04.05.2023 - Marketingautomation macht süchtig: Funktioniert sie, will man sie nicht mehr missen, weiß Achim Schneider, Kommunikationsmanager beim Nürnberger Energieversorger N-ERGIE. Im Gespräch mit ONEtoONE erzählt er, wie er zum "Junkie" wurde und warum er auch in Zukunft die Dosis noch steigern will.
von Christina Rose
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf im Bereich Marketingautomation?
Der Handlungsbedarf besteht schon seit Längerem. Das Thema umfasst drei Bereiche: Datenschutz, Datensicherheit und für größere Unternehmen Revisionssicherheit der Kommunikation - wobei in den Bereichen Datenschutz und Datensicherheit speziell in Bezug auf Kommunikation am meisten zu tun ist. Datensicherheit heißt, dass die Daten im Unternehmen so verwahrt werden, dass Unbefugte keinen Zugriff darauf haben und KundInnen sicher sein können, dass ihre Daten dort gut verwahrt sind, wo sie sie abgegeben haben. Und Datenschutz bedeutet, dass das Unternehmen mit den Daten der KundInnen so umgeht, dass sie nur für den Zweck, für den sie abgegeben wurden und nicht anderweitig verwendet werden können. Revisionssicherheit heißt dann: Man kann nachweisen, wann KundInnen dem Unternehmen Daten übermittelt und ihre Einwilligung zur Datennutzung gegeben haben. In technischer Hinsicht müssen Schnittstellen zwischen den einzelnen Systemen geschaffen werden. Denn nach wie vor werden noch viele Daten manuell ausgetauscht und verarbeitet.
Wie weit sind Sie im Bereich Marketingautomation?
Wir sind an dem Thema dran, kommen aber nach wie vor an der Excel-Liste nicht vorbei, da manche Daten immer noch aus einem CRM-System kommen, das noch nicht angebunden ist. Immerhin müssen wir nicht innerhalb des Kommunikationsprozesses Excel-Listen verwenden. Und es gibt Abteilungen, in denen solche Listen mit Daten von Interessenten gepflegt werden. Aber wir sind dabei, Schnittstellen zu schaffen.
Was sind Ihre Motive, in Marketingautomation zu investieren?
Es geht immer darum, das Kommunikationserlebnis für die KundInnen passend zu gestalten. Das heißt: sie bekommen die passenden und gewünschten Inhalte geliefert und werden auf der Customer Journey auch begleitet. Es ist zum Standard geworden, dass man über den Status quo eines Prozesses auf dem Laufenden gehalten wird, wie beispielsweise: Mein Antrag ist eingegangen etc. Das gehört auf jeden Fall zur Kundenkommunikation dazu. Die komplette Begleitung von KundInnen während des gesamten Prozesses ist unser Ziel für alle Bereiche.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Thema Marketingautomation bereits sammeln können?
Wir haben schon sehr viele und gute Erfahrungen gemacht. Ein wichtiges Projekt haben wir vor drei Jahren - noch vor Corona - begonnen: das digitale Veranstaltungsmanagement. Wir standen dort vor der Aufgabe, die Arbeiten, die händisch durchgeführt werden, zu digitalisieren. Die damalige Abwicklung war sehr aufwändig, zeit- und ressourcenintensiv. Es gab viele Schnittstellenauch menschliche - und damit eine gewisse Fehleranfälligkeit. Der Planungs- und Bearbeitungsaufwand, auch in der Kommunikation, war nicht unerheblich. Schließlich mussten wir sehr viel manuellen Aufwand betreiben, um zu wissen, wer zu der jeweiligen Veranstaltung eingeladen war, und wer teilnimmt. Das haben wir dann über ein System lösen können. Inzwischen findet der begleitende Kommunikationsprozess für Veranstaltungen komplett digital statt.
Wie gehen Sie dabei vor?
