Data-driven Marketing

Data ist nicht gleich Data

Das Datenvolumen vervielfacht sich und ebenso die technologischen Möglichkeiten des Data-driven Marketing (Bild: Bild: Sergey Nivens / Fotolia.com)
Das Datenvolumen vervielfacht sich und ebenso die technologischen Möglichkeiten des Data-driven Marketing

30.03.2016 - Die Digitalisierung hat eine bisher ungebrochene Dynamik ?im Bereich neuer Werbetechnologien ausgelöst. Das Wort "Data" hat nur vier Buchstaben. Doch trotz der Einfachheit öffnet sich in dem Wort ein schillerndes Kaleidoskop an technologischen Innovationen: unendliche Weiten, über die Marketer in immer schnelleren Zyklen den Überblick behalten wollen.

Je mehr Daten verfügbar werden, desto größer wird als Konsequenz auch die Notwendigkeit, diese immer feiner zu strukturieren und zu verzahnen. Weil der Trend dahin geht, Konsumverhalten nicht nur im Nachhinein zu verstehen, sondern auch vorherzusagen, sind Prospective-Daten, wie etwa Buying-Intent-Informationen, Gold-Nuggets im Data-Fluss.

Der Profildatenbankanbieter Q division will den Markt hochwertiger Nutzerdaten revolutionieren, nämlich durch das Angebot des nach eigener Auskunft "ersten deutschen und einzigen offenen Marktplatz für große, mittlere, kleine und Nischen-Online-Plattformen, die die Vermarktung ihrer kostbaren Kaufabsichts- (buying intent) Daten nicht selbst vornehmen können oder wollen". Die Anreicherung spezifischer Daten, wie eben Buying Intent Data, soll dabei Advertiser und Publisher verknüpfen. Dieses Verhältnis zu automatisieren ist ein Kerngedanke von Programmatic Advertising.

Gerald Banze, Geschäftsführer von Q division, sieht darin eine Win-win-Situation, von der nicht zuletzt der Kunde profitiere: "Online-Händler erhalten zusätzliche Umsätze und Traffic durch die kontrollierte, transparente und datenschutzgesicherte Vermarktung ihrer Profildaten. Werbungtreibende sparen die Streuverluste der massenhaften Umfeld-Belegungen und gewinnen aktiv Interessierte mit höherer Aufmerksamkeit und Werbewirkung."

Auch Bernd Stieber, Geschäftsführer der Online-Marketing-Agentur Netzeffekt, hebt hervor, dass beim Data-driven Marketing die Generierung sauberer Daten ein "absolutes Muss" sei. Neben der Vermeidung von Datenverlust (Data Leakage) sei daher ein strukturiertes Zusammenspiel aus Daten-Sammlung, strukturierter Kampagnenplanung und deren inhaltlicher Abstimmung zur genau definierten Zielgruppe nötig. Der Trend gehe hin zur ganzheitlichen, flexibel konfigurierbaren Kundenansprache: "Für den Kampagnenmix und die Kampagnenplanung ist es anhand der gewünschten Nutzerprofile erforderlich die bestgeeigneten Maßnahmen zu definieren und dafür weitere mögliche sinnvolle Daten einfließen zu lassen (z.B. Wetter, Geodaten, Profildaten und Daten von Drittanbietern wie Schober oder Acxiom)." Die Kampagnenplanung müsse eine gute Story erzählen, die den User mit jedem Berührungspunkt mehr und mehr einnimmt und die vor allem stimmig aufeinander aufsetzt. Stieber sieht zudem den Trend zum Storytelling anstatt simpler Repetition: "Ziel einer jeden Kampagne ist es, den User auf seiner gesamten Journey durch smartes Targeting an möglichst jedem Touchpoint bis zum Abschluss zu begleiten."

Cross Device Tracking - das richtige Maß finden
Die neuen Möglichkeiten bei der Zusammenführung verschiedener Endgeräte eines Nutzers, um über alle Kanäle hinweg ein besseres Verständnis von Kunden zu gewinnen, bleibt auch in diesem Jahr ein zentrales Thema für Marketer. Zahlreiche Unternehmen beschäftigen sich beispielsweise mit den neuen Möglichkeiten des TV-Trackings.

