B2B-Lovebrand: So erzeugt Knipex Markenliebe im Handwerk

Matthias Hagedorn (Bild: Knipex)
Matthias Hagedorn

03.02.2022 - Der Zangenhersteller Knipex ist ein echter Hidden Champion im B2B-Markt - mit überzeugten und hingebungsvollen Markenbotschaftern auf der ganzen Welt. Marketingchef Matthias Hagedorn erklärt im Gespräch, wie man aus Profi-Werkzeug eine Lovebrand für Handwerker schmiedet. Und warum möglichst viel Eigenregie dabei so wichtig ist.

von Frauke Schobelt

Herr Hagedorn, Sie waren viele Jahre für den Konzern Philips   tätig, danach für das Drohnen-Start-up Ehang   , seit mehr als vier Jahren sind Sie Head of Marketing für das Familienunternehmen Knipex   mit seiner 140-jährigen Geschichte. Ist eine lange Firmentradition eher eine zusätzliche Herausforderung oder ein hilfreiches Fundament für die Marketingarbeit?
Ein Familienunternehmen kann grundsätzlich ein gutes Fundament bieten. Insbesondere wenn es ein Traditionsunternehmen wie Knipex ist, das über Generationen seinen Werten treu geblieben ist und nicht ständig eine neue Management-Agenda auflegt. Diese Stabilität kann Unternehmen sehr gut tun, schafft Vertrauen bei den Kunden und erleichtert so die Vermarktung. Da sehe ich schon Vorteile gegenüber einem Konzern.

Knipex legt bei der Herstellung seiner Zangen sehr viel Wert auf Eigenregie in allen Phasen der Produktion - und dies gilt auch für das Marketing. Das 32-köpfige Team betreut viele Aufgaben inhouse. (Bild: KNIPEX)
Knipex legt bei der Herstellung seiner Zangen sehr viel Wert auf Eigenregie in allen Phasen der Produktion - und dies gilt auch für das Marketing. Das 32-köpfige Team betreut viele Aufgaben inhouse.


Im Knipex-Imagefilm wird deutlich, wie wichtig dem Unternehmen die Kontrolle über alle Arbeitsgänge ist. Was möglich ist, wird in Eigenregie umgesetzt. Gilt das auch für das Marketing?
Tatsächlich machen wir sehr viel selbst. Wir haben sogar eine eigene Creative Unit mit Creative Director, mit Textern, Video-Produzenten, Fotografen, Grafikdesignern - also eigentlich eine komplette Inhouse-Kreativagentur.

User Generated Content vom Feinsten: Die Wasserpumpenzange Cobra - der Verkaufsschlager der Marke - taugt auch für Klimmzüge. (Bild: KNIPEX)
User Generated Content vom Feinsten: Die Wasserpumpenzange Cobra - der Verkaufsschlager der Marke - taugt auch für Klimmzüge.

Und warum ist diese Eigenregie im Marketing so wichtig?
Wir haben ein sehr spezialisiertes Produktportfolio. Knipex produziert nichts anderes als Zangen - aber dafür fast 1.200 verschiedene Varianten. Wir haben eine Zielgruppe, die sich bestens mit Werkzeug auskennt. Es ist deshalb notwendig, die Produkte sehr gut zu kennen und die richtige Sprache zu sprechen. Außerdem müssen wir ein ziemlich hohes Content-Volumen bewältigen. Wir kommunizieren täglich mit unseren Kunden auf den unterschiedlichsten Kanälen. Zu den Klassikern Instagram   , Facebook   und YouTube   sind jetzt auch TikTok   und Reddit   dazu gekommen. Außerdem kommunizieren wir über die üblichen klassischen Kanäle - und das in 22 Sprachen. Die Pipeline ist also groß und dafür benötigen wir einen verlässlichen Unterbau. Da macht Inhouse aus meiner Sicht Sinn.

Und was wird nicht Inhouse betreut?
Wir geben auch viel nach außen - aus Kapazitätsgründen, vor allem in Peak-Zeiten, bei Produktlaunches. Das erfordert viel Vorbereitung, weil Assets gebaut, der Content aufbereitet und international für alle Märkte angepasst werden muss. Das ist sehr aufwändig. Manchmal brauchen wir auch spezialisierte Dienstleister, wie 3D-Artists, Cutter oder System-Entwickler. Wir wollen auch nicht betriebsblind werden.

