E-Health

Deutsche fordern mehr digitale Gesundheitsangebote

10.07.2020 - In wenigen Wochen können Ärzte in Deutschland erstmals Gesundheits-Apps für das Smartphone verschreiben. Anfang 2021 folgt die Einführung der elektronischen Patientenakte, 2022 wird das E-Rezept zur Pflicht. Nach Ansicht vieler Bundesbürger geschieht dies aber nicht schnell genug.

von Susan Rönisch

So sagen rund zwei Drittel (65 Prozent) der Menschen in Deutschland, es sei mehr Tempo beim Ausbau digitaler Gesundheitsangebote nötig. 60 Prozent sind der Ansicht, Deutschland liege im Vergleich zu anderen Ländern bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems zurück. Gleichwohl hat sich gerade in den vergangenen Wochen während der Corona-Pandemie viel getan: So hat aktuell jeder Achte (13 Prozent) bereits eine Video-Sprechstunde mit einem Arzt oder Therapeuten wahrgenommen. Damit hat sich der Wert im Vergleich zum Vorjahr (5 Prozent) fast verdreifacht und ist v.a. innerhalb des Corona-Quartals stark angestiegen: Im Frühjahr 2020 hatten erst 8 Prozent Erfahrungen mit der Video-Sprechstunde gemacht. Das sind die Ergebnisse zweier repräsentativer Befragungen im Auftrag des Bitkom   . Die erste wurde von Ende April bis Anfang Mai 2020 unter 1.193 Personen in Deutschland ab 16 Jahren durchgeführt, die zweite Anfang Juli 2020 unter 1.005 Personen in Deutschland ab 16 Jahren. Demnach kann sich auch von jenen, die bislang noch keine Video-Sprechstunde wahrgenommen haben, fast jeder Zweite (45 Prozent) vorstellen, künftig auch online zum Arzt zu gehen.

Die Ergebnisse der Studien im Überblick:

  • Video-Sprechstunden: Jeder Achte (13 Prozent) hat bereits eine Video-Sprechstunde bei einem Arzt oder Therapeuten wahrgenommen. Das trifft auf Frauen (16 Prozent) fast doppelt so häufig zu wie auf Männer (9 Prozent). Wer einmal in der Videosprechstunde war, will wieder hin: So sagen 12 Prozent, auch künftig wieder eine Video-Sprechstunde nutzen zu wollen, nur 1 Prozent will davon absehen. Wenn eine Video-Sprechstunde in Anspruch genommen wird, dann fast ausschließlich beim eigenen, bereits bekannten Arzt (97 Prozent). Der Rest bucht einen Besuch bei einem bislang unbekannten Arzt über eine Online-Plattform. Der Online-Arztbesuch wurde von den Teilnehmern dabei grundsätzlich positiv erlebt: 87 Prozent beurteilen ihre Erfahrung gut oder sehr gut. Für viele war das Corona-Virus Ausschlag gebend, um eine Video-Sprechstunde zu nutzen: So sorgen sich 85 Prozent vor einer Infektion mit Covid-19 in der Arztpraxis. 41 Prozent haben Angst, sich im Wartezimmer mit einer anderen Krankheit anzustecken. Mehr als jeder Zweite (54 Prozent) gibt als Grund an, möglichst schnell einen ärztlichen Rat erhalten zu wollen, weitere Gründe sind die Vermeidung von Wartezeit (38 Prozent), Bequemlichkeit (35 Prozent) und bei jedem Vierten (26 Prozent): Neugier.

    Auch bei jenen, die bislang nur persönlich in der Praxis vorstellig wurden, herrscht eine große Offenheit für digitale Angebote: Fast jeder Zweite (45 Prozent) kann sich vorstellen, künftig eine Video-Sprechstunde wahrzunehmen. 38 Prozent schließen dies jedoch für sich aus. In dieser Gruppe bevorzugt die Mehrheit ein persönliches Gespräch (84 Prozent) oder hat Sorge vor einer Fehldiagnose (75 Prozent), wenn man sich nur online trifft. Jeder fünfte unter denjenigen, die eine Video-Sprechstunde ablehnen (21 Prozent), verfügt nicht über die notwendigen technischen Voraussetzungen bei sich.

