�er zu dem familiengef�hrten Mittelstandsunternehmen. Im ONEtoONE-Interview verr�t er, wieso es den Job als Chief-Marketing-Officer nicht mehr gibt, weshalb er unter die Produkterfinder ging und warum es ihm wichtig ist,den Endkunden direkt anzusprechen.

von Susanne C. Steiger

Branchenfremd die Transformation in einem sehr technischen Betrieb voranzubringen, wie geht das eigentlich?Eigentlich komme ich aus dem Mediagesch�ft - mit ganz anderen Geschwindigkeiten, und ganz anderen Produkten. Aber gerade darum war es f�r mich spannend, bei einem Anbieter von echten handfesten Produkten bei der Digitalisierung mitzuwirken. Noch dazu bietet Viessmann eine Produktpalette, die einen positiven Effekt f�r die Umwelt mit sich bringt. Moderne Heiz- und Energiesysteme k�nnen deutlich zur CO2-Reduktion beitragen. Mit den nachhaltig gepr�gten Werten des Unternehmens kann ich mich voll identifizieren.

Das Verkaufen ist jetzt aber nicht ihr Fokus?Nicht prim�r, obwohl wir alle sehr konsequent vom Kunden her denken. Bei mir ging es darum, wie man auf Basis der vorhandenen Hardware Produkte und digitale Services anbieten und vermarkten kann. Also eine Erweiterung der Angebotspalette - neudeutsch des "Offerings" - zu schaffen und zugleich das Ganze auf eigene F��e zu stellen.
Meine Aufgabe neben dem Marketing ist es eben auch, diese neuen digitalen Gesch�ftsmodelle zu etablieren. Das geht �ber eine normale CMO-Job�beschreibung hinaus. Aber den CMO gibt es ja so klassisch eigentlich sowieso kaum mehr, die Bereiche und Aufgaben verschmelzen. Dazu geh�rt auch, den zuk�nftigen Nutzern nahezubringen, dass eine Heizung heute nicht mehr in einer Summe bezahlt werden muss, sondern dass auch ein Leasing m�glich ist.
Mit diesem "Heating as a Service"- Modell sind wir frisch am Markt und bieten neben der Basisl�sung auch die Energiekosten im Paket mit an - dazu k�nnen auch Versicherungsservices etc. gebucht werden. Quasi ein Rundum-Paket auf Basis der Konnektivit�t.

Nun halten Heizungen meist ein bisschen l�nger, das Verkaufen ist also eher einmalig, zumindest bei den Endkunden…Da haben Sie Recht, in der Regel kaufen die Leute zweimal eine Heizung, wenn sie Eigentum haben. F�r die Marke ist es aber sehr wichtig, genau dann pr�sent zu sein und zus�tzlich durch Services oder Updates regelm��ig in den Austausch zu treten. Daher sind wir beispielsweise auch mehr im Sponsoring unterwegs, um die Marke im Bewusstsein zu halten. Bei einem Produkt wie Heizungen ist es zudem eine Herausforderung f�rs Marketing, dass der Name der Marke bislang vor allem dann ins Bewusstsein r�ckt, wenn sie einmal ausf�llt. Da setzt jetzt unser erweitertes Gesch�ftsfeld an, indem wir versuchen, es den Endkunden so einfach wie m�glich zu machen mit seinem Installateur in Kontakt zu treten, der die entsprechenden Ersatzteile rechtzeitig bereit stellen kann. Stellen Sie sich einfach einen Notfallknopf auf dem Handy vor. Im besten Fall sieht der Heizungsbauer ja schon fr�hzeitig, wenn es Probleme gibt. Es geht also auch darum, neue digitale Gesch�ftsmodelle zu entwickeln und digitale Produkte so zu bauen, dass sie im Zusammenhang mit einer Heizung im Gesamtkontext funktionieren.

Wie muss ich mir das im Fall des Notfallknopfs vorstellen?Das ist eine App, die Sie auf ihrem Smartphone haben und die mit Ihrer Heizung verkn�pft ist. Dar�ber hat dann der Installateur alle Daten zur Verf�gung, wenn Sie ihn informieren, dass die Heizung ausgefallen ist. Der Installateur selbst kann mit seiner App auch "in" die Heizung schauen, um den Grund des Defektes zu finden nat�rlich nur, wenn der Endkunde diese Funktion und die AGB freigeschaltet hat. Im Normalfall f�llt die Heizung sowieso nicht aus, sondern der Kunde macht sich eher �ber das Energiemanagement Gedanken oder erweitert sein Haus mit Sensoren und Aktoren. Genau deswegen ist es f�r uns als Hersteller wichtig, die richtigen Schnittstellen und Services anzubieten - die Heizung ist ja immer das Herz des Hauses.