Wie groß ist Ihr Team?
Aktuell besteht es aus 32 Mitarbeitern. Neben unserer Kreation haben wir noch eine digitale und eine klassische Unit.

Markenfan in der Reddit-Gruppe 'Toolporn'. (Bild: Knipex/Reddit Toolporn)
Markenfan in der Reddit-Gruppe 'Toolporn'.

In Ihren sozialen Kanälen liefern Sie jeden Tag neuen Content. Und jetzt kommen auch noch TikTok und Reddit dazu. Warum sind auch diese sozialen Kanäle wichtig für die B2B-Marke Knipex?
Wir wenden uns an professionelle Endanwender, also Klempner, Elektriker, Mitarbeitende in der Industrie und viele weitere Branchen, in denen Werkzeug zum Einsatz kommt. Das Handwerk sowie Fans von gutem Werkzeug sind in den sozialen Medien erstaunlich gut vertreten. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Subreddit /tools. Diese Gruppe hat mehr als 480.000 Mitglieder, die mit Leidenschaft über unsere Werkzeuge diskutieren. Hier ist es sehr wichtig das Ohr am Gleis zu haben - sowohl für unseren Innovationsprozess als auch zur Nutzung kommunikativer Möglichkeiten. Reddit ist, im Vergleich zu vielen anderen Kanälen, nicht werblich geprägt, hier zählen vor allem Fakten. Das schätzen wir sehr. Wir erhalten bisher sehr viel positives Feedback auf unser Engagement auf diesem Kanal. Wir sind hier aber erst am Anfang und haben die nächsten Jahre noch viel vor.

Und warum TikTok?
Kurzvideos sind ein modernes, spannendes Medienformat und auf TikTok werden unsere Produkte heute schon über viele User gefeatured. Unsere Zielgruppe ist hier definitiv präsent. Auch wir beschäftigen uns gerade fleißig mit der Produktion von Kurzvideos, in welchen wir Marken- und Produktkommunikation unterhaltsam vermitteln wollen. Das macht sehr viel Spaß und führt auf Instagram schon zu den gewünschten Ergebnissen. Proof of concept ist also gegeben.

Dient Social Media auch als Recruiting-Kanal?
Ja, wir betreiben auch Social Recruiting. Mit der "Lehre Deines Lebens" haben wir auch einen Azubi-Kanal, welcher authentisch aus dem Leben der Auszubildenen erzählt und uns auch bei der Personalgewinnung unterstützt.

Markenhype: Bei manchen Fans ist die Markenliebe so groß, dass sie sich Knipex-Produkte auf den Arm tätowieren lassen. (Bild: KNIPEX)
Markenhype: Bei manchen Fans ist die Markenliebe so groß, dass sie sich Knipex-Produkte auf den Arm tätowieren lassen.

Knipex ist sehr, sehr vielen Menschen weltweit ein Begriff, die regelmäßig mit Zangen hantieren. Wie gelingt es als Traditionsmarke, aus Werkzeug eine Lovebrand für Handwerker zu schmieden?
Ich würde jetzt gerne sagen, dass das alles mein Verdienst ist, aber das stimmt nicht. Als ich vor vier Jahren bei Knipex startete, war ich von der Leidenschaft und Loyalität unsere Zielgruppe zutiefst beindruckt. Und wenn Sie mich fragen, woher dass jetzt kommt, dann gibt es hauptsächlich einen Grund dafür: Wir machen sensationell gute Zangen - und unsere Zielgruppe (übrigens fast ausschließlich Profis) merkt das, schätzt das - und feiert das! Das Beste, was uns also passieren kann, ist, dass ein Neukunde einfach mal mit einem unserer Produkte arbeitet. Das ist der primäre Faktor, der Markenliebe erzeugt. Profis lieben Präzision, Ergonomie, Haltbarkeit und viele weitere Faktoren, die ihre Arbeit jeden Tag leichter und besser machen. Und das tun alle unsere Produkte - für eine große Vielfalt von Anwendungen.

