12.01.1999 - Von E. Willi Rehdanz über den Nachwuchsmangel
In der Ausgabe vom 28.12.98 hat mich vor allem das massive Klagelied über den Nachwuchsmangel an Direktmarketern, speziell Textern, beeindruckt. Als Absolvent einer Werbefachschule, ausgestattet mit dem Diplom einer Hamburger Texterschmiede, befinde ich mich seit Jahren auf der Jagd nach einem entsprechenden Job, da das ABM-Gehalt gerade so für die fixen Ausgaben inkl. Verpflegung reicht. Ende Juni 99 werde ich wegen Ablaufs der Maßnahme mit Sicherheit arbeitslos sein.
Wenn der Mangel wirklich so gravierend wäre, müßten doch eigentlich die einschlägigen Fachblätter und die zum Teil 100seitigen Anzeigenteile der Zeitungen voll sein von entsprechenden Suchanzeigen! Aber diese Anzeigen sind so selten wie Palmen am Nordpol. Zudem scheint es bei näherer Betrachtung der Anzeigen eine automatische Todesgrenze für Texter wie auch für Werbeberufe allgemein zu geben: maximal 35 Jahre, darüber hinaus kann man sich schon getrost einen Platz auf dem Werberfriedhof reservieren lassen.
Als 53jähriger Ossi brauche ich über meine Chancen deshalb wohl nicht weiter zu reden. Da hört man dann schon mal, daß jemand gesucht wird, der "flotte Sprüche" produzieren kann, und man - bei allem Wohlwollen - dafür doch schon etwas zu alt sei. Nun kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß gerade diese "flotten Sprüche" erheblichen Anteil am zweifellos vorhandenen Negativ-Image der Werbung haben, weil sie eben nicht nur flott, sondern oft dumm, hohl und einfach schlecht sind. Nichts gegen talentierte, gut ausgebildete "Junge", nichts gegen schräge, peppige Werbung, solange sie Sinn hat. Soviel ich weiß, ist aber Kreativität nicht automatisch an Jugend gebunden und hört auch nicht mit 35 schlagartig auf. Als Chef würde ich es jedenfalls mal mit einem "Alten" versuchen, ihm zumindest eine Chance geben, zumal "Alte" auch eine Reihe anderer Vorteile bieten. Jedenfalls hilft es nichts, nur den Mangel zu beklagen und auf die Jungen zu warten - die übrigens auch mal alt werden …
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