Zugleich gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Ärztinnen und Ärzten: 74 Prozent der Frauen sehen die Digitalisierung als Chance, aber nur 63 Prozent der Männer. Und: Je jünger die Ärzte sind, desto aufgeschlossener und optimistischer sind sie. 88 Prozent der unter 45-Jährigen sehen die Digitalisierung als Chance. Aber nur jeder zweite Arzt (55 Prozent) ab 45 Jahren.
Zugleich wünschen sich vor allem Klinik-Ärzte, dass es bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens schneller vorangeht: 82 Prozent der Mediziner in Krankenhäusern sagen, es sei mehr Tempo beim Ausbau digitaler Angebote nötig. Unter den Praxis-Ärzten sind es lediglich 38 Prozent. 70 Prozent der Klinik-Ärzte meinen, Deutschland hänge im Vergleich zu anderen Ländern bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems zurück. Unter den Praxis-Ärzten sehen das mit 53 Prozent deutlich weniger so. Und fast zwei Drittel (63 Prozent) der Mediziner in Krankenhäusern plädieren dafür, dass Deutschland im Kampf gegen die Corona-Pandemie stärker auf digitale Technologien setzen muss (Praxis-Ärzte: 39 Prozent).
Frauen sind deutlich aufgeschlossener gegenüber Digitalisierung in der Medizin als Männer.
Grafik: Bitkom/Hartmannbund
Innerhalb der Praxen und Kliniken schreitet die Digitalisierung voran: Jeder zweite Arzt (50 Prozent) erstellt Medikationspläne überwiegend digital. Eine digitale Patientenakte ist bereits bei 66 Prozent im Einsatz - 31 Prozent bewahren die Akten noch abgeheftet in Schränken oder Regalen auf. 61 Prozent verwalten eigene Notizen und Dokumentationen digital - und 37 Prozent analog.
Die Kommunikation verläuft größtenteils traditionell: Das Telefon ist der wichtigste Kanal im Austausch mit Patienten (77 Prozent), Apotheken (61 Prozent) und Praxen (53 Prozent). Jeder fünfte Arzt (19 Prozent) hält den Kontakt zu Arztpraxen überwiegend per Briefpost, 22 Prozent setzen vornehmlich auf das Fax. Lediglich jeder 20. Arzt kommuniziert überwiegend via E-Mail mit anderen Praxen (5 Prozent), Apotheken (6 Prozent) oder den Patienten (5 Prozent).
"Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Vernetzung, ein funktionierender, sicherer Datenaustausch und die digitale Dokumentation von Untersuchungsergebnissen sind", betont Berg.
"Doch auch unabhängig von der Pandemie sind die Zeiten, in denen ein Patient ein Leben lang beim selben Hausarzt in Behandlung ist, vorbei. Die Menschen wechseln nicht nur Wohnorte, sondern auch Ärzte häufiger. Wenn Akten und Befunde in Papierform abgeheftet werden, sind Doppeluntersuchungen, Sicherheitsdefizite und der Verlust von Informationen vorprogrammiert. Umso wichtiger ist es, dass auch im Gesundheitswesen durchgängig digitale Prozesse eingeführt werden."
Einen deutlichen Zuwachs gibt es beim Angebot von Video-Sprechstunden. So bieten 17 Prozent der Praxis-Ärzte Video-Sprechstunden an: 6 Prozent taten dies bereits vor Corona, 11 Prozent haben damit während Corona begonnen. Weitere 40 Prozent können sich dies für die Zukunft vorstellen. Bei den Klinikärzten sind sogar drei Viertel (73 Prozent) bereit, künftig auch Videosprechstunden anzubieten - 4 Prozent tun dies seit Corona. In der Pandemie wurden die vormals hohen bürokratischen Hürden für Video-Sprechstunden deutlich gelockert und das Vergütungsmodell angepasst.
Acht von zehn Klinikärzten sind aufgeschossen oder schon voll dabei, wenn es um die Videosprechstunde geht - deutlich aufgeschlossener als die Praxisärzte.
Grafik: Bitkom/Hartmannbund
Ärzte sehen Verunsicherung bei Patienten, die sich online informieren
Die Digitalisierung verändert nicht nur die Behandlungsmethoden, sondern auch das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Viele Menschen informieren sich mittlerweile im Internet über Symptome und Krankheiten, bevor sie zum Arzt gehen. Dabei stellen 9 von 10 Medizinern (90 Prozent) fest, dass Patienten durch die Internetrecherche verunsichert werden. Zugleich sagen zwei Drittel der Ärzte (67 Prozent), dass sie den Umgang mit Patienten, die sich im Internet vorinformiert haben, als anstrengend empfinden. 62 Prozent erleben, dass Patienten bereits mit einer Diagnose aus dem Internet zu ihnen zur Behandlung kommen. Allerdings geben umgekehrt auch 42 Prozent der Ärzte an, dass die Patienten durch Informationen aus dem Internet mündiger werden. Fast jeder zweite Mediziner (48 Prozent) lernt durch gut informierte Patienten sogar hin und wieder dazu.
Dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht schneller voranschreitet, hat vielfältige Gründe. Die große Mehrheit der Ärzte (84 Prozent) nennt als Ursache die Komplexität des Gesundheitssystems, drei Viertel (78 Prozent) empfinden den Aufwand für IT-Sicherheit und Datenschutz als zu hoch. Mehr als jeder zweite Arzt (56 Prozent) stellt aber auch eine mangelnde Digitalkompetenz seiner Patienten fest. 43 Prozent sehen diesbezüglich bei den Ärzten selbst Nachholbedarf.
Was Ärzte für die digitale Zukunft erwarten
Insgesamt gehen die Ärzte in Deutschland davon aus, dass mithilfe der Digitalisierung maßgebliche Fortschritte in der Medizin erreicht werden - auch bei der Bekämpfung globaler Pandemien. 80 Prozent der Mediziner halten es für wahrscheinlich, dass spätestens im Jahr 2030 computergestützte Voraussagen flächendeckend im Einsatz sind, die vor Pandemien warnen und z.B. durch Algorithmen die Dynamik von Infektionsgeschehen vorhersagen. 72 Prozent erwarten, dass Organe wie Speiseröhrenimplantate, Haut oder Knorpelscheiben künftig mithilfe eines 3D-Druckers entstehen. 58 Prozent rechnen zudem damit, dass Tierversuche durch Versuche an 3D-gedruckten Zellstrukturen ersetzt werden.
Die Zahlen sind die Ergebnisse einer Umfrage des Digitalverbandes
Bitkom
und des Ärzteverbandes
Hartmannbund
unter mehr als 500 Ärzten in Deutschland.