Was trägt das Marketing dazu bei?
Die Aufgabe des Marketings ist es, die Touchpoints gut zu bespielen, die relevant für unsere Zielgruppe sind. Wir haben mittlerweile ein extrem weites Geäst von eigenen Social-Media-Kanälen aufgebaut. Das meiste ist organisch gewachsen. Der Austausch ist hier sehr leidenschaftlich. Gute Beispiele hierfür sind Facebook- Gruppen wie "Heizungsbauer aus Leidenschaft" oder "Elektriker. Gottähnliches Wesen mit Macht über das Licht". Dies sind Gruppen mit mehr als 40.000 professionellen Mitgliedern, die intensiv über unsere Werkzeuge diskutieren. Diese Communities sind sehr stark und kooperieren gerne mit Ihnen! Earned Media ist hier eine wichtige Ergänzung zu unseren eigenen Kanälen.

Knipex lässt viele Nutzer zu Wort kommen. Auch Mitarbeiter des Miniatur Wunderlandes Hamburg stellen die Zangen im Einsatz vor. Wie wichtig sind Markenbotschafter für den Erfolg der Marke?Diese Markenbotschafter sind für uns wichtig, aber wir gehen dabei sehr selektiv vor. Die Kooperation mit dem Miniatur Wunderland ist spannend, weil die Leute dort schon lange aus eigener Motivation mit Knipex gearbeitet haben. Es hat uns großen Spaß gemacht den Profis über die Schulter zu schauen.

B2B-Markenbotschafter spielen eine große Rolle in der Kommunikationsstrategie, um Influencer Relations kümmert sich Knipex deshalb selbst. Auch um die Zusammenarbeit mit dem Miniatur Wunderland Hamburg, das sich bei der Arbeit mit Knipex-Zangen über die Schultern schauen lässt. (Bild: KNIPEX)
B2B-Markenbotschafter spielen eine große Rolle in der Kommunikationsstrategie, um Influencer Relations kümmert sich Knipex deshalb selbst. Auch um die Zusammenarbeit mit dem Miniatur Wunderland Hamburg, das sich bei der Arbeit mit Knipex-Zangen über die Schultern schauen lässt.

Worauf legen Sie Wert bei der Zusammenarbeit?
Wir arbeiten gerne mit Markenbotschaftern, die authentische Stories erzählen und auch die notwendige Kompetenz aufweisen. Uns ist es wichtig, dass Aussagen nicht werblich formuliert werden, sondern echt sind und der Content eher Dokumentarcharakter hat. Ein gutes Beispiel ist die Kooperation mit dem "Sonnenwagen"-Team der RWTH Aachen   , die sehr gut zu uns passen. Erstens, weil es junge Studierende sind, die wir sehr gerne fördern. Und zweitens, weil sie eine echte Mission haben. Solche Projekte fördern wir gerne, auch wenn die meisten Kooperationen unentgeltlich sind.

Und das funktioniert?
Content-Creator "Der Elektriker" hat auf Youtube einen unserer Werkzeugkoffer vorgestellt, den er unentgeltlich von uns erhalten hat. Das Video hat inzwischen rund 1,3 Millionen Views. In dem beliebtesten Kommentar darunter wird der Creator zu der Partnerschaft mit einem seriösen Hersteller wie Knipex beglückwünscht. Dies spreche für die Qualität seines Contents. Es wäre uns extrem unangenehm, wenn da jemand gekünstelt eines unserer Produkt hochhält, der keine Ahnung davon hat. Bisher gelingt es uns aber sehr gut vielversprechende Partner zu finden.

Betreuen Sie auch die Influencer lieber Inhouse oder arbeiten Sie mit einer Agentur zusammen?
Wir haben eine Mitarbeiterin, die sich ausschließlich um Media- und Influencer Relations kümmert. Das Verhältnis zwischen der Marke und dem Content-Creator muss persönlich sein. Aus Kapazitätsgründen arbeiten wir aber auch mit einer PR-Agentur zusammen, die uns dabei hilft, auch weltweit alle Fäden zusammenzuhalten.

Wertvolles Feedback aus der Community: Bei allen wichtigen Entscheidungen sind die 'Knipexperten' mit dabei. (Bild: KNIPEX)
Wertvolles Feedback aus der Community: Bei allen wichtigen Entscheidungen sind die 'Knipexperten' mit dabei.

