Die Strahlkraft eines CEOs muss heutzutage mehr ausleuchten als einen Zeitungsartikel, eine Jahreshauptversammlung oder einen Börsenbericht. Mit einer jahrzehntelangen klassischen CEO-Präsenz, die nur ab und an den Chefsessel mit der breiten Bühne tauschte, ist heute weder dem Unternehmen noch dessen Image gedient. Im Kampf um mediale Aufmerksamkeit gerät man leicht ins Hintertreffen.
Nichts eignet sich dafür besser als eine starke eigene Stimme im Social Web. Denn das Soziale ist das, was heute den Unterschied macht. Auf Xing
und LinkedIn
, auf Youtube
und Twitter
wird nicht mehr nur über Werte geredet, hier werden Werte gelebt. Hier ist Haltung mehr als nur eine Absichtserklärung, wird der Mensch hinter der Marke nahbar, erlebbar und bekommt ein Gesicht. Ein Gesicht wohlgemerkt, das er selbst formen und gestalten kann. "Bislang definierten andere, wie man den oder die CEO eines Konzerns wahrnimmt, hatten Medien und Stakeholder die Deutungshoheit. Nun holen sich die Manager diese Deutungshoheit zurück", sagt Oxana Zeitler, CEO der Agentur Vision2brand
, spezialisiert auf Personal Branding von hochrangigen Managern und Executives.
Eine Präsenz ist unverzichtbar
Die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit bekommen die modernen Manager immer stärker zu spüren. 65 Prozent aller US-Angestellte erwarten laut einer Studie des US-Beratungsunternehmens
Brunswick
, dass sich ihre Führungsetage im Social Web zu ihren Plänen und Visionen äußert. Wie die Studie zeigt, sind die Bewertungen für die am besten vernetzten Chefs und ihrer Unternehmen im Glassdoor Index um fünf, bzw. drei Prozent höher als die der Vergleichsgruppe.
Trotz dieser Vorteile agieren die Chefs zögerlich. 58 Prozent der Vorstände aus den wichtigsten 20 Ländern sind derzeit im Social Web aktiv. 2017 waren es nur 41 Prozent, wie eine Studie des
Ecco Network
in den USA zeigt. 2017 erhob auch die deutsche Unternehmensberatung
Oliver Wyman
, wie viele der deutschen DAX-CEO eine Präsenz haben: 7 von 30 waren es damals. Aktuell sind 15 der 30 DAX-CEO bei LinkedIn und 7 bei Twitter aktiv. Nur einer davon hat daneben noch
Facebook
und
Instagram
bespielt: Spitzenreiter Bill McDermott, mittlerweile Ex-Chef von SAP, hat mit zum Teil sechsstelligen Followerzahlen breit auf allen Kanälen sein Motto #WinnersDream verbreitet. Es bleibt abzuwarten, wie aktiv und erfolgreich er in seiner neuen Position als Vorstandschef des kalifornischen Cloud-Anbieters ServiceNow posten und twittern wird.
Insgesamt belegen die Zahlen, dass sich immer noch die Hälfte der Vorstandsetagen mit einem Auftritt vornehm zurückhält. Zu tief sitzt die Angst vor Blamage, Blöße oder Fehltritten.
Allein, die Chefs können es sich nicht mehr leisten. Nach einer Studie des US-Beratungsunternehmens
Brandfog
ist es den Arbeitnehmern wichtig, dass ihre Führungskräfte klare Statements abgeben u.a. gegen sexuelle Belästigung (59 Prozent), gegen ungerechte Bezahlung (53 Prozent) und gegen Rassendiskriminierung (47 Prozent). Das zeigt: Jedes Mitglied des Vorstands hat eine Vorbildfunktion und wird auch daran gemessen. 86 Prozent sagen beispielsweise, dass eine Führungskraft, die die Rechte Benachteiligter verteidigt, damit großartige Führungsqualitäten zeige.
Das beweist: Bei aller Social Media-Scheu, die die Manager und Managerinnen an den Tag legen, sie verschenken ein immenses Potenzial. Gefragt sind Top-Manager, die klug und mutig genug sind, sich in der Social-Media-Landschaft zurechtzufinden. Es gab noch nie in der Geschichte ein derartiges Potenzial für Networking und Kommunikation. Nicht nur intern, sondern auch in der externen Wahrnehmung. Man nehme nur das Beispiel von Dieter Zetsche.
Schnauzbart oder Kochschürze? So findet man seine Marke
Zetsche, bis Mai Vorstandschef bei Daimler und einer der hierzulande beliebtesten Konzernlenker, hat mit seinen
humorigen Weihnachtsvideos
Geschichte geschrieben - und damit ein Publikum erreicht, das weit über die Belegschaft des Autokonzerns hinaus ging. Allein auf Youtube hat das jüngste Video Klickzahlen von fast 200.000 erreicht. Ein Beispiel, das auch seine Kollegen inspiriert hat: Telekom-Chef Timotheus Hoettges
buk zur Jahreswende 2019 Weihnachtsplätzchen und stopfte Funklöcher
, die im Teig aufgerissen waren. Hoettges muss aber noch an die Zahlen von Zetsche heranreichen, der bereits im Jahr zuvor in der Weihnachtsbotschaft sich sein Markenzeichen - den Schnauzbart - hatte wegretuschieren lassen. Einmal mehr hat Zetsche damit bewiesen, wie man schlau eine persönliche Markenwahrnehmung steuern kann.
Auch John Legere, der Chef von T-Mobile, hat seine ureigene Marke gefunden, indem er seine Leidenschaft fürs Kochen mit einem größeren Publikum teilt. Immer - auch das ein Markenzeichen - eine Spur aufgedreht und mit übergroßem T-Logo. Seinem Profil auf Twitter, das ihn mit Kochmütze zeigt, folgen 6,4 Millionen Menschen, dem Facebook-Profil, auf dem er seine
SlowCookerSunday-Videos
postet, knapp 400.000.