Das ist schon recht weit vorausgedacht, damit haben Sie aber sicher nicht gleich angefangen?Max Viessmann, der CEO in vierter Generation, ist 2015 ins Unternehmen eingestiegen und hat zun�chst vor allem die Digitalisierung vorangetrieben. Ich bin dann in Berlin dazu gekommen und wir haben dort den Standort aufgebaut mit mittlerweile �ber 100 Leuten, die sich darum k�mmern, f�r das Kerngesch�ft digitales Marketing und digitale Produkte mit zu entwickeln. Wir haben das nach und nach aufgebaut - die fehlende r�umliche N�he zu den Produktionsorten l�sen wir mit crossfunktionalen Teams. Wichtig war und ist vor allem, dass alle Ebenen im Unternehmen an der Digitalisierung mit Freude mitarbeiten.

Wie sieht das konkret aus?Technisch haben wir die komplette Firma mit allen Standorten auf Google umgestellt und nutzen sehr stark Co-Creation Tools wie Asana. So arbeiten wir beispielsweise �ber vier Standorte hinweg im IT-Bereich zusammen. Wobei es immer auch gegenseitige pers�nliche Besuche gibt, bei denen man dann an einem Standort zwei, drei Tage zusammenarbeitet. Wichtig ist das Verst�ndnis f�r die Bed�rfnisse der Kunden rund um die Produkte und die Produkte selber. Ganz entscheidend in der Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen war und ist in diesem Punkt auch der gegenseitige Respekt. Darauf aufbauend k�nnen wir dann portfoliogetrieben neue L�sungen entwickeln, die exakt auf den Kunden zugeschnitten sind.

Der Kunde soll also mehr als zweimal im Leben eine Heizung kaufen, die er ja gar nicht direkt bei Ihnen kauft…Ja genau, die Kunden kaufen ja beim Installateur. Aber sie haben trotzdem eine ver�nderte Erwartungshaltung und m�chten Services, die viele Installateure vielleicht so gar nicht bieten k�nnen. Wir als Hersteller schlie�en diese L�cke, beispielsweise �ber die Koordination der F�rderm�glichkeiten beim Neu- oder Ausbau oder Versicherungstarife f�r Smart Home. Auch so etwas wie eine Auswertung der Heizleistung und Optimierungen sind ja heute Punkte, die Verbraucher haben wollen und wenn wir das liefern, sind wir beim Endverbraucher nat�rlich mehr im Fokus.

Und das bieten Sie?Ja, wir haben dazu beispielsweise den "digitalen F�rderprofi" im Angebot, bei dem Sie sich �ber Bundes- und Landesf�rderungen informieren k�nnen. Die Kunden gehen zunehmend auf die Anbieterseiten von den Herstellern - international schon viel mehr als in Deutschland. Auf der Heizungsbauerseite wiederum bieten wir auch mit neuen digitalen Tools Unterst�tzung, beispielsweise mit Installations-Apps oder Konfiguratoren. Damit sind wir mit den digitalen Gesch�ftsmodellen sowohl f�r Endkunden als auch Handwerksbetriebe auf einem guten Weg: Wir etablieren Viessmann als Unternehmen, mit dem sie auch digital einen verl�sslichen und kompetenten Partner haben.

Dann kommen Sie also den Endkunden entgegen, wenn Sie extra Marketing-Projekte entwickeln. Warum tun Sie das und wie reagiert der Handel darauf?Wir haben uns ja klar positioniert mit unserem Claim "We create living spaces for generations to come", weil wir uns damit auch dazu bekennen, nicht nur Heizungen zu bauen. Unsere Entwicklungen gehen weiter, weil wir dabei sind, Sensoren f�r Luftqualit�t oder Energiesparen zu entwickeln, die wir als Komplettl�sungen in den Haushalten sehen. Damit wollen wir jetzt nicht den Fokus auf den Ausbau von Smart Home Technologien legen, sondern unsere gesamte Technik intuitiv in den Haushaltsalltag integrieren. Klar, dass wir uns da an den Endkunden wenden und ihn f�r unsere L�sungen gewinnen wollen. Da die Installation der einzelnen Komponenten jedoch fachm�nnischer F�higkeiten bedarf, ist das Handwerk f�r uns der wichtigste Partner. Daher stehen wir hier auch nicht in Konkurrenz, wir unterst�tzen unsere Partner, unsere Produkte zusammen mit den dazugeh�rigen digitalen L�sungen und mit Dienstleistungen zu verkaufen.

Gibt es noch mehr neue Endkundenprojekte - mit denen Sie diese ganz konkret und direkt ansprechen? Oder wie m�ssen wir uns weitere partnerschaftliche L�sungen vorstellen?Wir entwickeln in beide Richtungen, sowohl neue Services f�r die Endkunden als auch f�r unsere Partner. VitoGuide ist beispielsweise ein Produkt, das wir speziell f�r die Installateure entwickelt haben und das die Vorteile des Internet of Things nutzt. Die L�sung erlaubt, vorausgesetzt die Endkunden stimmen dem zu, v�llig DSGVO-konform den Zugriff des Installateurs auf die Heizungsanlage �ber das Internet. Das macht das Leben auch f�r die Endkunden einfacher, wenn sie im St�rungsfall eben nicht umst�ndlich einen Termin mit dem Installateur vereinbaren m�ssen, sondern sich dieser einfach in die Anlage einklinken und selber eine Fehleranalyse machen kann. Oftmals ist es auch m�glich, St�rungen online zu beheben, wenn die Heizungsdaten ausgelesen werden k�nnen. Mit der App ViCare beispielsweise kann der Endkunde seine Heizung auch von der App steuern und sieht Informationen �ber deren aktuellen Zustand. Daneben bieten wir auch bereits in der Angebotsphase viel Unterst�tzung.