Knipex-Produkte sind sehr beliebt. Erhalten Sie viele Anfragen von Content Creators?
Ja, sehr viele. Wir halten aber auch die Augen offen und sprechen selbst geeignete Influencer an. Meistens benutzen sie die Werkzeuge ohnehin schon und sprechen gerne darüber. Wie etwa der Buschpilot aus Nevada, Trent Palmer. Das war ein sehr spannender Use-Case. Daran sieht man auch, wie vielfältig unsere Zielgruppen sind: Vom Hufschmied bis zum Buschpilot, vom Tierarzt bis zum Astronauten. Zangen kommen nun mal in sehr vielen Gewerken und Branchen zum Einsatz. Das macht den Content sehr abwechslungsreich und spannend.

Arbeiten Sie auch auf TikTok mit Creators zusammen?
Bisher noch nicht, aber ich will eine Zusammenarbeit nicht ausschließen, das kann durchaus sinnvoll sein. Aber da stecken wir noch in den Kinderschuhen. Wir hatten kürzlich einen tollen Insta- Reel. Uns wurde ein Video zugeschickt, in dem jemand an einer Stange Klimmzüge an Cobra-Wasserpumpenzangen macht. Die haben einen Selbstklemmeffekt. Das ist Entertainment und zeigt gleichzeitig ein Feature unserer Produkte. Das ist geschenkter User Generated Content.

Knipex bezeichnet sich selbst als Ideenschmiede: Wie wichtig dafür ist der Input aus der Community und der Dialog mit den Anwendern? Gibt es einen regelmäßigen Austausch?
In den sozialen Netzwerken erhalten wir viel Feedback zu unseren Produktpostings , beispielsweise nach Produktlaunches - das ist natürlich sehr spannend für uns. Der meistgenannte ist tatsächlich "take my money". Außerdem haben wir eine internationale Gruppe ins Leben gerufen, die sogenannten "Knipexperten". Denn uns ist das Thema Upstream-Marketing extrem wichtig. Wir wollen nicht nur im stillen Kämmerlein über Produkte oder Marketingstrategien entscheiden, sondern setzen auf Austausch und binden so Prfis aktiv in den Innovationsprozess mit ein. In der Gruppe sind Core-User aus unterschiedlichen Ländern und Branchen, die wir viel fragen. Etwa über Details bei Neuentwicklungen, aber auch zum Design. Das erleichtert unsere Arbeit. Bei allen wichtigen Entscheidungen sind heute User mit dabei.

Gibt es jährliche Treffen, eine Art Influencer Day?
Noch nicht. Das planen wir aber, vielleicht irgendwann im Rahmen einer Messe. Der Wunsch ist auf jeden Fall da. In der Elektriker- Gruppe auf Facebook gab es mal eine Abstimmung über Lieblingshandwerkszeug.
Und Knipex war die Nummer eins. Da die Admins nur drei Orte von Wuppertal entfernt leben, haben wir sie zu einer Werksführung eingeladen. Wir hatten auch Leute aus der Facebook-Gruppe "Werkzeug-Mania" zu Besuch, die waren vollkommen geflasht. Da wird noch viel in der Zukunft gemeinsam entstehen.

Die fühlten sich wahrscheinlich wie im Paradies...
Es gibt sogar User, die haben sich unsere Produkte auf den Unterarm tätowiert. Das fand ich am Anfang schon überraschend, wie groß diese Markenliebe ist.

Die Azubis betreuen den erfolgreichen Merchandising-Shop 'Knipexfans', in dem künftig auch Markenfans aus ganz Europa einkaufen dürfen. (Bild: KNIPEX)
Die Azubis betreuen den erfolgreichen Merchandising-Shop 'Knipexfans', in dem künftig auch Markenfans aus ganz Europa einkaufen dürfen.

Mit "Knipexfans" hat die Marke sogar einen eigenen Fanshop mit Merchandising-Artikeln, der von Auszubildenden betreut wird. Wie kommt der Shop an?
In diesem Projekt unserer Junior-Firma lernen die Auszubildenden selbst zu wirtschaften, das ist eine schöne Sache. Der Shop ist sehr erfolgreich, was sicherlich auch daran liegt, dass jemand, der sich unsere Zange auf den Arm tätowieren lässt, auch gern weitere Produkte unserer Marke kaufen möchte. Wir bekommen täglich viele Anfragen nach weiteren Merchandising-Artikeln aus aller Welt. Deshalb planen wir in Kürze das Angebot weiter auszubauen. Demnächst soll es einen Europa-Shop geben, mit deutlich mehr Merchandising, vielleicht Knipex-Bettwäsche oder einer Kuschel- Cobra, unserem Zangen-Bestseller.