  • Apps auf Rezept: Ob Diabetes-Tagesbuch, Rückenübungen für zuhause oder Augentraining - die Offenheit für Gesundheits-Apps, die der Arzt verschreibt, ist groß. Von Sommer 2020 an werden die ersten Apps dieser Art in Deutschland verfügbar sein und von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Fast 6 von 10 Befragten (59 Prozent) können sich gut vorstellen, eine solche App zu nutzen. Selbst von den über 65-Jährigen sagt dies fast jeder Zweite (48 Prozent). 4 von 10 Patienten (40 Prozent) wollen ihren Arzt sogar aktiv nach einer App auf Rezept fragen und fast jeder Dritte (30 Prozent) ist der Meinung, dass es künftig Fälle gibt, in denen Apps konventionelle Therapien ersetzen.

    Smartphone-Nutzer sind ohnehin bereits sehr versiert, wenn es um Gesundheits-, Fitness- oder Ernährungs-Apps geht: Drei Viertel (75 Prozent) haben mindestens eine frei verfügbare App installiert, darunter vor allem Apps mit Sportübungen für zuhause (38 Prozent), Apps, die Fitnessdaten wie Schritte oder die Herzfrequenz aufzeichnen (32 Prozent) oder Apps mit Informationen zu Fitness-, Gesundheits- oder Ernährungsthemen (23 Prozent). Die meisten Nutzer profitieren von diesen Apps, indem sie besser über ihren eigenen Gesundheitszustand Bescheid wissen (63 Prozent), sich mehr bewegen (54 Prozent) oder sich gesünder ernähren (47 Prozent). 39 Prozent richten sogar ihr Leben nach ihren per App übermittelten Vitaldaten aus. Dabei wird die Nutzung nicht immer nur positiv erlebt: Fast jeder Fünfte (18 Prozent) gibt an, sich von seinen Health-Apps unter Druck gesetzt zu fühlen.

  • Elektronische Patientenakte: Die elektronische Patientenakte (ePa) kommt zum 1. Januar 2021 und wird aller Voraussicht nach auf großes Interesse stoßen: 73 Prozent würden die ePa nutzen. Besonders wichtig ist denjenigen, die sich eine Nutzung vorstellen können, das Thema Daten: So ist für 64 Prozent essenziell, dass die Datenhoheit beim Versicherten liegt und nur der Patient bestimmt, welcher Arzt welche Daten sehen darf. Fast ebenso viele (63 Prozent) nennen insgesamt Datenschutz und Datensicherheit als wichtigste Themen. Fast jedem Dritten (31 Prozent) ist die Bedienungsfreundlichkeit besonders wichtig, jeder Vierte (24 Prozent) wünscht sich einen mobilen Zugang über das Smartphone.

  • E-Rezept: Ebenfalls 2021 wird das elektronische Rezept in Deutschland eingeführt, das dann via Smartphone-App in der Apotheke nach Wahl eingelöst werden kann. Zwei Drittel (66 Prozent) können sich die Nutzung vorstellen. Bei den 16- bis 29-Jährigen sind es 70 Prozent, 64 Prozent bei den 30- bis 49-Jährigen, 69 Prozent bei den 50- bis 64-Jährigen und 62 Prozent bei den über 65-Jährigen.

  • Künstliche Intelligenz: Röntgen- und CT-Bilder auswerten, Tumore identifizieren, Krebstherapien individuell anpassen: Künstliche Intelligenz (KI) verfügt in der Medizin über ein enormes Potenzial. Diese Erkenntnis teilt auch eine steigende Anzahl von Patienten: 44 Prozent sagen, sie würden sich künftig regelmäßig eine Zweitmeinung von einer Künstlichen Intelligenz einholen - 2019 waren es noch 31 Prozent. 45 Prozent meinen sogar, Ärzte sollten grundsätzlich ihre Diagnose von einer KI prüfen lassen (2019: 39 Prozent). Insgesamt sehen viele Menschen die KI vor allem als effektive Unterstützung: 64 Prozent meinen, dass Ärzte mehr Zeit für ihre Patienten haben, wenn Künstliche Intelligenz ihnen einfache Tätigkeiten abnimmt. 58 Prozent sagen, Computerprogramme mit künstlicher Intelligenz analysieren Röntgenbilder schneller als Ärzte und sollten ihnen diese Aufgabe dauerhaft abnehmen.

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