27.07.2003 - Die Schlagzeilen überschlagen sich: Pleitenrekord in der Druckindustrie befürchtet, Agenturensterben in der Werbeindustrie schreitet voran, Papierindustrie hängt am Tropf ... Beispiele wie diese gibt es viele. Krise ist derzeit das am häufigsten gebrauchte Wort. Folgt man jedoch dem Chinesischen, bedeutet Krise Chance. Und ein altes deutsches Sprichwort besagt: Kein Schaden ist so groß, dass nicht auch immer ein Vorteil darin liegt.
Doch es ist schwer angesichts dramatisch sinkender Umsätze, Stellenabbau und Insolvenzenrekord die Vorteile einer solchen Entwicklung zu sehen. Zumal die Umsätze der Druck- und damit auch der Papierindustrie zu zwei Dritteln direkt oder indirekt von der Werbewirtschaft abhängen. Und die ist schließlich besonders von der lahmenden Konjunktur und der schlechten Stimmung in der Wirtschaft betroffen.
Dennoch gibt es Betriebe, für die laut Yvonne Frenz, Pressesprecherin vom Bundesverband Druck und Medien (bvdm), Krise auch Chance bedeutet: "Das sind die Unternehmen, die oft erst in schlechten Zeiten bemerken, dass sie in auftragsstarken Phasen strategische Entscheidungen vernachlässigt haben." Eine Ansicht, die Kordinian und Florian Kohler, Geschäftsführer der Büttenpapierfabrik Gmund unterstreichen. Denn sie haben ihr Unternehmen frühzeitig auf die Zukunft vorbereitet, indem sie sich von je her auf das Segment hochwertigste und designorientierte Feinstpapiere spezialisierten und nun nach eigenen Angaben günstige Marktchancen wahrnehmen können. Damit haben sie den erwähnten Vorteil auf ihrer Seite. Kordinian Kohler räumt dennoch ein, dass bei weitem nicht alle seine Mitbewerber diese Chance als eine solche begreifen können: "Grundsätzlich ist die Marktlage im Moment sehr angespannt. Vor allem wegen der radikalen Streichung der Werbeetats hat sich der Papierverbrauch vermindert. Die vollen Auswirkungen kommen erst jetzt zur Geltung und treffen vor allem die Hersteller und Händler, deren Kapitaldecke gering ist. Aus dieser schwierigen Ausgangslage heraus fällt es natürlich schwer, jetzt innovativ und mutig zu sein." Betroffen hiervon ist nach seiner Meinung das gesamte mittlere Segment, das die Verluste weder durch Spezialisierung noch durch Massenproduktion ausgleichen kann.
Eine Einstellung, die Yvonne Frenz insoweit teilt, als dass auch sie insbesondere bei den Spezialbetrieben eine Abkoppelung vom Negativtrend ausmachen kann: "Schaut man sich den Markt nach Betriebstypen an, dann wiesen 2002 die Zeitungsdruckereien, Druckweiterverarbeiter und Vorstufenbetriebe die größten Minusraten auf. Während die beiden Erstgenannten auch im ersten Quartal 2003 weitere Einbußen verzeichnen mussten, konnten sich die Betriebe der Druck- und Medienvorstufe von dem Abwärtstrend abkoppeln und Umsatzzuwächse von knapp fünf Prozent über dem Vorjahresniveau verbuchen."
Dennoch mag Frenz nicht sagen, dass Spezialisierung das allein heilbringende Mittel zum Überleben ist und einige Bereiche der Druckindustrie im Verlauf der schwächelnden Konjunktur ganz von der Bildfläche verschwinden. Trotzdem aber wird es mit dem Anziehen der Konjunktur ihrer Überzeugung nach Bereiche geben, die von der Spezialisierung stärker profitieren als andere: "Werbedrucke wie Kataloge, Plakate, Geschäftsberichte und vieles mehr haben einen prozentualen Anteil am Druckvolumen von nahezu 40 Prozent. Zeitungen und Zeitschriften verbuchen dagegen jeweils nur zwölf Prozent. Das zeigt deutlich, dass mit dem Aufschwung der Konjunktur und dem Werbeverhalten auch die Druckindustrie wieder deutlich profitieren wird."
Kordinian Kohler sieht diesen pauschalen Zusammenhang zwischen den Anteilen am Druckvolumen und den daraus errechneten Steigerungserwartungen bei Anziehen der Konjunktur indes differenzierter. Nach seiner Kenntnis haben sich die Drucktechniken bis auf den Desktop-Bereich wenig geändert. Und der Boom in diesem Bereich wiederum führt lediglich zu einer Steigerung im kleinformatigen Segment. "Wir haben festgestellt," erläutert Kohler seine Beobachtungen, "dass die Druckereien, die sich rechtzeitig mit Feinstpapieren auseinandergesetzt haben, heute eine bessere Ausgangssituation vorfinden. Aber das gilt natürlich nicht für Massenauflagen." Und damit unterstützt er wieder seine Theorie, dass sich denjenigen Unternehmen die größten Chancen bieten, die rechtzeitig eine Spezialisierungsstrategie eingeführt haben. Er ist sich sicher: "Extreme Spezialisierung funktioniert auch in anderen Bereichen als der Papierindustrie, zum Beispiel in der Druckindustrie oder bei den Agenturen." Und so sieht er nicht nur für sein Unternehmen eine positive Zukunft. Wenn sich Unternehmen auf einen Spezialbereich konzentrierten, würden sie nicht im Mittelmaß versinken. Vielleicht sieht er den Markt sogar positiver, als der bvdm, der für das kommende Jahr in der Branche eine moderate Steigerung von etwa zwei Prozent erwartet. cb
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