Ist diese Spezialisierung auf Zangen ein Teil des Erfolges?
Ja. Dennoch prüfen wir immer wieder, welche Produktgruppen strategisch für uns noch spannend sein könnten. Wir steigen aber nur ein, wenn wir es besser machen können als der Markt es momentan tut. Ansonsten möchten wir aber auch nicht im Portfolio unserer langjährigen Marktbegleiter wildern. Wir bleiben aber Spezialisten für Zangen und diversifizieren unser Portfolio innerhalb dieser Spezialisierung.

Ein Influencer in China präsentiert die Mini-Wasserpumpenzange Cobra XS. (Bild: Knipex/Handsome Boy)
Ein Influencer in China präsentiert die Mini-Wasserpumpenzange Cobra XS.

Ein Beispiel?
Die Wasserpumpenzange Cobra ist eines unserer Hero-Produkte. Vor kurzem haben wir eine kleine 100-Millimeter-Variante gelauncht und waren uns nicht sicher, ob die jemand kauft. Heute ist die kleine Cobra einer unserer Topseller. Hier gibt es z.B. Maniacs im sogenannten EDC-Bereich, also "Every-Day-Carry". Das sind Werkzeuge, die Menschen jeden Tag bei sich tragen. Gerne am Gürtel. Ein Messer, eine kleine Taschenlampe und nun eben auch die kleine Cobra. Es gibt so viele Anwendungen und Special-Interest-Gruppen, für die wir noch Produkte entwickeln können. Da wird es bestimmt nicht langweilig.

Auch für B2C?
Wir machen natürlich Umsätze im DIY-Segment, gerade in Corona-Zeiten, das waren umsatzstarke Monate für uns. Aber wir fokussieren uns in der ganzen Ausrichtung des Marketings auf professionelle Anwender, die Werkzeug als essentiellen Bestandteil Ihrer Berufung sehen. Die treffen nicht immer nur faktische, rationale Kaufentscheidungen, sondern sehen das Werkzeug als Verlängerung ihrer Hand oder ihres Armes. Das ist auch eine emotionale Entscheidung. Außerdem schätzen wir die Beratungskompetenz unseres starken Händlernetzwerks, mit dem uns in vielen Fällen eine jahrzehntelange Partnerschaft verbindet.

Knipex-Produkte werden in 100 Ländern verkauft: Wie ist das Marketing international organisiert?
Wir haben 30 Ländermarketiers in der Organisation, die für ihre jeweilige Region oder den lokalen Markt die Verantwortung tragen. Im Headquarter stellen wir eine Vielzahl von Content her, der lokal adaptiert wird. Die Betreuung der jeweiligen lokalen Kanäle und Touchpoints liegt aber im Land. Denn die Kollegen vor Ort kennen ihren Markt am besten, da sollte es nicht zu viele Vorgaben aus dem Headquarter geben. Wir sind eng miteinander vernetzt und es gibt viel Vertrauen.

Ein Teil des Leitbildes von Knipex lautet: Weniger ist mehr. Und Qualität entscheidet. Lässt sich dies auch auf Ihre Marketing- und Mediastrategie übertragen?
"Weniger ist mehr" trifft vor allen Dingen auf unsere Tonality und die Content-Strategie zu. Auf unseren Owned-Channels wird es selten passieren, dass wir Superlative in unserer Kommunikation nutzen oder unnötig unsere Produkte überhöhen, indem wir etwas als Revolution bezeichnen, was einfach nur eine Variante ist. Wir möchten authentisch und glaubwürdig kommunizieren. Deshalb mögen wir auch sehr gerne User Generated Content. Niemand kann glaubwürdiger zeigen, was unsere Produkte leisten! Außerdem legen wir Wert auf so technisch akkurate Beschreibungen wie möglich.

Community-Aufbau mit einer weltweit starken Präsenz in Social Media. (Bild: Knipex)
Community-Aufbau mit einer weltweit starken Präsenz in Social Media.

Nach welchen Kriterien bewerten Sie dann Marketingkanäle? Welche werden wichtiger?
Die Marketingkanäle müssen zu unserer gewünschten Tonalität passen. Reddit und das Subredditr/toolporn sind dafür hervorragende Beispiele. Wir setzen nicht auf werblichen Content, sondern auf den Austausch. In Ländern, in denen wir noch nicht so bekannt sind, dürfen wir uns eher um Awareness kümmern. Da kann man auch Kanäle wählen mit gewissen Streuverlusten. Ansonsten bevorzugen wir Kanäle, in denen wir sehr gezielt mit unserer Zielgruppe sprechen können.