Thomas Bindl, Gründer und Geschäftsführer des Performance-Marketing-Software-Anbieters Refined Labs, hebt die Vorzüge des Customer Device Tracking hervor: "Dabei ist es unser Ansatz, weg von Last-Click-Ansätzen hin zu einer integrativen Betrachtung zu gehen. Das heißt konkret: Alle Kontaktpunkte des potenziellen Kunden bekommen einen flexibel gewichteten Wert zugeschrieben. Die Kaufentscheidung entsteht aus ihrem Zusammenspiel." Refined Labs selbst hat sich auf das TV-Tracking spezialisiert, das lange Zeit aufgrund der ungenauen Sendepläne der Fernsehsehnder schwierig war: "Wir haben uns anfangs mit dem Problem befasst, dass die Mediapläne der Fernsehsender häufig zu ungenau waren. Man konnte also früher nicht auf Minutenbasis präzise voraussagen, wann der betreffende Spot wirklich lief. Das konnten wir technisch schließlich leisten." Der Schlüssel zum effektiven Tracking sei die richtige Attribution der Daten zu den dazugehörigen Usern: "Wir sind der Ansicht, dass Firmen die Daten-Basis richtig legen müssen um die Customer Journey zu verstehen. Das heißt, ich muss meine Attribution richtig kriegen. Über 50 Prozent der Konversionen brauchen mehr als einzelne Contact Points. Da muss man unserer Auffassung nach eine andere Sichtweise gewinnen." Nicht überall, wo Cross Device Tracking draufsteht, sei es daher auch wirklich mit effektiver Attribution verbunden.

Transparenter Umgang mit Daten als Teil einer neuen Unternehmenskultur
Wenn Geschäftsmodelle immer stärker auf Smart Data und der dynamischen, omnipräsenten Kundenansprache basieren, dann drängt sich auch die Frage auf, wie Unternehmen insgesamt mit dieser neuen Facette ihrer Corporate Identity umgehen sollen.

Jan Pilhar, Managing Director der Strategie-Abteilung bei der Digitalagentur Aperto (Bild: Bild: Sergey Nivens / Fotolia.com)
Jan Pilhar, Managing Director der Strategie-Abteilung bei der Digitalagentur Aperto

Jan Pilhar, der bei der Digitalagentur Aperto die Strategy-Abteilung als Managing ?Director fungiert, rät zur Vorsicht: "Dies erfordert ein Umdenken. In vielen Unternehmen wird das Thema `Data´ noch immer vor allem aus technologischer und juristischer Perspektive betrachtet: Haben wir die richtige Software? Sind wir rechtlich auf der sicheren Seite?" Neben diesen technologischen Fragestellungen sieht Pilhar jedoch die Frage nach dem "richtigen" Umgang mit Daten noch gar nicht richtig gestellt. Marken müssten einen Kodex im Umgang mit Informationen entwickeln, der ihren Werten und ihrer Identität entspreche. Reiner Datenhunger, der nur technologische Grenzen kenne, werde früher oder später Vertrauen zerstören. Eben deshalb hatte der Technologieverband Bitkom bereits 2015 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz aufgestellt (nachzulesen unter Bit.ly/oto_bitkom).

In Zeiten radikaler Transparenz durch soziale Medien und imageschädigender Shit Storms könne heute keine Top-Marke mehr ohne klares Bekenntnis zu Sustainability im Markt agieren, sagt Pilhar. Er rät: "Entsprechend sollten Unternehmen den eigenen Umgang mit Daten als wichtiges markenpolitisches Thema begreifen. Ein Wandel von einem primär technologisch verstandenen ,Big Data´-Ansatz zu einem kundenzentrierten ,Right Data´-Ansatz ist notwendig." Während bei Ersterem die Aufmerksamkeit vor allem auf Informationsarchitekturen und Auswertungsalgorithmen liegt, steht bei Letzterem ein sinnvoller Umgang mit den Möglichkeiten der Datenverarbeitung im Einklang mit den Markenwerten und Kundenwünschen im Mittelpunkt. Unternehmen, die diese Bedeutungsverschiebung strategisch und operativ meistern, würden sich und ihre Marke nachhaltig und relevant differenzieren können, meint Pilhar.

Fazit: Unendliche Weiten, die mit Inhalt gefüllt werden müssen
Die Technologien des Data-driven Marketing sind insbesondere in den Bereichen Tracking, Cloud, Virtual Reality und Meta-Plattformen wie DMP weiter exponentiell im Wachsen. Durch einfache Dashboards wird die Bedienung radikal vereinfacht, der Eindruck einer grenzenlosen Steuerbarkeit des Konsumverhaltens entsteht. Marketer sollten trotzdem nicht aus dem Blick verlieren, dass sich hinter Data Menschen verbergen, die von ihnen Verantwortung und Inhalte erwarten, die nicht nur ihre bereits gezeigten Wünsche widerspiegeln. Wenn in den Steuerungsfantasien kein Platz für Inspiration und Zufall bleibt, könnte der Raum der Möglichkeiten in sich zusammenfallen.

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