Wenn Sie das mit den klassischen Aufgaben eines Chief Marketing Officers, insbesondere im B2B-Gesch�ft, vergleichen, wo bewegen Sie pers�nlich sich damit hin?Ich sehe mich da als Vermittler, weil wir die Kundenbed�rfnisse erfragen und f�r unsere Zielgruppen definieren und daraus dann neue Produkte entwickeln - und das f�r Endkunden wie f�r das klassische B2B Gesch�ft. Unsere Produkt-Prototypen nehmen wir dann mit den Handwerkern unter die Lupe - immer mit dem Ziel, unsere Produkte f�r beide Seiten bestm�glich zu gestalten. Wir versuchen, die Probleme herauszufiltern, die die Mehrheit hat und daf�r eine L�sung zu entwickeln. Von daher gehen Marketing und Produktentwicklung bei uns Hand in Hand - ich sehe mich eben auch nicht in der Rolle des klassischen Marketing Officer, der "nur" vermarktet. Im Management Team arbeiten wir gemeinsam an der Produktstrategie und den Gesch�ftsmodellen, das geht weit �ber das eigentliche Marketing hinaus.

Wie war es Ihnen m�glich, aus dem Marketing heraus neue Produkte zu schaffen?Die Freiheit, Dinge stark zu ver�ndern, ist bei Viessmann definitiv gegeben. Durch die Eigent�merstruktur gibt es kurze Wege. Durch den Aufbau von VC/O gibt es eine Abteilung, die sich intensiv mit den neuen Gesch�ftsmodellen auseinandersetzen konnte. Die Leitung wurde mir �bertragen und seitdem setzen wir auf ein offenes System. Wir stehen �ber alle Abteilungen und Bereiche hinweg im Austausch. Ich arbeite ja von Berlin aus mit agilen Teams, bei denen die Kollegen beispielsweise auch der IT an drei Standorten sitzen. Das funktioniert, weil wir virtuelle Tools nutzen und uns andererseits aber auch gegenseitig besuchen, wenn es Sinn macht. Das ist etwas, was auch die F�hrungsebene vorlebt. Insofern gibt es eben auch die Zusammenarbeit in der Produktentwicklung, die von Max Viessmann mit getragen wird. Er hat ab 2015 die Entwicklung der neuen Gesch�ftsmodelle angesto�en und treibt diese konstant voran. Au�erdem sind die Gesch�ftsziele f�r alle transparent, und f�r jeden sichtbar. Das schafft eine ganz andere, gemeinsame Basis f�r die Weiterentwicklung.

Und was ist zuk�nftig Ihre Aufgabe, wenn die neuen digitalen Produkte im Markt etabliert sind?Das ist ein sich immer weiter fortsetzender und verbessernder Prozess - wie bei allen digitalen Services gibt es immer wieder Neues und Dinge, die wir verbessern. Das bleibt also sehr spannend.

Zur Person:Der promovierter Informatiker mit BWL-Studium ist selber �kologisch engagiert und f�hrt lieber Bahn statt zu fliegen, wann immer es ihm m�glich ist. Seine Reiseziele liegen auch privat �fter in Kontineltaleuropa. Er wechselte auch deswegen zum inhabergef�hrten Heizungs- und Klimatechnik-Unternehmen, weil er "handfeste Produkte mit Werten zu verkaufen" spannender fand als Dienstleistungen.

Das Interview erschien in Ausgabe 4/2019. Das Gespr�ch f�hrte Susanne C. Steiger.

Bild: Martin Brahm

Martin Brahm (Schober Information Group Deutschland GmbH)

Data Value Management als Basis f�r die digitale Transformation in Vertrieb und Marketing

Um die Themen rund um KI bearbeiten zu k�nnen, m�ssen Unternehmen eine gute Vorarbeit leisten: Mit der richtigen Datenstrategie die KI f�ttern, um richtige Entscheidungen zu treffen, das Thema hybrider Vertrieb zu bearbeiten aber auch L�sungen wie generative KI einsetzen zu k�nnen. F�r diese Anforderungen hat Schober die Plattform udo entwickelt, eine modulare L�sung, deren Vorteile anhand von Kunden Cases aus Travel, Automotive und Retail B2B vorgestellt wird.

Vortrag im Rahmen der Zukunftskonferenz 25. am 03.12.24, 11:00 Uhr