Wohin fließt der Großteil Ihrer Budgets?
Vor allem in Kanäle in Märkten, in denen wir noch Potenziale abschöpfen können. China ist sehr spannend für uns. Da sind wir seit anderthalb Jahren auf Kanälen wie Sina Weibo, Douyin/TikTok oder Bilibili unterwegs. Wir arbeiten mit Agenturen, Micro Influencern und KOLs zusammen. Das ist für uns spannendes Neuland. Unsere Budgets fließen ansonsten in den Aufbau der Kanäle, die gemessen an ihrem Potential noch unterrepräsentiert sind.

Viele Messen sind in den vergangenen knapp zwei Jahren ausgefallen oder in das Internet verlagert worden. Wie kompensiert Knipex den Verlust an direkten Kundenkontakten?
Persönliche Kontakte lassen sich nicht substituieren. Messen sind wichtig. Dort treffen wir Kunden, Opinion Leader und Fans. Man muss die Leute sehen, nicht nur über Teams oder Videotelefonie, sondern auch persönlich. Corona war für alle Unternehmen der Treiber für den digitalen Austausch. Auch für uns. Wir haben Online-Trainings angeboten, auch Webinare und Onlnie-Messen ausprobiert sowie 2021 das Onlineformat Knipex-Updates eingeführt, ein Keynote-Format, um neue Produkte vorzustellen. Das wollen wir in den nächsten Jahren fortführen. Leads generieren wir heute erfolgreich über Omnichannel Inbound Strategien und individuelle Customer Journeys - hier hilft uns seit ca. einem Jahr eine entsprechende Neuausrichtung und die Nutzung von Hubspot.   .

Der Ausfall von Messen hat auch Knipex hart getroffen. 2021 führte das Unternehmen das Onlineformat Knipex Update ein, ein Keynote-Format zur Präsentation neuer Produkte, bei dem auch Markenbotschafter wie Buschpilot Trent Palmer zu Wort kommen. (Bild: KNIPEX)
Der Ausfall von Messen hat auch Knipex hart getroffen. 2021 führte das Unternehmen das Onlineformat Knipex Update ein, ein Keynote-Format zur Präsentation neuer Produkte, bei dem auch Markenbotschafter wie Buschpilot Trent Palmer zu Wort kommen.


2020 startete auch Knipex Werkstatt TV auf Youtube. War dieser Kanal auch eine Reaktion auf Corona?
Werkstatt TV gibt es schon viel länger. Diese strategische Entscheidung, die ich heute natürlich sehr begrüße, wurde schon vor meiner Zeit getroffen. Das ist ein tolles Format, in dem unsere Produktmanager unsere Zangen präsentieren - wir schauen ihnen einfach bei ihrer Arbeit über die Schulter. Das hat weniger einen kommerziellen Appeal, sondern zeigt sehr glaubwürdig, wie sich mit den Produkten arbeiten lässt. Dieses Demo-Format wird mit Sicherheit ebenfalls bleiben.

Viele Hersteller setzen mittlerweile auf den Direct-to-Consumer- Vertrieb. Ist das auch eine Option für Knipex?
Wir schätzen unser Händlernetzwerk sehr, das haben wir über viele Jahrzehnte aufgebaut und vertrauen in diese Partnerschaften. Ich will aber nicht ausschließen, dass es gewisse Märkte auf der Welt gibt, in denen D-to-C interessant werden könnte. Für uns ist Mexiko so ein Markt. Grundsätzlich sind wir sehr händlertreu und wollen das auch bleiben. Spannend ist aber, wie sich die Digitalisierungdes Handels weiterentwickelt. Das beobachten wir sehr genau.

Wie muss sich der Handel für die Zukunft aufstellen?
Es wäre gut, wenn unsere traditionellen Partner die Digitale Transformation erfolgreich vollziehen und es weiterhin schaffen, relevante Marktsegmente zu bedienen. Da tun sich manche noch schwer. Wir wollen da präsent sein, wo unsere Zielgruppe einkauft.


