28.11.2018 - Bis Ende 2019 kommen drei Viertel aller in Echtzeit ausgespielten Banner vollautomatisch aus digitalen Werbesystemen. Programmatische Werbung kommt unaufhaltsam, hat aber noch einige Hindernisse zu überwinden.
von Joachim Graf
Die Idealvorstellung sieht vor, dass der Nutzer zu jedem Zeitpunkt in der Customer Journey am Touchpoint seiner Wahl mit dem richtigen Werbemittel angesprochen wird. Das "richtige" Werbemittel ist jenes, welches den Nutzer näher zum Kauf bringt. Im Idealfall "erkennt" das System den Nutzer, hat die Möglichkeit, auf dessen Profil zu reagieren, misst die erzielten Ergebnisse und verbessert sich automatisch selbst.
So weit die Theorie. In der Praxis stellt der Marketer fest, dass jede Kundenreise einzigartig ist. Jeder User nutzt unterschiedliche Kanäle. Die Kunden selbst sind sehr unterschiedlich. Ein Tesla-Interessent könnte sich von der Strahlkraft einer Lifestyle-Marke anziehen lassen, oder er interessiert sich für nachhaltige Elektromobilität. Sehr verschiedene Typen also, für die eine Werbung nur dann relevant ist, wenn sie dessen Interessenprofil spiegelt. Oder man fällt zurück auf sehr generische, allgemeine Kommunikationsmaßnahmen, die irgendwie für alle relevant sein könnten. Aber irgendwie eben auch nicht. Die berühmte Gießkanne.
Und um dem theoretischen Modell endgültig den Stecker zu ziehen, sind die kreativen Ressourcen der Marken und Agenturen eng begrenzt und teuer. Die Produktion zusätzlicher Werbemittel kostet häufig mehr, als die Verbesserung der Conversions bringt. Es sei denn, man nutzt die ganze Energie der Automatisierung.
Die digitale Identität
Individuelle Echtzeitwerbung ist nicht von Hand zu leisten. Die "Suche" nach einem Nutzer übernimmt die Software. Sie identifiziert ihn anhand bestimmter Merkmale in dem Moment, wenn er eine Seite aufruft. Das kann nur funktionieren, wenn das Werbesystem insgesamt eine große Reichweite besitzt.
Die gängige Methode zur Identifizierung der User ist der Cookie. Diese Methode funktioniert ordentlich, hat aber eine Reihe von Schwachstellen:
User setzen Cookie- und Adblocker ein.
User löschen ihre Cookies.
User wechseln häufig das benutzte Endgerät,
dann kennt das jeweilige Cookie nur einen
Ausschnitt der Customer Journey.
Browser (vor allem auf dem Smartphone)
lassen gar keine Cookies zu.
Unterschiedliche User benutzen das gleiche Endgerät.
Diese Unschärfefaktoren führten dazu, dass die technischen Dienstleister neue Konzepte entwickelt haben. State of the Art sind digitale IDs, wie zum Beispiel GEDI (Generic Entity Data Identifier) von Bisnode. Hier werden digitale Profile gebildet - unter strenger Einhaltung der DSGVO-Anforderungen. Die GEDI bildet also nicht das Gerät ab, das eine Webseite aufruft, sondern den echten Menschen. Die ID weiß auch, welches Smartphone zu welchem Laptop gehört und das international in 9 Ländern in Europa.
Es gibt eine Reihe von Spielarten, wie diese Profile von automatischen Werbesystemen genutzt werden. Die Spannendste ist das Real Time Bidding. Hier entscheidet die Software nicht nur, was ausgespielt wird, sondern auch, auf welchem Werbeplatz. Dieser wird in einem Auktionsverfahren in Echtzeit versteigert.
Die Magie der Echtzeitdaten
Die große Kunst der vollautomatischen Werbung besteht zum einen im Analyseverfahren, das die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen der Platzierung zieht und die Strategie immer weiter verfeinert. Dazu muss das Werbesystem natürlich Daten bekommen, die Conversions zeigen. Und am besten sind die Conversions um Retouren bereinigt und mit der Marge qualifiziert. Daten, die in der Regel aus dem ERP-System kommen.
Der Flaschenhals bei individualisierter Werbeausspielung ist oft die kreative Seite. In der Frühphase der Customer Journey ist es eher eine Kommunikation, die auf Nutzertypen und deren Bedürfnisse abzielt. Je näher es zum Kauf geht, umso wichtiger werden Verhaltensdaten. Automobilhersteller greifen zum Beispiel die Daten auf, die ein Nutzer im Konfigurator hinterlassen hat, und leiten daraus die logische nächste Botschaft ab. "Deinen Auris probefahren ...".
Derartige Daten kommen von der Data Management Plattform oder DMP. Dort laufen die unterschiedlichen Datentöpfe zusammen. Neben Profil- und Bewegungsdaten finden sich auch CRM-Daten oder zugekaufte Drittinformationen, wie etwa Adressdaten, kombiniert mit der Frage, ob es sich um ein wohlhabend-gesetztes oder ein Hipster-Wohnviertel handelt.
Programmatic Advertising kann solche Kontextdaten unmittelbar in Kampagnen verwenden. Ein renommierter Pharmahersteller hat die Werbung für ein Schmerzmittel in Bayern daran gekoppelt, ob im Moment des Seitenaufrufs eine Föhn-Wetterlage vorlag. Das Werbemittel nahm Bezug auf "Föhn-Kopfschmerz" und traf damit die sehr spezifischen Bedürfnisse der anonymen Zielgruppe.
Ähnliches machen Airlines, wenn sie in ihren Werbebannern den aktuellen Standort des Nutzers als Abflughafen definieren. Dadurch erreicht der Banner eine wesentlich höhere Relevanz. Dieses Kunststück gelingt, indem das Werbemittel selbst dynamische Variablen enthält, die an einer Datenbank hängen und bei Bedarf vollautomatisch und in Echtzeit gefüllt werden.
Unterm Strich ist leicht zu erkennen, dass Programmatik die Effizienz der Onlinewerbung gewaltig steigern kann, solange man seine Hausaufgaben gemacht hat. Welche Datenpunkte diejenigen sind, die den Unterschied machen, das ist von Unternehmen zu Unternehmen und von Kampagne zu Kampagne verschieden.
Hier muss ein Mentalitätswandel in den Marketingabteilungen stattfinden. Früher war die Kampagne fertig, wenn sie "draußen" war. Heute beginnt die wirkliche Arbeit erst dann, nämlich indem permanent optimiert wird. Programmatic Advertising ist auch ein großes Trial-and-Error-Spiel, das dann erfolgreich funktioniert, wenn man qualifizierte Datenexperten in seinen Reihen hat oder an seiner Seite weiß.
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