Das "Ende der Third-Party-Cookies", das "Cookie-Aus", die "Cookiecalypse" und eine bevorstehende "Post-Cookie-Ära" oder auch "Cookieless Future" - der bevorstehende Umbruch im Onlinemarketing hat viele Namen erhalten. Weit über die Werbebranche hinaus dürfte bekannt sein, dass der Third-Party-Cookie stirbt. Eine alte Leier also? Nein, denn obwohl mittlerweile klar ist, dass die Zukunft den First-Party-Daten gehört, haben viele Unternehmen noch nicht die passende Lösung gefunden.
Warum ein Umdenken nötig ist
Mögliche Alternativen für den Third-Party-Cookie werden seit Langem diskutiert. Erste Projekte wurden aufgrund von Datenschutzbestimmungen bereits wieder verworfen. In der Diskussion um Alternativen wird insbesondere über die Privacy Sandbox und ID-gestützte Lösungen für das Targeting gesprochen. Die hauseigene Alternative von Google ist zunächst nur für den Chrome-Browser konzipiert. An ID-Lösungen arbeiten dagegen zahlreiche Unternehmen. Dabei ist jedoch noch offen, welche Lösungen sich schlussendlich durchsetzen werden. Sollten sich mehrere Anbieter etablieren, dann sind technologische Lösungen gefordert, die eine ID-übergreifende Zusammenarbeit ermöglichen.
Eines haben die beiden viel diskutierten Vorschläge gemeinsam: Sie rücken den Schutz von persönlichen Daten in den Vordergrund und sie benötigen First-Party-Daten, die im Post-Cookie-Zeitalter zur neuen Leitwährung werden. Um diese Daten aber nutzbar machen zu können, braucht es eine geeignete Kollaborationslösung. Viele Unternehmen überdenken derzeit ihre First-Party-Daten-Strategie, haben eine für sie passende Lösung aber noch nicht gefunden.
Für werbetreibende Unternehmen bedeutet die Arbeit mit First-Party-Daten eine große Veränderung. Denn das Cookie-Ende erfordert mehr als den simplen Wechsel einer Targeting-Lösung. Es erfordert ein komplettes Umdenken darüber, wie personalisierte Werbung im Internet stattfindet. Die unternehmerischen Veränderungen werden dabei insbesondere von zwei Seiten angetrieben.
Treiber I: Datenschutzgesetze
Gesetzliche Datenschutzbestimmungen wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf europäischer Ebene sowie der California Consumer Privacy Act (CCPA) und California Privacy Rights Act (CPRA) in den Vereinigten Staaten sind die neuen Grundregeln für den Umgang mit Daten im voranschreitenden Zeitalter des Datenschutzes. Sie haben die Messlatte für Data Governance und Datenschutztechnologien höher gelegt. Mit zukünftigen Entscheidungen entwickeln sie sich noch weiter, um die Privatsphäre von VerbraucherInnen zu schützen und ihnen die Kontrolle über ihre Daten zurückzugeben.
Die Werbebranche benötigt dabei eine Politik, die über ein tiefgehendes Verständnis des Marktes verfügt. Eine Grundlage dafür ist gelegt, denn die Branche investiert in den wirtschaftspolitischen Austausch und in die Beziehungen zu politischen EntscheidungsträgerInnen. Die gesetzlichen Neuerungen der letzten Jahre zeigen aber, dass es der Politik noch an einem tieferen Verständnis der Branche mangelt.
Treiber II: Datenschutzbewusstsein
Mit der zunehmenden öffentlichen Bekanntheit der Gesetzgebungen steigt auch das Bewusstsein der VerbraucherInnen darüber, wie und in welchem Umfang ihre Daten von Unternehmen gesammelt und an Dritte weitergegeben werden. Für ein höheres Datenschutzbewusstsein sorgen auch Entscheidungen wie die von Apple, das Werbe-Tracking in iPhone-Apps nur noch mit expliziter Erlaubnis zuzulassen. Gleichzeitig rütteln Nachrichten über Datenmissbräuche und öffentlichkeitswirksame Dokumentationsfilme wie "The Social Dilemma" die KonsumentInnen auf. Indem die VerbraucherInnen sich damit auseinandersetzen, was mit ihren Daten tatsächlich passiert, sinkt das Vertrauen in die Onlinewerbung.
Dieser Vertrauensverlust wird dadurch verstärkt, dass personenbezogene Daten mit dem Einsatz von Third-Party Cookies automatisch an Dritte weitergegeben werden. Mit dem Teilen von Daten gefährden werbetreibende Unternehmen aber nicht nur die Beziehung zu ihrer Kundschaft, sondern auch die durch die Kundendaten erhaltenen Wettbewerbsvorteile. Dabei war der Third-Party-Cookie nie für den Einsatzzweck gedacht, für den er bis heute genutzt wird.