Seit 2017 ist die Knipex-Gruppe am Softwareunternehmen LMIS beteiligt, um die Digitalisierung voranzutreiben. Wie weit ist Ihr Unternehmen mit der Digitalen Transformation?
Die LMIS eröffnet nicht nur uns neue digitale Möglichkeiten, gerade in der Produktion. Sie haben sehr viele interessante Produkte zukunfstfähige und skalierbare Produkte im Bereich Automation, Machine-Learning und Artificial-Intelligence. Im Bereich KI kann es gut sein, dass sie uns auch im Marketing in Zukunft noch besser unterstützen.

Es hat auch mit der Unternehmenskultur zu tun, wie sehr die Digitalisierung vorangetrieben wird...
Das ist so. Ralf Putsch, der Eigentümer unseres Unternehmens, ist ein leidenschaftlicher digitaler Marketier. Von ihm stammen unsere ersten Posts auf Instagram, er genießt diesen Austausch sehr. Dementsprechend will er auch die Organisation vorbereiten und sich den vielen digitalen Herausforderungen vorausschauend stellen. In vielen Bereichen haben wir die digitale Transformation bereits vollzogen, in anderen sind wir dabei.

Wie weit ist das Marketing? Welche Rolle spielt datengetriebenes Marketing?
Im Marketing haben wir die Digitale Transformation weitestgehend vollzogen. Da sind wir recht weit, wir bilden inzwischen die meisten internen und externen Workflows digital ab. Was datengetriebenes Marketing angeht: Wir sammeln schon fleißig dort Daten, wo wir es dürfen, führen sie zusammen, schauen uns das im Dashboard an. Auch Automatisierung ist ein Thema für die Zukunft. Dazu gibt es erste Ideen, aber noch keinen routinierten Prozess.

Wie gut sind Sie darin, Daten zusammenzuführen?
Uns ist es wichtig, die Kundendaten, die wir erhalten, richtig zu interpretieren und strategisch zu nutzen. Wir haben regelmäßige Data Studio Meetings, bei denen die gesammelten Daten zusammengeführt werden. Das sind alle Touchpoint-spezifischen KPIs, die wir regelmäßig im Team diskutieren. Es kommen fast wöchentlich neue Datenquellen hinzu. Es ist sehr spannend, all das zusammenzuführen und die richtigen Learnings daraus zu ziehen. Nicht nur kanalindividuell, sondern übergreifend.

Digitaler Service: Display mit NFC-Chip (Bild: Knipex)
Digitaler Service: Display mit NFC-Chip

Welche Marketing-Tools werden in Zukunft für Ihre Arbeit wichtiger?
Auf der Tool-Seite sind wir schon ganz gut ausgestattet. Die Vernetzung wird noch spannend. Wir haben ein zukunftsfähiges PIMDAM- System, die notwendigen Schnittstellen zur Ausleitung in klassische Medien und unsere Website. Wir nutzen ein globales Redaktionsplanungstool, ein Tool von Lionbridge für Übersetzungen sowie Dashboards. Wir nutzen Hubspot als Ticketing System sowohl intern als auch zur Kampagnen-Planung. Alles, was mit Inbound und Marketing Automation zusammenhängt, wird noch viel wichtiger. Wir prüfen auch regelmäßig, ob wir die richtigen Tools nutzen, oder ob es gegebenenfalls sogar sinnvoll ist, auf eine größere Marketingsuite zu setzen. Auch Datenschutzaspekte werden Auswirkungen auf die geplanten Tools haben.

Wie bewerten Sie die Debatte um das nahende Ende von Third- Party-Cookies?
Das Cookie-Aus kommt nicht so überraschend, sondern hat sich lange abgezeichnet. Man muss hier beide Seiten sehen, nämlich welche Interessen die Werbetreibenden verfolgen und welche Endanwender. Ich kann Bedenken der Datenschützer sehr gut verstehen. Daten zu erheben ist ein Eingriff in die Privatsphäre. Ich bin deshalb eher auf der Seite der Datenschützer und Endanwender.

Welche Alternativen halten Sie für zielführend?
Tatsächlich diskutieren wir diese noch. Wahrscheinlich ist das Sammeln von First-Party-Data sehr vielversprechend. Daraus können wir die richtigen Schlüsse ziehen und an den richtigen Stellen werben. Eine spannende Alternative ist auch kontextuelles Targeting, doch auch das würde nicht komplett Third-Party-Cookies ersetzen. Da müssen wir noch mehr ausprobieren. Wichtig ist die Vernetzung der First-Party-Daten.