Nun ist John Legere eine besondere Personal Brand und ein derlei auffälliger Auftritt nicht jedermanns Sache. Genau deshalb muss ein persönlicher und vor allem authentischer Markenauftritt im Social Web von langer Hand minutiös vorbereitet werden, egal ob der CEO selbst in die Tasten greift oder die Aufgabe an eine kompetente Social Ghostwriter-Agentur abtritt.
Dazu gehört zuallererst ein umfangreiches Studium sozialer Daten, Imagewerte, eine Konkurrenzanalyse und eine Erhebung, welche Inhalte bei der Zielgruppe Anklang finden. Erst dann können Markenpersönlichkeit, Tonalität, Themen und der jeweilige Unternehmenskontext festgelegt werden. Auch nach den ersten Posts wird ein seriöser Social Media-Auftritt immer wieder mit Monitoring analysiert und aufgrund der Erfahrungen optimiert werden müssen. Jede starke Stimme braucht ihre gewisse Entwicklungszeit.
Kann das jemand anderes machen?
Grundsätzlich muss eine Social Brand im Netz nicht persönlich durch den CEO geführt werden. In der Regel haben die Firmenlenker eine extrem schnelle Auffassungsgabe, treffen noch schnellere Entscheidungen, haben klare Fragestellungen, eine starke Vision und nur eines nicht - Zeit für Bullshit. Immer öfter delegieren sie diese Aufgabe an jemanden, der ihnen diese vertrauensvoll abnimmt, der sich zudem noch um die Vernetzung und das richtige Kommentieren kümmert.
Klingt eigentlich nach einem klassischen Job für die Marketing- oder Presseabteilung eines Unternehmens? Mitnichten. Das versuchen Spezial-Dienstleister wie die
Story Machine
von Ex-Bild-Chef Kai Diekmann zu beweisen. Mit seinem Spezial-KnowHow darf er nun den Twitter-Account von EU-Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen betreuen.
Denn die eigene PR ist meistens zu nah dran. Zum einen können Externe oftmals ein offeneres und unverstellteres Verhältnis zu ihrem Kunden aufbauen, das dann in einer authentischeren Außendarstellung mündet. Zum anderen hat die PR-Seite einen echten Interessenskonflikt. Sie wollen senden, mitteilen, Werbung machen. Ein CEO im Social Web hingegen muss kommentieren, Stellung beziehen, sich menschlich und nahbar zeigen, in manchen Fällen auch einfach nur unterhalten. Das ist ein völlig anderes Universum, das eine besondere Sprache und eine andere Denke verlangt als die, die in der Kommunikationsabteilung gesprochen wird. Etwas, was eine spezialisierte Personal Branding-Agentur mit psychologischem Hintergrund oftmals passgenauer und authentischer leisten kann.
Doch egal, wer schlussendlich auf "Veröffentlichen" klickt, heute kann sich kein Executive mehr leisten, im Social Web stumm zu bleiben. Die Mitarbeiter, die Stake-Holder und die Unternehmensmarke selbst verlangen nach einem starken Auftritt ihres CEO.
DAX-Konzern | CEO | Follower auf LinkedIn | Follower auf Twitter |
---|
Adidas | Kaspar Rorsted | 0 | 0 |
Allianz | Oliver Bäte | 22.770 | 0 (privat) |
BASF | Martin Brudermüller | 0 | 0 |
Bayer | Werner Baumann | 0 | 0 |
Beiersdorf | Stefan de Loecker | 1.347 | 0 |
BMW | Harald Krüger (bis 15. August 2019) | 0 | 0 |
Continental | Elmar Degenhart | 0 | 0 |
Covestro | Markus Steilemann | 5747 | 1613 |
Daimler | Ola Källenius | 12.395 | 1097 |
Deutsche Bank | Christian Sewing | 0 | 0 |
Deutsche Börse | Theodor Weimer | 0 | 0 |
Deutsche Post | Frank Appel | 706 | 0 |
Deutsche Telekom | Timotheus Höttges | 55.432 | 0 |
E.ON | Johannes Teyssen | 0 | 0 |
Fresenius | Stephan Sturm | 0 | 0 |
Fresenius Medical Care | Rice Powell | 40 | 0 |
Heidelberg Cement | Bernd Scheifele | 0 | 0 |
Henkel | Hans Van Bylen | 0 | 0 |
Infineon | Reinhard Ploss | 4350 | 0 |
Linde | Stephen F. Angel | 0 | 0 |
Lufthansa | Carsten Spohr | 0 | 0 |
Merck KGaA | Stefan Oschmann | 27.710 | 0 (privat) |
Münchner Rück | Joachim Wenning | 1.654 | 0 |
RWE | Rolf Martin Schmitz | 0 | 0 |
SAP | *Bill McDermott | 201.200 | 49.700 |
Siemens | Joe Kaeser | 45.622 | 27.900 |
ThyssenKrupp | Guido Kerkhoff | 4387 | 1268 |
Volkswagen | Herbert Diess | 48.235 | 0 (privat?) |
Vonovia | Rolf Buch | 0 | 871 |
Wirecard | Markus Braun | 2315 | 30.000 |
*Bill McDermott hat SAP verlassen. Nachfolgerin und Co-CEO Jennifer Morgan hat 20.753 Follower auf LinkedIn und 17.900 auf Twitter, Nachfolger und Co-CEO Christian Klein hat keine Follower auf LinkedIn und 10.200 auf Twitter.
Erhebung: Alle 30 DAX-CEOS, Anfang September 2019