Print vs. Online

Geduld ist eine nachhaltige Tugend

02.01.2018 - Wer in seinen Briefkasten schaut, bemerkt, dass es augenscheinlich fast nur noch zwei Arten von Post gibt: Rechnungen und Werbebriefe. Auch wenn Letztere immer weniger werden, weil sie, so geht es zumindest aus unzähligen Befragungen hervor, nicht mehr im rechenbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen. Und doch müssen sie nicht automatisch ein Fall für die Ablage "P" sein. Wie das geht, zeigen die Stadtwerke München (SWM), die bewusst auf diesen vermeintlich unmodernen Kanal setzen.

von Verena Jugel

Einen weiteren Schritt zum kontinuierlichen Erfolg der Printmailings sieht Stephan Heiss in seiner Geduld. "Der Respons kommt gerade bei Printmailings teilweise sehr verzögert. Manchmal reicht ein Anstoß zum richtigen Zeitpunkt, etwa bei der Ankündigung einer Preiserhöhung durch einen Wettbewerber." Mit "teilweise verzögert" meint er übrigens nicht die berühmte Monatsfrist. Er wertet seine Kampagnen regelmäßig erst nach mehreren Monaten aus. Und stellt dabei immer wieder fest, dass sich die Adressaten auch auf Mailings melden, die die aktuelle Auswertung eigentlich gar nicht mehr betreffen. "Wir haben festgestellt, dass immer wieder auf Mailings angesprochen wird, die die Adressaten anscheinend über Monate aufgehoben haben und dann wieder aus der Schublade holen, wenn für sie das Thema Anbieterwechsel ­relevant wird", so Heiss.

Drei Säulen für die StandfestigkeitDoch auch Heiss baut nicht allein auf "Kollege Zufall". Vielmehr steuert er die SWM-Mailingaktionen mit einer genauen Planung. Dabei ist das Geomarketing ein wichtiger Baustein. Die Möglichkeiten, Zielgebiete und Zielgruppen sehr schnell und zugleich immer feiner und genauer zu selektieren, verhelfen auch zu guten Ergebnissen. "Wenn im Dialogmarketing früher - vor 15 oder 20 Jahren - noch viel über Masse erreicht wurde, so können wir heute mit weniger Auflage und Kosten bessere Resultate erzielen", erinnert sich Heiss. "Heute arbeiten wir mit wesentlich besseren Daten, die sicherlich einen Großteil zum Erfolg unserer Mailings beitragen." Was jedoch kein Grund ist, auf dieser Basis stehenzubleiben. Neuere ­Methoden, wie etwa das Geo­fencing, verbinden darüberhinaus die Onlinewerbung mit den Offlinemaßnahmen. Eigentlich ist das ein Instrument, das laut Definition, eher internetbasierten Aktionen vorbehalten ist. Heiss setzt es auch auf seine Printmailings auf und erhöht damit den Werbedruck bei der Gruppe der Adressaten nochmals weiter.

Eine zweite Säule ist, die Printmailings nicht als singuläres Instrument ohne Blick auf alle anderen Kanäle zu sehen. "Anfang 2016 haben unsere Mailings schlecht funktioniert. Allerdings haben wir parallel festgestellt, dass die Abschlussquoten bei Verivox stärker als zuvor angestiegen sind. Daraus
haben wir schnell gelernt, dass wir diese Channels noch enger aufeinander abstimmen müssen", erinnert er sich. Die SWM verbinden die Welten aktuell vor allem im inhaltlichen Zusammenspiel von Print, Außenwerbung und räumlich eingegrenzten Display/SEM-
Kampagnen. "Alle Werbemittel wirken im Muliti-Channel-Konzept miteinander und ergänzen sich. Auch bei uns. Die Online Channels ergänzen und stützen bei uns im Rahmen der Multi-Channel-Kampagnen die Offline-Kanäle."

Eine Frage der PhilosophieDie dritte Säule, die Heiss´ Printmailing-Strategie endgültig zur Standfestigkeit verhilft, ist der Blick auf den längeren Verlauf der Aktivitäten. Kurzfristige Erfolge oder Misserfolge sind noch keine Basis für eine Entscheidung über das Funktionieren eines Dialogmarketinginstruments.
So ist die Responsquote ebenso wie die Wirtschaftlichkeit nur über viele Anstöße und über alle Kanäle aus­sagekräftig. "Einzelne Aktionen gesondert zu betrachten, und das vielleicht nur auf den kurzen Aktionszeitraum beschränkt, bringt nach meiner Überzeugung nichts, um das ­Dialogmarketing nachhaltig auszubauen", weiß Heiss. Er lernt aus der Vergangenheit für die Zukunft. Und Vergangenheit beschränkt sich für ihn nicht auf drei oder sechs ­Monate. Der Kuchen ist immer ein Ganzes. Und weil eine Kampagne mit allen ihren Anstößen auch mal ein ganzes Jahr laufen kann, definiert Heiss das dann auch als Auswertungszeitraum. "Vielleicht ist das eine Frage der Philosophie. Auf alle Fälle braucht man dafür aber die Ausdauer und manchmal gute Nerven. Und sei es nur, die nervösen Blicke und Nachfragen mancher Kollegen regelmäßig auszuhalten", sagt Heiss. Seiner Strategie geben die Zahlen am Ende jedenfalls Recht: Mit einer Responsquote, die sich mit Quoten aus dem Cross-Selling und der Rückgewinnung messen kann. So wird es auch in Zukunft für Stephan Heiss ohne das gedruckte Mailing nicht gehen. (cb)

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