Storytelling im Blog von Knipex. (Bild: Knipex)
Storytelling im Blog von Knipex.

Eine weitere wichtige Aufgabe für CMOs ist laut einer Serviceplan- Umfrage die Verbesserung der Customer Experience (UX). Was tut Knipex dafür?
Jeder Touchpoint wird permanent darauf untersucht, ob er die bestmögliche UX liefert. Diese Touchpoints gilt es dann geschickt miteinander zu verketten, damit eine gute Customer Journey dabei herauskommt. Wir sind experimentierfreudig. In einem Feldversuch haben wir Displays für den Handel mit NFC-Chips und QR-Codes ausgestattet. Wir wollen wissen, wieviel Konvergenz wir damit generieren können und ob Kunden Zusatzinformationen aus dem Netz abrufen. Diese Daten werten wir aktuell aus. Außerdem überarbeiten wir auch unsere Packagings für eine bessere Unboxing Experience. Generell steht bei uns eine stetige Verbesserung der Customer Experience im Fokus. Wir arbeiten permanent daran, unseren Social-Media-Content zu verbessern, haben einen Blog   eingeführt und global unsere Webseite relauncht. 2022 werden wir eine App für Anwendungsberatung entwickeln, damit Kunden bequemer die für sie richtige Zange finden. In Zukunft wird deshalb auch das Thema Conversational- Marketing wichtiger.

Technologie spielt im Marketing eine immer wichtigere Rolle. Was muss der Marketer der Zukunft mitbringen? Worauf achten Sie bei Neueinstellungen?
Das hängt davon ab, wo wir die neuen Mitarbeiter im Marketing einsetzen. Dieses Bild des einen Marketers und Generalisten gibt es nicht mehr. Wir brauchen heute kreative Mitarbeiter, die ein
gutes Gespür für das Informationsverhalten der Zielgruppen mitbringen und die Möglichkeiten und Restriktionen der Kanäle und Touchpoints gut kennen.

Wir brauchen außerdem analytisch und strategisch denkende Mitarbeiter, die in der Lage sind, Daten zu interpretieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Ein weiterer Typus sind eher technologisch orientierte Mitarbeiter, die Serverstrukturen verstehen, Datenbanken oder Systeme. Marketing ist extrem vielfältig geworden.

Wichtig ist daher auch die Weiterbildung. Welche Branchenevents sind aus Ihrer Sicht 2022 ein Muss für Marketer?
Die Dmexco   ist immer wichtig und spannend für uns. Da haben wir beispielsweise unseren aktuellen Dienstleister für den Website- Relaunch kennengelernt. Auch über Berufsnetzwerke oder LinkedIn   konnten wir schon interessante Partnerschaften gewinnen. Manchmal kommen Ideen auch von Lieferanten. Oder von unseren jungen Hochschulabsolventen. Viele Seminare bieten beispielsweise die Online Marketing Rockstars.

Eine wichtige Aufgabe für CMOs ist und bleibt die Förderung der Teamkultur, auch in Zeiten von Remote Working, Corona und anderen Krisen. Ihre Region rund um Wuppertal ist ja auch noch von der Jahrhundertflut betroffen. Wie bewältigen Sie all diese Herausforderungen?
Unser Unternehmen war von der Flut nicht direkt schwerwiegend betroffen, aber Mitarbeitern hat es das Haus weggeschwemmt. Bei Knipex stehen unsere Mitarbeiter im Fokus. Insofern haben wir hier ohne viel Formalitäten unterstützt, wo wir konnten. Heute arbeitet mein Team pandemiebedingt weitestgehend remote. Mir ist es wichtige eine widerstandsfähige Kultur zu schaffen und gleichzeitig wertvolle Beziehungen nicht zerbrechen zu lassen. Ich möchte im nächsten Jahr noch mehr Fokus auf das Zwischenmenschliche legen und per Teams nicht nur über Arbeitsinhalte reden.

Das Interview mit Matthias Hagedorn sowie weitere Themenschwerpunkte, wie beispielsweise Alternative Recruiting-Methoden, Marketingorganisation und KPI und Metriken können Sie hier   als E-Paper, Ausgabe 1-2/2022 lesen.

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