Am Anfang einer solchen Veränderung ist ganz wichtig, sich die Prozesse anzuschauen: Was läuft wie ab? Was sollte man digitalisieren und wie? Es geht nicht darum, einen in der Offline-Welt gelebten Prozess 1:1 ins Digitale zu übersetzen, sondern zu überlegen, was eigentlich der nächste Schritt in der Kommunikation ist - mit den Mehrwerten zu verknüpfen, die das Digitale bietet. Prozesse werden ja nicht automatisch besser, nur weil sie digitalisiert sind. Wenn ich heute ein Formular als PDF auf eine Website stelle und der Kunde dieses Formular ausfüllen, speichern, scannen oder drucken muss, um es an das Unternehmen zurück zu mailen, und der Mitarbeitende auf Unternehmensseite diese Daten in ein System übertragen muss, ist das nur die Verlagerung eines Offline-Prozesses in die Online-Welt. Und nicht einmal eine gelungene. Es gilt also darüber nachzudenken, wie Digitalisierung wirklich und sinnvoll umgesetzt werden kann. Auf unser Beispiel bezogen heißt das, nicht das Antwort-PDF zu einer Veranstaltungseinladung online zu stellen, sondern den Prozess so zu gestalten, dass der/die NutzerIn die persönlichen Daten online eintragen kann, um sich anzumelden. Wenn die/der EmpfängerIn einen Einladungsbrief oder eine E-Mail bekommt und auf "Jetzt anmelden" klickt oder den QR-Code scannt, sind seine Daten im Webformular vorausgefüllt. Er muss nur noch auf "Ja, ich nehme teil" klicken, die Daten der Anmeldung landen im System, mit dem die weitere Kommunikation gestaltet wird.
Arbeiten Sie dazu mit externen Dienstleistern zusammen oder machen Sie das inhouse?
Wir arbeiten mit externen Dienstleistern zusammen und können auf viel Fachexpertise im Haus zurückgreifen. Inhouse sprechen wir intensiv mit den anderen Abteilungen. Hier sind wir als Kommunikations-und Prozess-Mediator gefordert, um herauszufinden, wo Bedürfnisse und Potenziale sind. Das ist auch für die Mitarbeitenden in den einzelnen Abteilungen ein stetiger Lernprozess: Wir starten mit einem einfachen Prozess, um dann im zweiten Schritt die größeren Herausforderungen anzugehen. Es geht darum, den Mitarbeitenden abzuholen, also "Learning by doing" in kleinen Schritten. Es ist wie mit dem Fahrradfahren: Niemand erwartet, dass man sofort Fahrrad fahren kann, wenn man sich zum ersten mal draufsetzt. So ist es auch in der digitalen Kommunikation: Mit Übung klappt das auch in jeder Abteilung.
Was sind Ihre Learnings zum Thema Marketingautomation?
Es gibt keinen Masterplan. Es gibt nur ein Motto: "Testen, probieren und aus den Erfahrungen lernen". Es gibt nicht falsch oder richtig, sondern Ergebnisse. Wichtig ist: klein anfangen und dabei das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Agiles Arbeiten ist deswegen wichtig, und die Ziele sollten nicht zu groß sein, die schaffen häufig nur Frustration. Wenn etwas verändert wird, sollte immer geprüft werden, ob das nicht die nachfolgenden Prozesse verändert. um diese dann anzugehen. Kleine Schritte hin zu Größerem, was zu Beginn meist so nicht absehbar war.
Gab es Aha-Momente?
Ja. Das begann, als wir mit unserem Marketingautomationsdienstleister Agnitas den DOI (Double-Opt-In)-Prozess implementiert haben. Das war tatsächlich ein Aha-Moment, wie einfach und schnell es möglich ist, einen solchen Prozess zu realisieren. Denn damals - es war 2015 - war ich es gewohnt mit IT-Anforderungen zu einem Programmierer zu gehen, der die Anforderungen in das System überführen musste. Hier habe ich erstmals erlebt, dass eine Software-as-a-Service-Anwendung Prozesse bereithält, die ich als Nicht-ITler in Sekundenschnelle einsetzen kann. Ein weiterer Aha-Moment war, dass wir individualisierte und personalisierte Kommunikation mit einem Standardsystem abbilden können. Das war faszinierend. Es ist wie eine Droge: Wenn man die Vorzüge einmal genossen hat, möchte man sie auch nicht mehr missen. KundInnen wissen es zu schätzen, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt die richtige Ansprache erhalten.
Was erhoffen Sie sich für Ihr Unternehmen in Zukunft durch Marketingautomation? Sehen Sie Trends?
Eines ist elementar: Nur die Menschen anzuschreiben, die das auch wollen. NutzerInnen strafen Unternehmen zunehmend dafür ab, wenn sie ohne vorheriges Einverständnis angesprochen werden. Außerdem werden On- und Offline-Kommunikation in Zukunft stärker verschmelzen. Beide Bereiche lassen sich nicht voneinander trennen. Entscheidend ist, dass ich den jeweiligen Adressaten über den richtigen Kanal anspreche, sprich über den er sich am leichtesten erreichen lässt und für den die Zustimmung gegeben wurde. Auch hier ist die Verknüpfung der Daten wichtig, die zum Output E-Mail, Brief, Postkarte oder was auch immer führt. Und schließlich werden Standardprozesse in Zukunft stärker digital abgebildet, was insgesamt betrachtet auch Ressourcen schont.
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