Von Third-Party zu First-Party
Die Lücke, die der Third-Party-Cookie hinterlässt, wird von First-Party-Daten gefüllt, also von den Daten, die ein Unternehmen direkt von einer Person erhält. Denn diese Daten sind die wertvollsten Informationen, die eine Organisation über eine Kundin oder einen Kunden besitzen kann.
VerbraucherInnen werden einem Unternehmen deshalb nicht verzeihen, wenn personenbezogene First-Party-Daten wie eine EMail- oder Heimatadresse in die Öffentlichkeit gelangen. Genau dieses Risiko besteht aber, wenn Datenpartnerschaften eingegangen werden, bei denen Daten geteilt werden. Diese Partnerschaften und somit auch der Austausch von First-Party-Daten gründen sich in den meisten Fällen ausschließlich auf einem gegenseitigen, vertraglich festgelegten Vertrauen der Unternehmen. Ein bloßer Vertrag garantiert jedoch nicht, dass die in einer Datenpartnerschaft geteilten Informationen das geschlossene System nicht verlassen, wenn sie einmal aus der Hand gegeben sind. Da die First-Party-Daten so wertvoll sind, ist das Risiko eines Verlustes von Kundenvertrauen und Wettbewerbsvorteilen im Falle eines Datenmissbrauchs umso höher. Wie können First-Party-Daten also gemeinsam nutzbar gemacht werden, ohne dem Risiko von Datenmissbrauch ausgesetzt zu sein?
Technisch kollaborieren, anstatt blind zu vertrauen
Die Zusammenarbeit muss dafür nicht nur vertraglich, sondern auch technologisch so gestaltet sein, dass die Privatsphäre der KonsumentInnen geschützt ist und der Wert der Daten erhalten bleibt. Data Clean Rooms haben sich als eine technologisch sichere Lösung etabliert, mit der zwei oder mehr Unternehmen ihre First-Party-Daten miteinander verbinden und analysieren können, ohne dass diese Daten verschoben oder geteilt werden müssen.
Dafür werden die Daten in ein mathematisches Modell konvertiert. Nur diese verschlüsselten mathematischen Repräsentationen können dann innerhalb einer geschützten Umgebung miteinander kommunizieren. In einer Data-Clean-Room-Umgebung können viele unterschiedliche Akteure mit ihren verschiedenen Datensätzen kollaborieren. Mit solchen Datenkollaborationen können Unternehmen ihre First-Party-Daten sicher und mit vollständigem Datenschutz nutzbar machen, ohne ausschließlich auf Verträge vertrauen zu müssen.
First-Party-Daten nur ein Teil des Umbruchs
Viele Werbetreibende können das Potenzial, das ihnen First-Party-Daten bieten, erst dann vollständig ausschöpfen, wenn sie diese kollaborativ verwenden. Dazu gehört die Entwicklung einer datengetriebenen First-Party-Datenstrategie, die den gesamten Prozess einer Kampagne von Analyse, Planung, Aktivierung bis hin zur Erfolgsmessung abdeckt. Mit Datenkollaborationen behalten Unternehmen die Kontrolle über ihre Daten und können sie gemeinsam nutzen, ohne auf Datenschutz und Performance verzichten zu müssen. Die vermehrte Nutzung von First-Party-Daten wird deshalb ein wesentlicher Teil des Umbruchs im Onlinemarketing sein. Datenkollaborationen und Data Clean Rooms werden ein fester Bestandteil der Gesamtlösung für die Branche sein.
In einem Umfeld, das sich durch neue Gesetzgebungen und steigendes Datenschutzbewusstsein rasant verändert, müssen Unternehmen dazu bereit sein, über naheliegende Alternativen hinauszudenken. Denn nur dann können sie den Umbruch durchlaufen, der größer sein wird, als die meisten sich vorstellen.
Dennie-Alexander Trost, InfoSum
Bild: Raimar von Wienskowski
Über den Autor: Dennie-Alexander Trost
ist Director Sales CE bei InfoSum
und hat mehr als zehn Jahre Erfahrung in den Bereichen Sales, Business Development und Account Management. In den vergangenen zwei Jahren baute er ein eigenes Unternehmen auf und kehrte 2022 mit InfoSum zurück in den Technologiesektor. Zuvor war Trost als Market Lead DACH bei Facebook
für das Audience Network verantwortlich und in leitender Position bei Xandr
(damals AppNexus).